4.1 Grundlagen

Der Grundsatz der Gleichbehandlung gehört zu den unbestrittenen Grundprinzipien des deutschen Arbeitsrechts. Auf die Festlegung seiner genauen Herleitung kann im Einzelfall dennoch nicht verzichtet werden, weil nur so die Rechtsfolgen zuverlässig beurteilt werden können:

Die Pflicht zur Gleichbehandlung der Arbeitnehmer kann sich für den öffentlichen, grundrechtsgebundenen Arbeitgeber aus den allgemeinen und besonderen Gleichheitssätzen (etwa Art. 33 Abs. 2 und 3 GG) und den speziellen Differenzierungsverboten der Verfassung unmittelbar ergeben. Für alle Arbeitgeber folgt der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz aus einfachgesetzlichen Regelungen wie z.B. § 4 Abs. 1 TzBfG für die Gleichbehandlung Teilzeitbeschäftigter, § 4 Abs. 2 TzBfG für die Gleichbehandlung befristet beschäftigter Arbeitnehmer sowie §§ 611 a, 611 b, 612 Abs. 3 BGB hinsichtlich der Gleichbehandlung von Frauen und Männern. Zu beachten ist ferner der im EG in Art. 141 positiv gesetzlich normierte Grundsatz der Entgeltgleichbehandlung für Frauen und Männer (siehe näher Gleiches Entgelt für Männer und Frauen) bei gleicher und gleichwertiger Arbeit, dem auch zwischen Privaten unmittelbare Geltung zukommt. Diese Regelungen sind durchweg nicht abdingbar.

Das verhält sich grundlegend anders mit dem vor der Rechtsprechung entwickelten, dem Privatrecht zuzuordnenden allgemeinen arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz. Der gesetzlich nicht normierte, von der Arbeitsrechtsprechung aus § 242 BGB entwickelte arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz ist zwar inhaltlich durch die Regeln aus Art. 3 Abs. 1 und 3 GG geformt, aber im Gegensatz zu diesen parteidispositiv. Die Privatautonomie und die Vertragsfreiheit gehen vor.

4.2 Inhalt

Der allgemeine arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz gebietet dem Arbeitgeber, seine Arbeitnehmer oder Gruppen seiner Arbeitnehmer, die sich in vergleichbarer Lage befinden, bei Anwendung einer selbst gegebenen Regel gleich zu behandeln. Er verbietet nicht nur die willkürliche Schlechterstellung einzelner Arbeitnehmer innerhalb einer Gruppe, sondern auch eine sachfremde Gruppenbildung.[1]

Der allgemeine arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz bezieht sich auf alle Arten von Maßnahmen oder Entscheidungen des Arbeitgebers und kann Anspruchsgrundlage (Hauptanwendungsfall in der Praxis ist die Vergütungsgestaltung) oder Rechtsausübungsschranke (bspw. Direktionsrecht) sein. Im Bereich der Vergütung, also der Hauptleistungspflicht des Arbeitgebers, ist der Gleichbehandlungsgrundsatz trotz des Vorrangs der Vertragsfreiheit anwendbar, wenn der Arbeitgeber die Leistung nach einem allgemeinen Prinzip gewährt, indem er bestimmte Voraussetzungen oder Zwecke festlegt. Allein die Begünstigung einzelner Arbeitnehmer erlaubt noch nicht den Schluss, diese Arbeitnehmer bildeten eine Gruppe. Eine Gruppenbildung liegt nur vor, wenn die Besserstellung nach einem oder mehreren Kriterien vorgenommen wird, die bei allen Begünstigten vorliegen. Der Gleichbehandlungsgrundsatz kommt deshalb nicht zur Anwendung, wenn es sich um individuell vereinbarte Löhne und Gehälter handelt und der Arbeitgeber nur einzelne Arbeitnehmer besser stellt.

 
Praxis-Beispiel

(Nach BAG, Urt. v. 18.06.1997 - 5 AZR 259/96). Vereinbart ein Arbeitgeber nach abstrakten innerbetrieblichen Regeln ausnahmslos mit ABM-Kräften in Einzelverträgen untertarifliche oder generell geringere als die betriebsübliche Vergütung, findet der allgemeine arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz Anwendung. Allerdings ist in diesen Fällen eine Unterscheidung zwischen regulären Mitarbeitern und ABM-Kräften sachlich gerechtfertigt. Wird nur im Einzelfall, also nicht generell mit einer ABM-Kraft untertarifliche Vergütung vereinbart, findet der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz keine Anwendung, weil der Grundsatz der Vertragsfreiheit Vorrang hat.

Erfolgt die Besserstellung unabhängig von abstrakten Differenzierungsmerkmalen in Einzelfällen, können sich andere Arbeitnehmer hierauf zur Begründung gleichartiger Ansprüche nicht berufen.[2] Es fehlt der notwendige kollektive Bezug als Anknüpfungspunkt dafür, einer Ungleichbehandlung entgegenzuwirken. Denn der allgemeine Gleichbehandlungsgrundsatz verbietet nur die willkürliche Schlechterstellung einzelner Arbeitnehmer aus sachfremden Gründen gegenüber anderen in vergleichbarer Lage befindlichen Arbeitnehmern, er verhindert jedoch nicht die Begünstigung einzelner Arbeitnehmer (st. Rechtsprechung des BAG, s. nur BAG, Urt. v. 13.02.2002 - 5 AZR 713/00).

4.3 Verbot der Differenzierung nach dem Geschlecht

Im Zusammenhang mit Art. 3 Abs. 3 GG (siehe Die speziellen Gleichheitssätze, Art. 3 Abs. 3 GG) ist bereits dargestellt, dass die dort genannten Differenzierungsmerkmale, u.a. das Geschlecht, ausnahmslos nie einen Sachgrund zur unterschiedlichen Behandlung von Arbeitnehmergruppen darstellen können. Wird also die Begünstigung von Arbeitnehmergruppen mit einem der in Art. 3 Abs. 3 genannten Kriterien begründe...

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