Tenor

Die Revision gegen das Urteil des Landessozialgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 21. März 1972 wird zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

Der Kläger ist seit 1952 Arzt, seit 1959 Facharzt für Chirurgie. Er ist – seit Mai 1962 – hauptberuflich als Werksarzt bei der … (ATH) in D. beschäftigt. Im November 1963 beantragte er bei dem Beklagten seine Bestellung zum Durchgangsarzt (D-Arzt) in Duisburg. Diesen Antrag unterstützte die ATH und gestattete dem Kläger, in den ihm als Werksarzt zur Verfügung gestellten Räumen auch nichtwerkszugehörige Unfallverletzte zu versorgen und zu behandeln. Der Beklagte lehnte den Antrag durch Schreiben vom 7. Mai 1968 mit der Begründung ab, nach allgemeiner Auffassung solle ein Werksarzt nicht behandelnder Arzt sein, im Hinblick auf die Aufgaben eines Werksarztes erscheine es zweifelhaft, ob ihm die für einen D-Arzt erforderliche Beschränkung auf das Fachgebiet der Chirurgie möglich sei; die Prüfung, ob der Kläger nach einem Verzicht auf die werksärztliche Tätigkeit zum D-Arzt bestellt werden könne, behielt sich der Beklagte vor.

Der Kläger hat am 6. Juni 1968 Klage erhoben und die Auffassung vertreten, der Beklagte sei nach § 557 Abs. 2 Satz 2 der Reichsversicherungsordnung (RVO) verpflichtet, ihn als D-Arzt zu bestellen. Das Sozialgericht Duisburg hat die Klage durch Urteil vom 21. Mai 1971 abgewiesen, da der Kläger keinen Rechtsanspruch auf Zulassung zum D-Arztverfahren habe und in der Ablehnung kein Ermessensmißbrauch liege.

Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung des Klägers durch Urteil vom 21. März 1972 zurückgewiesen und zur Begründung ausgeführt: Beim Klagebegehren handele es sich um eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit in Angelegenheiten der Sozialversicherung. Zwar habe kein Arzt einen Anspruch auf Zulassung zum D-Arztverfahren; ein Vorverfahren sei jedoch entbehrlich, da beim Beklagten keine Widerspruchstelle bestehe und auch mit deren Einrichtung in angemessener Zeit nicht zu rechnen sei. Aus § 557 Abs. 2 Satz 2 RVO könne der Kläger keinen Anspruch auf Bestellung zum D-Arzt herleiten. Nach dieser Vorschrift hätten die fachlich geeigneten Ärzte lediglich einen Anspruch auf Zulassung zum berufsgenossenschaftlichen Heilverfahren. Der D-Arzt habe im Unterschied zu den nur in der Heilbehandlung tätigen Ärzten jedoch auch Verwaltungsaufgaben der Berufsgenossenschaften zu erfüllen. Er entscheide mit bindender Wirkung für sie darüber, ob der Verletzte in der Krankenpflege der Krankenkassen verbleibe oder ob berufsgenossenschaftliche Heilbehandlung erforderlich sei. Bei dem sowohl öffentlich-rechtlichen als auch privat-rechtlichen Verhältnis zwischen Berufsgenossenschaft und D-Arzt stehe ein privat-rechtliches Auftragsverhältnis im Vordergrund, auf dessen Herstellung kein Arzt aus seiner Stellung als Arzt ein Recht herleiten könne.

Nach Leitnummer 21 des zwischen dem Hauptverband der gewerblichen Berufsgenossenschaften e.V. und dem Bundesverband der landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaften e.V. einerseits und der Kassenärztlichen Bundesvereinigung andererseits abgeschlossenen Abkommens vom 1. Januar 1956 (Ärzteabkommen) und § 8 Nr. 3 der Vereinbarung der werksärztlichen Arbeitsgemeinschaft mit dem Hauptverband der gewerblichen Berufsgenossenschaften vom 1. März 1953 stehe die mit Zustimmung des Betriebes auch mögliche Bestellung von Werksärzten zu D-Ärzten im Ermessen der Berufsgenossenschaften. Schon mit Rücksicht auf die Aufgaben eines Werksarztes nach den Richtlinien des Bundesarbeitsministers vom 10. Juni 1966 und § 18 der Berufsordnung der Ärztekammer Nordrhein vom 29. Dezember 1956 sowie § 15 der Berufsordnung für die deutschen Ärzte sei die Entscheidung des Beklagten nicht ermessensfehlerhaft. Werksärzte seien in der Regel nicht geeignet, zum D-Arztverfahren zugelassen zu werden, weil sie sich grundsätzlich einer behandelnden Tätigkeit enthalten sollten; die Behandlung der Unfallverletzten sei aber gerade ein wesentliches Aufgabengebiet der D-Ärzte. Zu berücksichtigen sei ferner, daß der Kläger durch seine Tätigkeit als Werksarzt bereits sehr stark in Anspruch genommen sei, die Gefahr von Konflikten zwischen den Aufgaben als Werksarzt und den Pflichten als D-Arzt bestehe und die ATH als Eigentümerin der Praxisräume und des Instrumentariums zudem jederzeit eine Tätigkeit des Klägers als D-Arzt zum Erliegen bringen könne. Der Kläger könne daraus, daß Dr. Dr. Keller vor mehr als 16 Jahren trotz seiner Tätigkeit als Werksarzt bei der ATH im Werk Duisburg-Ruhrort zum Durchgangsarzt bestellt worden sei, keine Rechte herleiten. Bei diesem Arzt habe es sich um einen Ausnahmefall gehandelt. Der Beklagte habe nicht willkürlich gehandelt und daher nicht gegen Art. 3 des Grundgesetzes (GG) verstoßen. Der Grundsatz der freien Arztwahl sei nicht verletzt. Der Antrag auf Einführung freier Arztwahl im berufsgenossenschaftlichen Heilverfahren sei im Deutschen Bundestag nicht angenommen worden; darüber hinaus könne der Unfallverletzte zwischen mehreren D-Ärzten frei wählen. In D. seien mehrere Ärzte zu D-Ärzten bestellt. Die Nichtzulassung des Klägers als D-Arzt verstoße auch nicht gegen Art. 12 GG. Sie berühre nicht die Freiheit der Berufswahl. Die Tätigkeit eines D-Arztes stelle nur eine Ausübungsform des Berufes eines frei praktizierenden oder eines angestellten Arztes dar. Auch ohne Zulassung als D-Arzt könne der Kläger, anders als ein Arzt ohne Kassenzulassung, seinen Beruf erfolgreich ausüben. Unter dem Gesichtspunkt des Gemeinwohls erweise sich die Ablehnung des Antrages ebenfalls nicht als rechtswidrig. Zwar sei es möglicherweise erforderlich, die Tätigkeit eines Werksarztes anziehender auszugestalten, um eine werksärztliche Betreuung der Betriebe nicht zu gefährden. Im Hinblick auf die möglichen Konfliktsituationen zwischen der werksärztlichen Tätigkeit und den Aufgaben eines D-Arztes ließen das Gemeinwohl und das Interesse der Versicherten es nicht zu, aus sachfremden Erwägungen grundsätzlich alle Werksärzte zu D-Ärzten zu bestellen.

Das LSG hat die Revision zugelassen.

Der Kläger hat dieses Rechtsmittel eingelegt und wie folgt begründet: Dem Wortlaut des § 557 RVO entsprechend habe er bei unbestrittener sachlicher und persönlicher Qualifikation als Facharzt für Chirurgie einen unmittelbaren Rechtsanspruch auf Beteiligung am D-Arztverfahren gegen den Beklagten.

Selbst wenn man davon ausgehe, daß die Zulassung als D-Arzt im Ermessen des Beklagten liege, sei die Ablehnung rechtswidrig. Der Beklagte habe sein Ermessen willkürlich ausgeübt, weil er aus grundsätzlichen Erwägungen überhaupt keine Werksärzte zu D-Ärzten bestellen wolle, ohne spezielle Argumente gegen die Person des Klägers vorbringen zu können. Die Abkommen vom 1. März 1953 und 1. Januar 1956 würden dadurch inhaltslos. Auf die Berufsordnung der Ärztekammer Nordrhein könne in diesem Zusammenhang nicht verwiesen werden, sie habe auch schon im Abkommen vom 1. März 1953 ihren Niederschlag gefunden. Die Standesrichtlinien regelten außerdem ausschließlich die Beziehungen der Ärzte untereinander und hätten keine Außenwirkung. Der Kläger könne durchaus neben seiner Werksarzttätigkeit noch die Aufgaben eines D-Arztes erfüllen. Im Hinblick auf den vom LSG zitierten umfangreichen Aufgabenkatalog der Werksärzte sei zu berücksichtigen, daß bei der ATH gleichzeitig 6 bis 9 Ärzte tätig seien. Die Tätigkeit des Klägers beschränke sich auf die ärztliche Hilfe und Erstbehandlung bei Unfällen. Da er auch die Einzelheiten des Unfalles festhalte, übe er die gleiche Tätigkeit wie ein D-Arzt aus. Die Zulassung als D-Arzt würde für ihn zu keiner Mehrbelastung führen.

Es sei nicht ersichtlich, inwiefern eine Konfliktsituation zwischen der Tätigkeit als Werksarzt und der als D-Arzt gerade bei der ATH auftreten sollte, während nach den Vereinbarungen zwischen der werksärztlichen Arbeitsgemeinschaft und dem Hauptverband der Berufsgenossenschaften Werksärzte zu D-Ärzten zugelassen werden könnten. Der Beklagte habe sich auch nicht auf eine solche Situation im Falle des Dr. Dr. Keller berufen. Die Möglichkeit der Kündigung der Praxisräume sei nur theoretisch und widerspreche der Situation eines paritätisch mitbestimmten Großbetriebes. Die Gefahr einer Kündigung seiner Praxisräume durch den Hausbesitzer bestehe zudem jederzeit auch für jeden anderen Facharzt.

Die Entscheidung des Beklagten verstoße gegen Art. 3 des Grundgesetzes, da zahlreiche andere Werksärzte zu D-Ärzten bestellt seien. Sie verletze auch den Grundsatz der freien Arztwahl; die Belegschaft der ATH wünsche die Möglichkeit, von dem Kläger als D-Arzt behandelt zu werden. Der T. habe seinen Antrag unterstützt, um die Stellung des Werksarztes so auszugestalten, daß qualifizierte Ärzte für eine solche Tätigkeit gewonnen werden könnten und die Position des Werksarztes nicht im Endergebnis zu einer negativen Auslese von Ärzten führe. Im Entwurf zum Werksarztgesetz sei zum Ausdruck gebracht, daß man mit Sicherheit nicht die erforderliche Zahl an Werksärzten gewinnen könne, sofern der Status des Werksarztes durch sachlich ungerechtfertigte Standesrichtlinien eingeengt werde.

Der Kläger beantragt,

unter Aufhebung der angefochtenen Entscheidung des Landessozialgerichts das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 21. Mai 1971 zu ändern, den Bescheid des Beklagten vom 7. Mai 1968 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, über seinen Antrag vom 18. November 1963 neu zu entscheiden.

Der Beklagte und die Beigeladene zu 2) beantragen,

die Revision zurückzuweisen. Sie halten das angefochtene Urteil für zutreffend.

Die Beigeladene zu 1) stellt – wie bereits in den Vorinstanzen – keinen Antrag; sie hat sich zur Sache nicht geäußert.

II

Der Senat hat mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden (§ 124 Abs. 2 des SozialgerichtsgesetzesSGG –).

Die zulässige Revision des Klägers ist nicht begründet.

Zu Recht haben die Vorinstanzen die Zulässigkeit des Rechtsweges vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit für gegeben erachtet. Bei dem anhängigen Rechtsstreit handelt es sich um eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit in Angelegenheiten der Sozialversicherung (§ 51 Abs. 1 SGG). Der Kläger erhebt einen Anspruch auf Bestellung zum D-Arzt. Das D-Arztverfahren ist eine Einrichtung des berufsgenossenschaftlichen Heilverfahrens und gehört zu den Maßnahmen, mit denen die Unfallversicherungsträger die ihnen übertragenen öffentlich-rechtlichen Aufgaben auf dem Gebiet der gesetzlichen Unfallversicherung (§§ 556, 557 Abs. 2 Satz 1 RVO) erfüllen. Schon daraus folgt, daß der vom Kläger erhobene Anspruch seine Grundlage nur im öffentlichen Recht haben kann (vgl. BSG 21, 104, 109 zur Zulassung als Knappschaftsarzt; Entsch. OVG Berlin 8, 135 zum D-Arztverfahren).

Die Klage ist zulässig, obwohl ein Vorverfahren (§§ 78 ff SGG) nicht durchgeführt worden ist. Nach § 79 Nr. 1 SGG findet zwar ein Vorverfahren statt, wenn mit der Klage die Aufhebung eines Verwaltungsakts begehrt wird, der nicht eine Leistung betrifft, auf die ein Rechtsanspruch besteht. Mit dem angefochtenen Verwaltungsakt hat der Beklagte es abgelehnt, den Kläger als D-Arzt zu bestellen. Da für den Kläger auch nach der Auffassung des Senats, wie noch auszuführen ist, ein Rechtsanspruch auf Bestellung zum D-Arzt nicht besteht, liegen die Voraussetzungen des § 79 Nr. 1 SGG vor. Diese Vorschrift bezieht sich nicht ausschließlich auf Leistungen, deren Gewährung im Ermessen der Verwaltung steht, sie erfaßt vielmehr alle Fälle, in denen es sich – wie hier – nicht um einen Rechtsanspruch auf Leistungen, sondern um eine Entscheidung handelt, bei der auch nur in einer irgendwie gearteten Form ein Ermessen ausgeübt worden ist (vgl. Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, 1.–7. Aufl. S. 234 a V, a VI m. Nachw. insbes. aus der Rechtsprechung des BSG; ferner BSG in SozR Nrn. 14 und 16 zu § 79 SGG). Es kann offen bleiben, ob außerdem die Tatbestandsmerkmale der Nr. 2 des § 79 SGG im vorliegenden Fall gegeben sind. Der Kläger konnte jedoch, wie bereits das SG und das LSG zutreffend angenommen haben, gegen den Verwaltungsakt des Beklagten unmittelbar Klage erheben, weil bei dem Beklagten eine für die Entscheidung über den Widerspruch zuständige Stelle entgegen den gesetzlichen Erfordernissen (vgl. § 85 Abs. 2 Nr. 2 SGG) nicht bestimmt worden ist und deshalb ein Vorverfahren – in angemessener Zeit – nicht durchzuführen war (vgl. BSG 7, 292, 294). Dabei ist zu berücksichtigen, daß die Frage, ob er sich bei Streitigkeiten der vorliegenden Art um öffentlich-rechtliche Streitigkeiten in Angelegenheiten der Sozialversicherung (§ 51 Abs. 1 SGG, vgl. auch § 85 Abs. 2 Nr. 2 SGG) handelt, bisher höchstgerichtlich nicht entschieden war und daher die Notwendigkeit, hierfür eine Widerspruchsstelle zu bestimmen, zweifelhaft sein konnte. Insofern liegen die Verhältnisse hier anders als in den von BSG am 20. Februar 1968 (BSG 28, 5) entschiedenen Fall; das BSG hat (aaO S. 8) das Vorverfahren nicht für entbehrlich gehalten, weil bereits durch die Entscheidung vom 15. Juli 1958 BSG 7, 292) klargestellt worden sei, daß es in einem Vorverfahren nachzuprüfende Entscheidungen der Kassenzahnärztlichen Vereinigung gebe.

Die Klage ist nicht begründet.

Der Kläger hat keinen Anspruch auf Bestellung zum D-Arzt.

Entgegen der Meinung der Revision läßt sich ein solcher Anspruch aus § 557 Abs. 2 Satz 2 RVO nicht herleiten. Nach dieser Vorschrift sind an der Durchführung der Heilbehandlung die Ärzte zu beteiligen, die dazu fachlich befähigt, entsprechend ausgestattet und zur Übernahme der damit verbundenen Pflichten bereit sind. Diese Regelung über die Beteiligung von Ärzten an der „Durchführung der Heilbehandlung” betrifft sowohl nach ihrem Wortlaut als auch nach ihrer Zweckbestimmung nicht das Durchgangsarztverfahren. Das Aufgabengebiet des D-Arztes geht wesentlich über dasjenige des Arztes hinaus, der die berufsgenossenschaftliche Heilbehandlung durchführt (H-Arzt). Zwar wird auch der D-Arzt behandelnd tätig, wenn er einen Unfallverletzten, bei dem er berufsgenossenschaftliche Heilbehandlung für erforderlich hält, in eigene Behandlung nimmt. Die eigentliche Aufgabe des D-Arztes liegt jedoch nicht in der Durchführung der Heilbehandlung, sondern in erster Linie in der Entscheidung darüber, ob der Unfallverletzte in kassenärztlicher Behandlung bleiben oder in ein berufsgenossenschaftliches Heilverfahren genommen werden soll. Die Entscheidung des D-Arztes über die Einleitung der berufsgenossenschaftlichen Heilbehandlung ist für die Berufsgenossenschaft verbindlich, selbst wenn die Voraussetzungen für die Übernahme nicht vorliegen (vgl. Lauterbach, Gesetzliche Unfallversicherung, 3. Aufl., Anm. 12 p zu § 557 RVO). Da sich hiernach der eigentliche und bedeutsame Aufgabenbereich des D-Arztes auf Funktionen außerhalb der „Durchführung der Heilbehandlung” erstreckt, kann ein Anspruch auf Bestellung zum D-Arzt nicht auf die Vorschrift des § 557 Abs. 2 Satz 2 SGG gestützt werden, die nur die Beteiligung an der Durchführung der Heilbehandlung vorsieht (gleicher Ansicht: Lauterbach, aaO, Anm. 27 zu § 557; Noeske, Erläuterungen zum Ärzteabkommen, Stand Januar 1973, S. 70 d 1; a.A. Schröder-Printzen, SozSich 1963, 201). Die von einigen Abgeordneten des Deutschen Bundestags in der zweiten Lesung der UVNG (62. Sitzung des Deutschen Bundestags am 6. März 1963, vgl. BG 1963, 129 und 168) – nicht unwidersprochen – zum Ausdruck gebrachte Ansicht, § 557 Abs. 2 Satz 2 RVO beziehe sich auf D-Ärzte, hat im Gesetz keinen Niederschlag gefunden.

In den Bestimmungen des RVA über die Unterstützungspflicht der Krankenkassen und Unternehmer gegenüber den Trägern der Unfallversicherung und über Ersatzleistungen zwischen Krankenkassen, Ersatzkassen und Trägern der Unfallversicherung vom 19. Juni 1936 (AN 1936, 195) – zur Weitergeltung der Bestimmungen vgl. BSG 14, 233 und Brackmann, aaO S. 961, 962 – ist zwar u. a. festgelegt, unter welchen Voraussetzungen ein „von der Berufsgenossenschaft bezeichneten Facharzt (Durchgangsarzt)” zu Rate zu ziehen ist und welche Aufgaben dieser zu erfüllen hat (vgl. § 5). Die Voraussetzungen für die Bestellung von Durchgangsärzten sind jedoch in den Bestimmungen nicht geregelt. Insoweit sind nähere Einzelheiten enthalten in den Leitnummern 21 ff des Ärzteabkommens vom 1. Januar 1965 (zwischen dem Hauptverband der gewerblichen Berufsgenossenschaften, dem Bundesverband der landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaften sowie – seit dem 10. Zusatzabkommen – der Bundesarbeitsgemeinschaft der gemeindlichen Unfallversicherungsträger einerseits und der Kassenärztlichen Bundesvereinigung andererseits) und den „Richtlinien für die Bestellung von Durchgangsärzten” vom 11. Juli 1963 (mitgeteilt bei Lauterbach, aaO, Anm. 12 p zu § 557). Als Anspruchsgrundlage auf Bestellung zum Durchgangsarzt scheidet das Ärzteabkommen aber schon deshalb aus, weil in ihm nicht vorgesehen ist, daß ein Arzt, der die Voraussetzungen erfüllt, zum D-Arzt bestellt werden muß. Auch in Nr. 3 der „Leitsätze für die Zusammenarbeit der Berufsgenossenschaften mit den Werksärzten” vom 1. März 1953 (vgl. Rdschr. Hptvbd. VB 55/53), nach denen Werksärzte zu D-Ärzten bestellt werden können, wird ein Rechtsanspruch nicht begründet.

Das geltende Durchgangsarztsystem steht, soweit es nicht jedem – auch hierfür geeigneten – Arzt einen Anspruch auf Bestellung zum D-Arzt gewährt, nicht in Widerspruch zu Grundrechten. Es kann dahinstehen, ob der Sozialversicherte aus Art. 2 Abs. 1 GG überhaupt einen Anspruch auf freie Arztwahl herleiten kann (vgl. BSG 21, 104, 111). Soweit ein solcher Anspruch dadurch eingeschränkt wird, daß der Unfallverletzte die Wahl nur unter den D-Ärzten seines Bezirks hat (vgl. Leitnummer 26 des Ärzteabkommens) – eine behandelnde Tätigkeit übt der D-Arzt im wesentlichen nur in den verhältnismäßig seltenen Fällen aus, in denen er eine berufsgenossenschaftliche Heilbehandlung selbst übernimmt –, handelt es sich jedenfalls um eine zulässige Einschränkung des Grundrechts aus Art. 2 Abs. 1 GG, die in Rahmen der verfassungsmäßigen Ordnung liegt, da sie sich aus den in § 557 Abs. 2 Satz 1 RVO angeführten Aufgaben der Unfallversicherungsträger herleitet. Auch das Grundrecht des Klägers auf freie Berufswahl (Art. 12 Abs. 1 GG) wird nicht verletzt. Die Regelung des D-Arztverfahrens berührt allenfalls die Berufsausübung, nicht die Berufswahl. Beschränkungen in der Berufsausübung durch eine Nichtbeteiligung als D-Arzt sind jedoch so geringfügig, daß sie einer Beeinträchtigung der Berufswahl auch nicht entfernt vergleichbar sind. Das trifft insbesondere für den Kläger als hauptberuflichen Werksarzt zu, dem das Risiko seines Berufs weitgehend abgenommen ist, wenn auch – wie der Kläger meint – die Position eines Werksarztes durch die Bestellung zum D-Arzt eine attraktivere Ausgestaltung erfahren mag. Eine Verletzung des allgemeinen Gleichheitsgrundsatzes (Art. 3 Abs. 1 GG) liegt nicht darin, daß – vor mehr als 20 Jahren – der nach der Meinung der Revision mit dem Kläger vergleichbare Werksarzt Dr. Dr. Keller zum D-Arzt bestellt worden ist. Denn nach den nicht angegriffenen Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) hat es sich bei der Bestellung dieses Arztes zum D-Arzt um einen Ausnahmefall gehandelt.

Die von der Revision aufgeworfene Frage, ob Werksärzte – insbesondere hauptberuflich tätige – ausnahmslos oder jedenfalls grundsätzlich von einer Beteiligung am D-Arztverfahren ausgeschlossen sind, muß offen bleiben, da sie nicht entscheidungserheblich ist. Der Beklagte hat in der ablehnenden Entscheidung zum Ausdruck gebracht, daß er den Kläger, auch wenn dieser seine werksärztliche Tätigkeit aufgeben würde, nicht ohne weiteres – insbesondere nicht ohne Prüfung der Voraussetzungen – zum D-Arzt bestellen werde. Der Entscheidung ist nicht zu entnehmen, daß die Eigenschaft des Klägers als Werksarzt als alleiniger und als zwingend angesehener Grund für die Ablehnung der Bestellung zugrundegelegen hat. Unter anderem durch den Hinweis auf die „Richtlinie zur werksärztlichen Betreuung der Arbeitnehmer und zur Einrichtung werksärztlicher Dienste in den Betrieben und Unternehmen” des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung vom 10. Juni 1966 (BABl – Fachteil – S. 169) und den dort (Abschnitt III) angeführten Aufgabenkatalog des Werksarztes hat der Beklagte eine nicht zu beanstandende Begründung der Ablehnung dahin gegeben, daß er Zweifel daran hat, ob der Kläger die Aufgaben eines D-Arztes neben seiner Werksarzttätigkeit voll erfüllen könnte.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

BSGE, 267

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