Entscheidungsstichwort (Thema)

Anfechtungsklage. Bedarf. Befristung. Berufungsausschuß. Beteiligung. Erledigung. Fachkollege. Fortsetzungsfeststellungsklage. neuer Bescheid. Rechtsschutzbedürfnis. Umwandlung. Wegfall. Widerruf. Zeitablauf. Zulassungsausschuß. Zuständigkeit

 

Leitsatz (amtlich)

  • Zur Einbeziehung von in Zulassungssachen ergangenen nachgehenden Bescheiden in das Gerichtsverfahren.
  • Zur Zulässigkeit einer Beschränkung der Ermächtigung eines Krankenhausarztes auf Überweisung durch Gebietsärzte (Fortführung von und Abgrenzung zu BSGE 29, 65 = SozR Nr 32 zu § 368a RVO).
 

Normenkette

SGB V § 116; Ärzte-ZV § 31a; SGG § 96

 

Verfahrensgang

LSG Rheinland-Pfalz (Urteil vom 16.05.1991; Aktenzeichen L 5 Ka 1/90)

SG Mainz (Urteil vom 08.11.1989; Aktenzeichen S la Ka 170/88)

 

Tenor

Die Revisionen des Klägers gegen die Urteile des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 16. Mai 1991 werden zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

I

Der Kläger war als Chefarzt der chirurgischen Abteilung des E.… K.… B.… D.… seit 1972 auf Überweisung durch zugelassene und beteiligte Ärzte umfassend an der kassen- und vertragsärztlichen Versorgung nach früherem Recht beteiligt. Mit Bescheid vom 20. März 1987 schränkte der Zulassungsausschuß die Primärkassenbeteiligung dahingehend ein, daß die in § 29 Abs 2 Buchst c der Zulassungsordnung für Kassenärzte (ZO-Ä) aufgeführten Leistungen (Durchführung besonderer Untersuchungs- und Behandlungsmethoden, insbesondere ärztlicher Sachleistungen) nur noch auf Überweisung durch niedergelassene Chirurgen oder durch Chefärzte des E.… K.… B.… D.… im Rahmen von deren Beteiligung bzw Ermächtigung erbracht werden durften. Die Ersatzkassenbeteiligung wurde durch Bescheid der Beteiligungskommission vom 20. März 1987 für sämtliche Leistungen mit Ausnahme der Versorgung von Unfallverletzten in der genannten Weise beschränkt. Widersprüche und Klagen waren erfolglos (Bescheide des beklagten Berufungsausschusses und der Berufungskommission für die Ersatzkassenpraxis vom 1. Juni 1988; Urteile des Sozialgerichts ≪SG≫ Mainz vom 8. November 1989).

Während des Berufungsverfahrens vor dem Landessozialgericht (LSG) Rheinland-Pfalz haben die Zulassungsgremien die Primärkassenbeteiligung des Klägers mit Wirkung ab 1. April 1990 unter gleichzeitiger Umwandlung in eine Ermächtigung neuen Rechts und Befristung bis 31. März 1992 auch für die noch verbliebenen Leistungen gemäß § 29 Abs 2 Buchst a, b und d der am 31. Dezember 1988 außer Kraft getretenen ZO-Ä auf Fälle der Überweisung durch niedergelassene Chirurgen oder Chefärzte des E.… K.… B.… D.… beschränkt (Bescheide des Zulassungsausschusses vom 21. März 1990 und des beklagten Berufungsausschusses vom 20. Februar 1991). Das dagegen eingeleitete Klageverfahren ist durch Beschluß des SG Mainz vom 11. September 1991 zum Ruhen gebracht worden.

Das LSG hat mit Urteilen vom 16. Mai 1991 die Berufungen des Klägers zurückgewiesen und seine Klage gegen den Bescheid des Zulassungsausschusses vom 21. März 1990 in der Gestalt des Bescheides des Beklagten vom 20. Februar 1991 abgewiesen. Die genannten Verwaltungsakte seien gemäß § 96 Abs 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kraft Klage Gegenstand des Berufungsverfahrens geworden, so daß über sie mit zu entscheiden gewesen sei. Der teilweise Widerruf der bisherigen, umfassenden Beteiligung des Klägers beruhe auf einer zutreffenden Beurteilung der Bedarfslage und sei, auch was die Festlegung des verbleibenden Beteiligungs- bzw Ermächtigungsumfangs angehe, nicht zu beanstanden. Eine Ausgestaltung der Beteiligung/Ermächtigung in der Weise, daß der Krankenhausarzt nur auf Überweisung durch einen niedergelassenen Fachkollegen in Anspruch genommen werden könne, sei rechtlich zulässig; das Bundessozialgericht (BSG) habe seine frühere, entgegenstehende Rechtsprechung in späteren Entscheidungen nicht mehr aufrechterhalten. Auch die Umwandlung der Beteiligung in eine Ermächtigung neuen Rechts und deren Befristung stünden mit dem Gesetz in Einklang.

Mit den zu gemeinsamer Verhandlung und Entscheidung verbundenen Revisionen rügt der Kläger die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Zu Unrecht habe das LSG hinsichtlich der Bescheide vom 21. März 1990 und 20. Februar 1991 einen Anwendungsfall des § 96 SGG angenommen. Die Vorschrift könne weder unmittelbar noch analog herangezogen werden, weil der Regelungsgegenstand der genannten Verwaltungsakte ein anderer sei als der des Ausgangsbescheides. In der Sache weiche die angefochtene Entscheidung von der höchstrichterlichen Rechtsprechung ab. Das BSG habe seine im Urteil vom 17. Dezember 1968 – 6 RKa 33/68 – (BSGE 29, 65) zu § 368a Abs 8 der Reichsversicherungsordnung (RVO) vertretene Rechtsauffassung, daß die Beteiligung eines leitenden Krankenhausarztes an der kassenärztlichen Versorgung grundsätzlich nicht auf Überweisung durch bestimmte Gruppen von Kassenärzten, insbesondere Ärzte der gleichen Fachrichtung, beschränkt werden dürfe, entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts nicht aufgegeben. An dieser Rechtsauffassung sei auch unter der Geltung des jetzt maßgebenden § 116 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V) weiterhin festzuhalten. Bei der Prüfung der Bedarfslage habe das LSG übersehen, daß bei bestimmten, risikoreicheren Operationen die sachlichen und persönlichen Mittel eines niedergelassenen Chirurgen nicht ausreichten und die umstrittene Beteiligung/Ermächtigung deshalb weiter erforderlich sei.

Der Kläger beantragt,

die Urteile des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 16. Mai 1991 und des Sozialgerichts Mainz vom 8. November 1989 sowie die Bescheide des Beklagten und der Berufungskommission für Ersatzkassen vom 1. Juni 1988 und den Bescheid des Beklagten vom 20. Februar 1991 aufzuheben,

hilfsweise:

unter Aufhebung der angefochtenen Urteile festzustellen, daß die genannten Bescheide rechtswidrig waren.

Der Beklagte und die Beigeladene zu 1. beantragen,

die Revisionen gegen die Urteile des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 16. Mai 1991 zurückzuweisen.

Sie halten die angefochtenen Urteile für zutreffend. Obwohl der Bedarf an ambulanten chirurgischen Leistungen weitestgehend durch die freipraktizierenden Chirurgen sichergestellt sei, könne es in besonderen Ausnahmefällen angezeigt sein, die besonderen Kenntnisse und Erfahrungen sowie die bessere apparative Ausstattung des Krankenhausarztes nutzbar zu machen. Dies solle durch die dem Kläger belassene Ermächtigung zur ambulanten Behandlung auf Überweisung durch niedergelassene Fachkollegen ermöglicht werden. Ein weitergehender Ermächtigungsbedarf sei nicht nachgewiesen.

Die übrigen Beteiligten haben keine Anträge gestellt.

Im Verlauf des Revisionsverfahrens haben die Zulassungsgremien die verbliebene Ermächtigung des Klägers zunächst bis zum 31. März 1994 und sodann weiter bis zum 31. März 1996 verlängert (Bescheide des Beklagten vom 9. Dezember 1992 und des Zulassungsausschusses vom 30. März 1994).

 

Entscheidungsgründe

II

Die Revisionen des Klägers sind nicht begründet.

In verfahrensrechtlicher Hinsicht hat das LSG seine Entscheidung mit Recht auf den während des Berufungsverfahrens ergangenen Bescheid des Beklagten vom 20. Februar 1991 erstreckt; die dagegen von der Revision erhobenen Einwände greifen nicht durch. Der genannte Verwaltungsakt, mit dem die Primärkassenbeteiligung weiter eingeschränkt und der ab 1. Januar 1989 geltenden Rechtslage angepaßt worden ist, ist gemäß § 96 Abs 1 iVm § 153 Abs 1 SGG Gegenstand des anhängigen Rechtsstreits geworden, denn er hat die bis dahin zeitlich nicht befristete Beteiligung für die Zeit ab 1. April 1990 neu geregelt und damit mit Wirkung ab diesem Zeitpunkt den mit der Klage angefochtenen Widerrufsbescheid vom 1. Juni 1988 ersetzt. In diesem Zusammenhang braucht nicht entschieden zu werden, ob es sich um einen Fall der unmittelbaren Anwendung des § 96 SGG handelt (so für vergleichbare Sachverhalte zB BSGE 4, 24, 26; 18, 31, 33; BSG SozR 2200 § 1254 Nr 1) oder ob die Vorschrift lediglich entsprechend heranzuziehen ist (so der erkennende Senat in BSG SozR 1500 § 96 Nr 32 S 40). Die Beschränkungen, die sich nach der Rechtsprechung des Senats im zuletzt genannten Fall für die Einbeziehung nachgehender Bescheide aus der besonderen Ausgestaltung des Verwaltungsverfahrens in Zulassungsangelegenheiten ergeben, kommen hier nicht zum Tragen, weil der beklagte Berufungsausschuß die vom Zulassungsausschuß mit Wirkung vom 1. April 1990 an beschlossenen Änderungen bestätigt hat und damit dem Anspruch des Klägers auf eine zweitinstanzliche Verwaltungsentscheidung Genüge getan ist.

Gegenstand des Gerichtsverfahrens wird allerdings, was sowohl das SG als auch das LSG verkannt haben, in Zulassungsstreitigkeiten regelmäßig nicht der ursprüngliche Verwaltungsakt (des Zulassungsausschusses), sondern allein der Bescheid des Berufungsausschusses, der mit seiner Anrufung für das gesamte weitere Verfahren ausschließlich funktionell zuständig wird und dementsprechend auch allein prozeßführungsbefugt ist (BSG SozR 1500 § 96 Nr 32 S 42; SozR 3-2500 § 96 Nr 1). Da diesbezüglich keine Rügen erhoben worden sind und die Vorinstanzen die Klagen ohnehin abgewiesen haben, ergeben sich aus dem angesprochenen Verfahrensfehler jedoch keine Folgerungen.

Das mit der Anfechtung der Bescheide vom 1. Juni 1988 und 20. Februar 1991 verfolgte Begehren hat sich entgegen der Auffassung des Klägers durch Zeitablauf erledigt. Im Primärkassenbereich ist die durch den Bescheid vom 20. Februar 1991 eingeräumte Ermächtigung mit Ablauf des darin festgelegten Ermächtigungszeitraums weggefallen. Für die Zeit ab 1. April 1992 ist sie durch eine – nunmehr bis 31. März 1994 befristete – neue Ermächtigung gleichen Umfangs abgelöst worden. Angesichts dessen könnte der Kläger bei für ihn positivem Prozeßausgang äußerstenfalls erreichen, daß die alte umfassende Beteiligung – als Ermächtigung iS des § 116 SGB V – bis zum 31. März 1992 aufrechterhalten bliebe. Die darauf abzielende Klage ist jedoch unzulässig; für sie besteht kein Rechtsschutzbedürfnis, nachdem die von den Zulassungsgremien verfügten Einschränkungen wegen der aufschiebenden Wirkung der eingelegten Rechtsbehelfe bis zu dem genannten Endzeitpunkt und darüber hinaus ohnehin keine Wirksamkeit erlangt haben.

Die für die Zeit ab 1. April 1992 maßgebenden Ermächtigungsbescheide sind nicht kraft Gesetzes Gegenstand des anhängigen oder eines neuen Gerichtsverfahrens geworden. Nach § 171 Abs 2 SGG gilt zwar ein während des Revisionsverfahrens ergangener Verwaltungsakt, der den angefochtenen Bescheid abändert oder ersetzt, als mit der Klage beim SG angefochten, sofern nicht der Kläger durch den neuen Verwaltungsakt klaglos gestellt oder dem Klagebegehren durch die Entscheidung des Revisionsgerichts zum ersten Verwaltungsakt in vollem Umfang genügt wird. Hier haben aber die Bescheide vom 9. Dezember 1992 und 30. März 1994 den voraufgegangenen, mit der Klage angefochtenen Verwaltungsakt nicht geändert oder ersetzt. Im Unterschied zu dem Bescheid vom 20. Februar 1991, der in ein bestehendes Beteiligungsverhältnis eingegriffen und dieses mit Wirkung von einem späteren Zeitpunkt an anders geregelt hat, haben die genannten Bescheide jeweils ein neues Rechtsverhältnis begründet, nachdem die zuvor erteilte Ermächtigung durch Fristablauf geendet hatte. In einem solchen Fall liegen die Voraussetzungen des § 96 Abs 1 bzw des § 171 Abs 2 SGG nicht vor. Auch eine analoge Anwendung dieser Bestimmungen, die das BSG für geboten gehalten hat, wenn bei Dauerrechtsverhältnissen der nachgehende Verwaltungsakt die Rechtsposition des Betroffenen in derselben, mit der Klage beanstandeten Weise regelt wie der Ausgangsbescheid (BSGE 47, 201, 202 f = SozR 1500 § 96 Nr 14 mwN), kommt nicht in Betracht. Dafür reicht es nicht aus, daß die neue Ermächtigung in dem umstrittenen Punkt der Beschränkung auf Überweisung durch Fachkollegen gegenüber der vorhergehenden nicht verändert worden ist. Gesichtspunkte der Prozeßökonomie können eine Einbeziehung späterer Verwaltungsakte in den Prozeß nur rechtfertigen, wenn es bei dem Folgebescheid ausschließlich um dieselben Sach- und Rechtsfragen geht wie beim ursprünglich angefochtenen Bescheid (BSGE 53, 247, 248 = SozR 5557 Anl 1 Nr 1; vgl auch BSG SozR 1500 § 144 Nr 1 S 3). Das ist jedoch bei Ermächtigungsbescheiden generell nicht der Fall, weil die Zulassungsinstanzen bei jeder Neuerteilung der Ermächtigung die Bedarfslage auf der Grundlage der im Entscheidungszeitpunkt gegebenen tatsächlichen Verhältnisse und der sich abzeichnenden Entwicklungen neu zu beurteilen haben.

Auch soweit der Prozeß um die Ermächtigung zur Teilnahme an der Versorgung der Ersatzkassenpatienten geführt wird, ist das Rechtsschutzbedürfnis für die erhobene Anfechtungsklage nachträglich weggefallen. Zwar ist hier der Bescheid vom 1. Juni 1988, mit dem die Berufungskommission die damalige Beteiligung auf Überweisung durch Gebietsärzte für Chirurgie beschränkt hat, später nicht mehr verändert, insbesondere die Beteiligung weder ausdrücklich in eine Ermächtigung umgewandelt noch befristet worden. Ob dem angesichts der bereits nach altem Recht (§ 95 Abs 8 SGB V idF des Gesundheits-Reformgesetzes ≪GRG≫ vom 20. Dezember 1988 ≪BGBl I S 2477≫) bestehenden strengen Akzessorietät der vertragsärztlichen Teilnahmeberechtigung zur Teilnahme an der kassenärztlichen Versorgung rechtliche Bedeutung beizumessen ist, kann auf sich beruhen. Denn durch das am 1. Januar 1993 in Kraft getretene Gesundheitsstrukturgesetz (GSG) vom 21. Dezember 1992 (BGBl I S 2266) sind die Aufteilung der ambulanten Versorgung in einen kassen- und einen vertragsärztlichen Bereich beseitigt und § 95 Abs 8 SGB V aF, der zusammen mit § 83 Abs 3 SGB V aF die Rechtsgrundlage für eine gesonderte Ermächtigung zur Teilnahme an der – früheren – vertragsärztlichen Versorgung bildete, gestrichen worden (Art 1 Nr 51 Buchst i GSG). Damit ist die frühere Ersatzkassenermächtigung in der zu diesem Zeitpunkt bestehenden Ermächtigung für den Primärkassenbereich aufgegangen.

Ist danach für eine Fortführung der Anfechtungsklagen kein Raum, so ist die Klage gleichwohl mit dem hilfsweise gestellten Feststellungsantrag zulässig. Hat sich der angefochtene Verwaltungsakt erledigt, spricht das Gericht nach § 131 Abs 1 Satz 3 SGG auf Antrag aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig war, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat. Der Übergang auf die Fortsetzungsfeststellungsklage ist keine Klageänderung und daher auch noch in der Revisionsinstanz zulässig (BSGE 56, 45, 50 = SozR 2100 § 70 Nr 1; BSG 73, 244, 245 = SozR 3-1500 § 88 Nr 1). Der Kläger hat an der Feststellung der Rechtswidrigkeit der Bescheide vom 1. Juni 1988 und 20. Februar 1991, soweit diese seine Beteiligung/Ermächtigung auf Überweisung durch niedergelassene Chirurgen beschränkt haben, ein berechtigtes Interesse iS des § 131 Abs 1 Satz 3 SGG. Er kann darauf verweisen, daß ihn die Zulassungsinstanzen auch in den Folgebescheiden vom 9. Dezember 1992 und 30. März 1994, gegen die Rechtsbehelfe eingelegt sind, wiederum nur in dem eingeschränkten, von ihm für rechtswidrig gehaltenen Umfang ermächtigt haben und deshalb eine Sachentscheidung in dem vorliegenden Verfahren die Durchführung weiterer Prozesse voraussichtlich entbehrlich machen wird. Anders als in der durch Urteil vom 2. Dezember 1992 – 6 RKa 5/91 – entschiedenen Streitsache, in der der Senat einen Fortsetzungsfeststellungsantrag als unzulässig angesehen hat, weil der spätere Ermächtigungsbescheid auf einer geänderten Rechtsgrundlage ergangen war (insoweit in SozR 3-1500 § 161 Nr 3 nicht mit abgedruckt), kann dem Kläger bei der hier gegebenen Konstellation das geltend gemachte Fortsetzungsfeststellungsinteresse nicht abgesprochen werden. Dieses Interesse ist auch nicht dadurch weggefallen, daß aufgrund der Neuregelung in § 115b SGB V idF des GSG Krankenhäuser seit dem 1. Januar 1993 im Falle einer entsprechenden Bereiterklärung auch ohne Ermächtigung zur Durchführung ambulanter Operationen im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung berechtigt sind. Ob das Krankenhaus, an dem der Kläger tätig ist, von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht hat, kann offenbleiben; denn die Ermächtigung des Klägers ist nicht auf die Erbringung operativer Leistungen beschränkt, sondern erstreckt sich auf alle Leistungen des chirurgischen Fachgebietes einschließlich der Untersuchungen zum Zwecke der Krankheitserkennung und der konsiliarischen Beratung des überweisenden Arztes.

In der Sache hat die Fortsetzungsfeststellungsklage keinen Erfolg. Die streitgegenständlichen Verwaltungsakte waren nicht rechtswidrig.

Rechtsgrundlage für den teilweisen Widerruf der früheren – seit 1. Januar 1989 gemäß Art 65 GRG als Ermächtigung weitergeltenden – Primärkassenbeteiligung des Klägers durch den Bescheid des Beklagten vom 20. Februar 1991 war § 95 Abs 4 Satz 3 iVm Abs 6 Satz 1 SGB V. Diese Vorschrift verpflichtet die Zulassungsinstanzen, eine Ermächtigung zu widerrufen, wenn ihre Voraussetzungen nicht oder nicht mehr vorliegen. Das war hier der Fall, weil nach den Feststellungen des Beklagten und des LSG eine ausreichende Versorgung der Versicherten auch ohne eine weitergehende Ermächtigung gewährleistet war. Der in § 116 Satz 2 SGB V und § 31a Abs 1 Satz 2 der Zulassungsverordnung für Vertragsärzte (Ärzte-ZV) festgelegte Vorrang der niedergelassenen Vertragsärzte bei der ambulanten Krankenbehandlung erlaubt die Aufrechterhaltung einer Ermächtigung nur, soweit und solange eine Lücke im Leistungsangebot der niedergelassenen Vertragsärzte besteht, die zur Sicherstellung einer ausreichenden und zweckmäßigen medizinischen Versorgung durch die Möglichkeit der Inanspruchnahme des Krankenhausarztes geschlossen werden muß (vgl dazu mwN: BSGE 70, 167, 173 = SozR 3-2500 § 116 Nr 2). Der Beklagte war daher gehalten, die Ermächtigung der tatsächlichen Bedarfslage anzupassen, ohne daß es darauf ankam, ob die Voraussetzungen für eine weitergehende Ermächtigung (bzw Beteiligung alten Rechts) bereits im Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung nicht vorgelegen hatten oder ob sie erst später weggefallen waren.

Die Ausführungen, mit denen das LSG das Fehlen eines weitergehenden Ermächtigungsbedarfs begründet, lassen keinen Rechtsfehler erkennen. Daß für die Ermittlung des quantitativen Bedarfs, also der für eine ausreichende und zweckmäßige ambulante Versorgung benötigten Zahl an Chirurgen, die Sollzahlen des für den Planungsbereich B.… D.… maßgebenden Bedarfsplanes zugrunde gelegt worden sind, steht in Einklang mit der Rechtsprechung des erkennenden Senats (vgl zuletzt BSGE 73, 25, 29 = SozR 3-2500 § 116 Nr 4 S 29 mwN). Bei der Prüfung des qualitativ-speziellen Bedarfs hat sich der Beklagte auf die Abrechnungsunterlagen sowie eine Stellungnahme des in B.… D.… niedergelassenen Gebietsarztes für Chirurgie gestützt und daraus entnommen, daß der Kläger keine über das Leistungsangebot dieses Arztes hinausgehenden ambulanten Leistungen erbringt. Auch dieses Vorgehen hat das Berufungsgericht zu Recht gebilligt. Ob die für die vertragsärztliche Versorgung der Versicherten notwendigen Leistungen von den niedergelassenen Ärzten in ausreichendem Umfang erbracht werden, kann in der Regel anhand eines Leistungsvergleichs auf der Grundlage von Häufigkeitsstatistiken (Frequenzstatistiken) und Befragungen von Vertragsärzten im Planungsbereich ermittelt werden. Will der Krankenhausarzt trotz äußerlich übereinstimmenden Leistungsspektrums ein besonderes Leistungsangebot geltend machen, muß er es detailliert darlegen (BSG SozR 3-2500 § 116 Nr 1). Das ist hier nicht geschehen.

Ein besonderes Leistungsangebot des Klägers, welches Gegenstand der von ihm beanspruchten weiterreichenden Ermächtigung sein könnte, ist nicht mit dem Hinweis darauf dargetan worden, daß in Einzelfällen wegen Komplikationsgefahren oder anderer besonderer Umstände ambulante Operationen, die an sich auch in der Praxis des niedergelassenen Chirurgen ausgeführt werden könnten, zweckmäßigerweise in das Krankenhaus verlegt werden sollten. Es braucht nicht entschieden zu werden, ob für derartige, nur vereinzelt auftretende Sonderfälle überhaupt eine Ermächtigung vorgesehen werden muß oder der Versicherte insoweit nicht auf die Inanspruchnahme anderweitiger Behandlungsmöglichkeiten, etwa in einem gemäß § 115b SGB V zugelassenen Krankenhaus außerhalb des Planungsbereichs, verwiesen werden kann. Jedenfalls kann darüber, ob in einem konkreten Behandlungsfall eine ambulante Operation aus Sicherheitsgründen ausnahmsweise nicht in der eigenen Praxis, sondern im Krankenhaus durchgeführt werden sollte, nur der niedergelassene Gebietsarzt selbst entscheiden. Eine vorherige allgemeine Festlegung der in Frage kommenden Tatbestände in der Form eines Leistungskatalogs ist nicht möglich. Würde bei dieser Sachlage dennoch eine generelle Ermächtigung auf Überweisung durch alle Kassen- bzw Vertragsärzte erteilt, könnte der überweisende Arzt nach eigenem Gutdünken über die Notwendigkeit der Einschaltung des Krankenhausarztes befinden und den spezialisierten Gebiets- oder Teilgebietsarzt übergehen mit der Folge, daß der Vorrang der freipraktizierenden Ärzte nicht gewahrt wäre. Die Möglichkeit, Risikopatienten auf Überweisung durch niedergelassene Chirurgen zu behandeln, ist dem Kläger eingeräumt worden und steht nicht im Streit.

Entgegen der Ansicht der Revision kann ein Anspruch auf umfassendere Ermächtigung nicht mit der Erwägung begründet werden, der angesprochene spezielle Bedarf an einer Einschaltung des Krankenhausarztes in schwierigen Fällen lasse sich anders nicht befriedigen, weil eine auf Überweisung durch Gebietsärzte beschränkte Ermächtigung aus Rechtsgründen nicht zulässig sei. Der erkennende Senat hat allerdings in einem Urteil vom 17. Dezember 1968 (BSGE 29, 65, 67 f = SozR Nr 32 zu § 368a RVO) entschieden, die Beteiligung eines leitenden Krankenhausarztes an der ambulanten kassenärztlichen Versorgung könne grundsätzlich nicht auf Überweisung durch bestimmte Gruppen von Kassenärzten, insbesondere durch Fachärzte, beschränkt werden. In dem zugrundeliegenden Fall war von den Zulassungsgremien festgestellt worden, daß der betreffende Krankenhausarzt über besondere, neue Untersuchungsmethoden verfügte, die den freipraktizierenden Gebietsärzten nicht zur Verfügung standen. Für derartige Sachverhalte ist an der genannten Rechtsprechung festzuhalten. Besteht ein qualitativer Bedarf, weil der Krankenhausarzt besondere, für eine ausreichende und zweckmäßige medizinische Versorgung notwendige Leistungen anbietet, die von den niedergelassenen Vertragsärzten derselben Fachrichtung nicht erbracht werden können, so ist für eine Ermächtigung nur auf Überweisung durch Fachkollegen kein Raum; denn durch die Zwischenschaltung des Gebietsarztes würden Verzögerungen und Kosten entstehen, obwohl von vornherein feststünde, daß dieser die erforderlichen Leistungen nicht selbst erbringen könnte. Die Zulassungsinstanzen müssen deshalb die Bedarfssituation stets klären und dürfen die erforderlichen Feststellungen nicht dadurch ersetzen, daß sie für den Fall einer etwaigen Versorgungslücke vorsorglich eine auf Facharztüberweisungen beschränkte Ermächtigung erteilen.

Dagegen ist die Aussage in dem vorgenannten Urteil auf Fälle der hier in Rede stehenden Art nicht zu erstrecken. Der Senat hat in späteren Entscheidungen mehrfach angedeutet, daß es auch im Falle einer quantitativ und qualitativ ausreichenden Versorgung durch niedergelassene Ärzte sinnvoll sein könne, die besonderen Kenntnisse und Erfahrungen des Krankenhausarztes oder die überlegene technische Ausstattung des Krankenhauses für die ambulante Behandlung nutzbar zu machen, und daß zu diesem Zweck auch eine Ermächtigung auf Überweisung durch Fachkollegen in Betracht zu ziehen sei (Urteile vom 23. Mai 1984 ≪SozR 5520 § 29 Nr 3 S 9≫ und 6. Juni 1984 ≪USK 84145 S 719≫; vgl auch Beschluß vom 7. August 1984 – 6 BKa 17/84 – nicht veröffentlicht). Durch eine solche Form der Ermächtigung wird dem angegangenen Gebietsarzt eine Überweisung ermöglicht, wenn er in einem Einzelfall wegen der besonderen Schwierigkeit der Diagnose und/oder Behandlung trotz des an sich ausreichenden eigenen Leistungsangebotes ausnahmsweise die Zuziehung des erfahreneren und besonders qualifizierten Krankenhausarztes für geboten erachtet. Ihre Zulässigkeit im konkreten Fall hängt davon ab, ob durch die Festlegung des Ermächtigungsumfangs und ggf eine weitere Eingrenzung des Kreises der überweisungsberechtigten Ärzte sichergestellt werden kann, daß der Vorrang der niedergelassenen Gebietsärzte gewahrt bleibt. Welche Voraussetzungen dafür im einzelnen zu erfüllen sind, bedarf aus Anlaß des vorliegenden Rechtsstreits keiner Entscheidung. Da nach dem vor her Gesagten jedenfalls die Zulässigkeit einer auf Überweisung durch Fachärzte desselben Gebietes beschränkten Ermächtigung nicht generell ausgeschlossen ist, greifen die rechtlichen Einwände des Klägers nicht durch.

Die Revisionen waren danach zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG, wobei dessen Abs 4 im Hinblick auf den Zeitpunkt der Revisionseinlegung noch in der früheren, bis 31. Dezember 1992 geltenden Fassung anzuwenden war (BSGE 72, 148, 156 f = SozR 3-2500 § 15 Nr 1).

 

Fundstellen

Haufe-Index 911859

AusR 1995, 2

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