Leitsatz (amtlich)

Eine Umschulung im Rahmen eines Beschäftigungsverhältnisses außerhalb des Bundesgebietes ist als Ausbildungszeit ohne Beitragsklassen oder Bruttojahresarbeitsentgelte zu bewerten, wenn bei den ausgeübten Tätigkeiten der Ausbildungszweck im Vordergrund stand.

 

Normenkette

FRG § 22 Abs 1 S 2 Fassung: 1960-02-25

 

Verfahrensgang

LSG Berlin (Entscheidung vom 07.07.1982; Aktenzeichen L 6 J 126/81)

SG Berlin (Entscheidung vom 12.08.1981; Aktenzeichen S 31 J 83/80)

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Bewertung der Tätigkeit des Klägers als Mechaniker-Umschüler vom 1. August 1957 bis 14. August 1958 nach dem Fremdrentengesetz (FRG).

Der im Jahre 1913 geborene Kläger erlernte den Beruf eines Gürtlers und war von 1940 bis Juli 1957 überwiegend als Dreher beschäftigt. Im Anschluß daran war der Kläger während der streitigen Zeit Mechaniker-Umschüler beim VEB-Büromaschinen-Reparaturwerk B. Seit dem 17. November 1958 arbeitete der Kläger als Wartungshelfer beim VEB B A.

Durch Bescheid vom 3. Dezember 1979 gewährte die Beklagte dem Kläger Altersruhegeld wegen Vollendung des 65. Lebensjahres. Bei der Rentenberechnung stufte die Beklagte die Tätigkeit des Klägers als Mechaniker-Umschüler in die Leistungsgruppe 3 - Arbeiter außerhalb der Land- und Forstwirtschaft - ein. Mit seiner Klage gegen diesen Bescheid begehrte der Kläger die Bewertung dieser Tätigkeit als Zeit der Ausbildung als Lehrling oder Anlernling gemäß § 22 Abs 1 Satz 2 FRG. Das Sozialgericht (SG) Berlin hat seiner Klage durch Urteil vom 12. August 1981 stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landessozialgericht (LSG) Berlin durch Urteil vom 7. Juli 1982 die Klage abgewiesen mit der Begründung, der Kläger habe während der streitigen Zeit keine Ausbildung als Lehrling oder Anlernling durchlaufen. Auf Umschulungsmaßnahmen, die zugleich Beitragszeiten im Sinne des § 15 FRG seien, beziehe sich die Vorschrift des § 22 Abs 1 Satz 2 FRG nach ihrem klaren Wortlaut nicht; sie sei auch nicht entsprechend auf andere Ausbildungsverhältnisse anzuwenden.

Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt der Kläger die unrichtige Anwendung des § 22 FRG. Er trägt vor, auch bei einer Umschulung handele es sich um eine Ausbildung, während der keine vollwertige Arbeit geleistet und demzufolge ein nur geringerer Verdienst erzielt werde. Deswegen seien zumindest Umschüler in der DDR Lehrlingen bzw Anlernlingen gleichzustellen. In diesem Sinne verfahre auch die Angestelltenversicherung.

Der Kläger beantragt, das Urteil des LSG Berlin vom 7. Juli 1982 aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des SG Berlin vom 12. August 1981 zurückzuweisen.

Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des Klägers ist begründet.

Während der streitigen Zeit war der Kläger als Mechaniker-Umschüler in einem Ostberliner Betrieb beschäftigt und entrichtete Beiträge zum dortigen Versicherungsträger. Diese Beitragszeit steht nach § 15 Abs 1 FRG einer nach Bundesrecht zurückgelegten Beitragszeit gleich.

Die Anrechnung der Beitragszeit im Leistungsfall regelt § 22 FRG. Diese Vorschrift unterscheidet deutlich die Anrechnungsarten nach Abs 1 Satz 1 und nach Abs 1 Satz 2. Die Anrechnung nach Satz 1 verweist auf die Anlage 1 zum FRG. Diese Anlage dient der Definition von Leistungsgruppen. Sie unterscheidet zunächst einmal grundsätzlich zwischen den Rentenversicherungen der Arbeiter (Teil A), der Angestellten (Teil B) und der knappschaftlichen Rentenversicherung (Teil C), wobei im Teil A nochmals zwischen den Arbeitern außerhalb der Land- und Forstwirtschaft (Nr 1), denen in der Landwirtschaft (Nr 2) und denen in der Forstwirtschaft (Nr 3) differenziert wird. Die Arbeiter außerhalb der Land- und Forstwirtschaft wiederum werden nach drei verschiedenen Leistungsgruppen qualifiziert, für die jeweils im einzelnen Tätigkeitsmerkmale vorgegeben sind. Die Zuordnung der vom Versicherten außerhalb des Bundesgebietes ausgeübten Tätigkeit zu einer Leistungsgruppe richtet sich danach, welche Tätigkeitsmerkmale erfüllt worden sind. Dabei ist jedoch zu beachten, daß die Anlage 1, wie sich schon aus ihrer stark gegliederten Aufteilung ergibt, auf die im Arbeitsleben üblichen Beschäftigungsverhältnisse abstellt, in denen der Arbeitnehmer für die von ihm geleistete Arbeit entlohnt wird. Demgegenüber ist eine besondere Betrachtung für Arbeitsverhältnisse angezeigt, die nicht auf einem Austausch zwischen Arbeitsleistung und Arbeitsentgelt beruhen. Als solche besonderen Arbeitsverhältnisse, die nicht nach der Anlage 1 zu beurteilen sind, zählt das Gesetz Zeiten der Ausbildung als Lehrling oder Anlernling auf (§ 22 Abs 1 Satz 2 FRG).

In der streitigen Zeit ist der Kläger als Umschüler tätig gewesen.

Umschüler sind in § 22 FRG nicht ausdrücklich erwähnt. Dies hat indessen nicht zur Folge, daß sie von dieser Vorschrift schlechthin nicht erfaßt werden. Eine Umschulung kann nach ihrer Ausgestaltung ohne weiteres einem Ausbildungsverhältnis entsprechen. Sie bezweckt die Befähigung des Umschülers zum Übergang in eine andere geeignete berufliche Tätigkeit, insbesondere die Erhöhung der beruflichen Mobilität (vgl § 47 AFG). Diese inhaltliche Bestimmung der Umschulung besagt noch nichts über die Form, insbesondere das Rechtsverhältnis, in dem sie durchgeführt wird. Eine mögliche Form ist die Begründung eines echten Berufsausbildungsverhältnisses, um dem Umschüler eine abgeschlossene Berufsausbildung zu vermitteln. Diesem Zweck dient das Lehr- oder Anlernverhältnis (vgl Verbandskommentar zur Rentenversicherung, Stand 1. Januar 1982, § 1227 RVO, RdNrn 18, 19). Weiterhin kann die Umschulung von einem Sozialleistungsträger im Rahmen der beruflichen Rehabilitation durchgeführt werden. Schließlich kann eine Umschulung auch innerbetrieblich erfolgen, indem der Arbeitgeber einen bei ihm beschäftigten Arbeitnehmer unter Aufrechterhaltung des Arbeitsverhältnisses innerbetrieblich umsetzt, um ihm Gelegenheit zu geben, neue Kenntnisse und Fertigkeiten zu erwerben.

Eine Umschulung muß also nicht einer Ausbildung als Lehrling oder Anlernling gleichstehen. Andererseits kann aber eine Umschulung auch nicht ohne weiteres mit einem auf dem Austausch von Arbeitsleistung und Arbeitsentgelt beruhenden Arbeitsverhältnis verglichen werden. Schon dies steht der von der Beklagten vorgenommenen Zuordnung der Tätigkeit des Klägers in die Leistungsgruppe 3 für Arbeiter außerhalb der Land- und Forstwirtschaft entgegen. Vielmehr ist darauf abzustellen, was bei der Umschulung im Vordergrund stand: die Ausbildung oder die Arbeitsleistung. Überwiegt bei Tätigkeiten im Rahmen einer Umschulung der Ausbildungszweck, so handelt es sich um eine Zeit der Ausbildung iSd § 22 Abs 1 Satz 2 FRG.

Im vorliegenden Fall ist nicht erkennbar, daß der Kläger während seiner Umschulung als vollwertige Arbeitskraft in den Betrieb eingegliedert war und seiner Arbeitsleistung entsprechend tariflich entlohnt wurde. Vielmehr wurde er in eine im Vergleich zu seiner bisherigen Berufstätigkeit andere Tätigkeit als Mechaniker umgeschult. Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, daß der Kläger neben dieser Umschulung noch eine vollwertige Tätigkeit iSd Leistungsgruppe 3 oder einer anderen Leistungsgruppe erbracht hätte. Deswegen ist davon auszugehen, daß die vom Kläger während der Umschulung verrichteten Arbeiten im wesentlichen den Ausbildungszwecken dieser Umschulung dienten. Deshalb entspricht die vom SG vorgenommene Einordnung der Umschulungstätigkeit des Klägers den aus § 22 FRG abzuleitenden Grundsätzen.

Nach alldem war auf die Revision des Klägers das Urteil des LSG Berlin aufzuheben und das im Ergebnis zutreffende sozialgerichtliche Urteil wiederherzustellen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

Breith. 1984, 402

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