Verfahrensgang

LSG Baden-Württemberg (Urteil vom 21.07.1989)

SG Stuttgart (Urteil vom 30.03.1987)

 

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 21. Juli 1989 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Revisionsverfahren nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

I

Die Klägerin ist die Witwe eines nicht an Schädigungsfolgen gestorbenen Kriegsteilnehmers, der eine Teilversorgung nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 50 vH wegen Teilverlustes des linken Unterarms bezogen hat. Nach dem Tod des Beschädigten 1983 beantragte die Klägerin Hinterbliebenenversorgung, die ihr auf Klage vom Sozialgericht (SG) Stuttgart zugesprochen worden ist (ablehnender Bescheid vom 13. November 1984, Widerspruchsbescheid vom 4. Februar 1985, Urteil vom 30. März 1987). Auf die Berufung des Beklagten ist das Urteil geändert und die Klage abgewiesen worden. Das Landessozialgericht (LSG) hat den mutmaßlichen Lebensweg, den der Beschädigte in Industrie oder Handwerk ohne die Kriegsbeschädigung genommen hätte, nachgezeichnet und die über die polnischen Nachkriegsverhältnisse eingeholten Auskünfte dahin beurteilt, daß die Hinterbliebenenrente der Klägerin weder im Verhältnis zu derjenigen aus der gewerblichen Wirtschaft noch zu einer solchen aus der Handwerkerversicherung gemindert sei (Urteil vom 21. Juli 1989).

Die Klägerin hat die vom Bundessozialgericht (BSG) zugelassene Revision eingelegt und Verletzung materiellen Rechts gerügt. Der Anspruch ergebe sich aus § 48 Abs 1 Satz 2 Bundesversorgungsgesetz (BVG), weil – ungeachtet der Richtlinien Ost – dem verstorbenen Ehemann der Klägerin dem Grunde nach ein Anspruch auf Berufsschadensausgleich (BSchA) zugestanden habe, der lediglich nach § 64 Abs 2 BVG geruht habe. Der BSchA müsse weder tatsächlich gezahlt, noch notwendigerweise beantragt worden sein. Hierauf komme es nicht an, wenn die tatsächlichen Voraussetzungen offenkundig vorgelegen hätten. Dies sei hier der Fall. Mindestens sei es verfahrensfehlerhaft, daß das LSG insoweit keine Ermittlungen angestellt habe.

Die Klägerin beantragt,

das angefochtene Urteil zu ändern und die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 30. März 1987 zurückzuweisen.

Der Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Er macht geltend, daß ein schädigungsbedingter Einkommensverlust nach den Feststellungen des LSG nicht habe nachgewiesen werden können, so daß auch kein Anspruch auf BSchA bestanden habe. Es komme daher nicht darauf an, ob die Richtlinien Ost als Teilversorgung zu Unrecht den BSchA ausklammerten.

Die Beigeladene hat sich nicht geäußert.

Alle Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

 

Entscheidungsgründe

II

Die Revision hat keinen Erfolg. Das LSG hat die Klage zu Recht abgewiesen.

Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Witwenbeihilfe. Nach § 48 Abs 1 Satz 1 BVG (idF durch das Gesetz vom 22. Januar 1982 ≪BGBl I S 21≫) erhält die Witwe eines Beschädigten, der nicht an den Folgen der Schädigung gestorben ist, Witwenbeihilfe, wenn er schwerbeschädigt war und durch die Folgen dieser Schädigung gehindert war, eine entsprechende Erwerbstätigkeit in vollem Umfang auszuüben und dadurch die Versorgung seiner Hinterbliebenen nicht unerheblich beeinträchtigt worden ist. Eine solche Minderung hat das LSG aufgrund seiner Feststellungen verneint, die Beweiswürdigung ist durch die Revision nicht angegriffen worden, Rechtsfehler sind insoweit nicht erkennbar.

Unabhängig von einer solchen wirklichen Minderung wird nach § 48 Abs 1 Satz 2 Halbsatz 1 BVG (seit der Fassung durch das Haushaltsstrukturgesetz AFG ≪HStruktG-AFG≫ vom 18. Dezember 1975 ≪BGBl I S 3113≫) Witwenbeihilfe auch dann gewährt, wenn der Beschädigte mindestens fünf Jahre Anspruch auf einen BSchA hatte. Dann gilt die Voraussetzung des Satzes 1, nämlich die erhebliche Minderung der Hinterbliebenenversorgung als erfüllt, obwohl dies nicht einmal typischerweise so sein muß; denn BSchA wird schon bei geringfügigen Einkommensverlusten gewährt, die nicht notwendig eine “nicht unerhebliche” Beeinträchtigung der Hinterbliebenenversorgung (vgl BSG SozR 3100 § 48 Nrn 4, 8, 10) zur Folge haben. Der Anspruch auf BSchA begründet eine unwiderlegbare Rechtsvermutung, die der Beweiserleichterung und der Verwaltungsvereinfachung dient (vgl die Urteile des Senats vom 26. November 1991 – 9a RV 19/90 – sowie vom 29. Januar 1992 – 9a RV 5/91 – beide zur Veröffentlichung vorgesehen).

Tatsächlich hat der verstorbene Ehemann der Klägerin keinen BSchA bezogen, schon weil eine solche Leistung nach den Richtlinien Ost (vgl die vom BMA herausgegebenen Regelungen für die Versorgung von Kriegsopfern in Ost-und Südosteuropa 1988 unter Bezugnahme auf frühere nicht veröffentlichte Richtlinien ≪Beilage zum BVBl 1988≫) nicht bestanden hat. Ungeachtet der Frage, ob dieser Ausschluß einer Leistungsart mit dem Gesetz in Einklang steht (vgl hierzu BSG SozR 3100 § 64 Nr 7), könnte der Anspruch auf Witwenbeihilfe auch dann nicht bejaht werden, wenn den in Polen lebenden Beschädigten dem Grunde nach Anspruch auf BSchA zuzuerkennen wäre. Denn der Anspruch auf BSchA als Voraussetzung für die Witwenbeihilfe muß klar erkennbar zutage liegen, und darf weder rechtlich noch tatsächlich zweifelhaft sein (Urteil vom 26. November 1991 – 9a RV 19/90 –). Steht als Ergebnis von Ermittlungen fest, daß die Voraussetzungen des Anspruchs nach § 48 Abs 1 Satz 1 BVG zu verneinen sind, wie dies aus dem die angefochtenen Bescheide bestätigenden Urteil des LSG folgt, ist es ausgeschlossen, aus diesen Ermittlungen einen Anspruch nach § 48 Abs 1 Satz 2 BVG herzuleiten (vgl Urteil des Senats vom 29. Januar 1992 – 9a RV 5/91 –.

Das gilt auch für die in Polen lebenden Hinterbliebenen von Versorgungsberechtigten. Daß ihnen die Beweiserleichterung des § 48 Abs 1 Satz 2 BVG durch einen gezahlten BSchA wegen der bisherigen Verwaltungspraxis überhaupt nicht zugute kommen kann, erfordert keine andere Auslegung des Gesetzes. Denn das Fehlen der Beweiserleichterung schließt keine Witwe davon aus, die Voraussetzungen ihres Anspruchs, nämlich eine konkrete Minderung der Hinterbliebenenversorgung, darzutun. Gibt es eine solche Minderung in dem vom Gesetz geforderten erheblichen Umfang, ist der Zugang zur Witwenbeihilfe in gleicher Weise eröffnet, wie in den Inlandsfällen, in denen der Versorgungsberechtigte selbst BSchA niemals verlangt hat.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 des Sozialgerichtsgesetzes.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1204109

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