Beteiligte

Berufungsausschuß für Ärzte in Schleswig-Holstein

6. Verband der Angestellten-Krankenkassen e.V.

7. Arbeiter-Ersatzkassen-Verband e.V.

3. Betriebskrankenkassen-Landesverband Nord

1. AOK Schleswig-Holstein – Die Gesundheitskasse

4. Schleswig-Holsteinische Landwirtschaftliche Krankenkasse

5. Kassenärztliche Vereinigung Schleswig-Holstein

2. IKK-Landesverband Nord

 

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 27. Februar 1996 wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat dem Beklagten auch dessen Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten. Im übrigen sind Kosten nicht zu erstatten.

 

Gründe

I

Der Kläger ist Arzt für innere Medizin mit dem Schwerpunkt Endokrinologie. Vor seiner Niederlassung war er Leiter der Abteilung Klinische Endokrinologie am Institut für biochemische Endokrinologie der Universität Lübeck. Jenes Institut war zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung ermächtigt.

Der Kläger beantragte wegen eines Sonderbedarfs in dem ansonsten für Internisten wegen Überversorgung gesperrten Planungsbereich Lübeck die Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung. Der Zulassungsausschuß für Ärzte in Schleswig-Holstein erteilte dem Kläger mit Wirkung ab 1. April 1995 die Zulassung als Arzt für Innere Medizin, Schwerpunkt Endokrinologie, für Lübeck im Rahmen einer Sonderbedarfsfeststellung zwecks endokrinologischer Diagnostik und beschränkte die Zulassung insoweit für eine Übergangszeit von fünf Jahren auf Überweisungen durch Ärzte für Laboratoriumsmedizin und Ärzte für innere Medizin mit dem Schwerpunkt Endokrinologie sowie durch Ärzte für Gynäkologie, Urologie, Dermatologie, Pädiatrie und Humangenetik. Zur Durchführung von TSH-Screening und Rezeptoranalysen im Gewebe wurde die Zulassung auf Überweisung durch alle Vertragsärzte eröffnet. Zur Begründung wies der Zulassungsausschuß darauf hin, daß der Planungsbereich Lübeck für Internisten zwar gesperrt sei, allerdings im Umfang der bisherigen Ermächtigung des Instituts für biochemische Endokrinologie der Universität Lübeck ein qualitativer Bedarf gegeben sei. Den weiteren Antrag des Klägers auf Genehmigung der Beschäftigung eines angestellten Arztes lehnte er ab (Bescheid vom 9. August 1994). Mit seinem Widerspruch wandte sich der Kläger, soweit hier noch von Bedeutung, gegen die Einschränkung der Abrechenbarkeit von Leistungen auf Überweisungsfälle bzw auf Überweisung nur durch bestimmte Fachärzte. Der beklagte Berufungsausschuß wies den Widerspruch zurück (Bescheid vom 14. Dezember 1994). Er hielt zwar die Beschränkung eines niedergelassenen Arztes auf eine Überweisungspraxis für bedenklich. Da er aber zugleich, insoweit abweichend vom Zulassungsausschuß, das Bestehen eines Sonderbedarfs verneinte, sah er sich wegen des sogenannten Verböserungsverbotes nicht in der Lage, den angefochtenen Beschluß aufzuheben oder zu ändern.

Klage und Berufung des Klägers, mit denen er sich gegen das Überweisungserfordernis gewandt hatte, sind ohne Erfolg geblieben (Urteile des Sozialgerichts ≪SG≫ Kiel vom 29. März 1995 und des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts ≪LSG≫ vom 27. Februar 1996). Zur Begründung hat das LSG im wesentlichen ausgeführt, ein örtlicher Sonderbedarf für die Niederlassung eines zusätzlichen Endokrinologen in Lübeck sei nicht zu erkennen, wobei die zum 1. Juli 1995 im Wege der Praxisnachfolge erfolgte Zulassung eines weiteren endokrinologisch tätigen Internisten außer Betracht bleibe. Aus dem Beschluß des Zulassungsausschusses könne der Kläger keine Rechte auf eine weitergehende Zulassung herleiten. Eine nur teilweise Aufhebung jenes Beschlusses, soweit nämlich die Zulassung auf Überweisungsfälle beschränkt worden sei, sei nicht möglich, weil die Zulassung nur mit dieser Einschränkung habe erteilt werden sollen und deshalb ein unabdingbarer Zusammenhang zwischen beiden Regelungen bestehe.

Mit der vom LSG zugelassenen Revision macht der Kläger geltend, sowohl der Beklagte als auch die Gerichte seien an die Einschätzung des Zulassungsausschusses über das Vorliegen eines Sonderbedarfs gebunden, wenn nur er – der Kläger – als durch diese Feststellung Begünstigter die Zulassungsentscheidung anfechte. Den Zulassungsgremien komme bei der Beurteilung, ob eine Versorgungslücke bestehe, ein Beurteilungsspielraum zu, so daß die Sozialgerichte nicht ihre eigene abweichende Beurteilung an die Stelle von deren Einschätzung setzen dürften. Darüber hinaus berührten die vorgenommenen Einschränkungen seinen Zulassungsstatus. Eine verfassungskonforme Auslegung der gesetzlichen und vertraglichen Regelungen müsse deshalb berücksichtigen, daß derartige Beschränkungen nur durch besonders gewichtige Allgemeininteressen gerechtfertigt werden könnten. Solche könnten sich zwar – wie etwa bei Laborärzten, Pathologen oder Radiologen – aus der Natur einer fachärztlichen Tätigkeit als einer die Behandlung unterstützende Tätigkeit ergeben. Dies sei jedoch bei den Endokrinologen gerade nicht der Fall. Das belege bereits die fehlende Erwähnung des Teilgebiets in § 12 Abs 4 des Bundesmantelvertrags-Ärzte in der ab 1. Oktober 1990 geltenden Fassung (BMV-Ä 90). Wenn deshalb die Beschränkung der Zulassung eines Endokrinologen auf Überweisung oder zur Erbringung bestimmter Leistungen nicht zulässig sei, könne sie auch nicht damit begründet werden, daß ein Sonderbedarf nur in diesem Umfang bestehe. Zudem sei eine endokrinologische Praxis mit einem derart beschränkten Leistungsspektrum auf Dauer wirtschaftlich nicht überlebensfähig. Schließlich habe das LSG den Sachverhalt hinsichtlich der Versorgungssituation im Bereich der Endokrinologie nicht ausreichend aufgeklärt.

Der Kläger beantragt,

die Urteile des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 27. Februar 1996 und des Sozialgerichts Kiel vom 29. März 1995 sowie den Bescheid des Beklagten vom 14. Dezember 1994 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, ihm, dem Kläger, eine vertragsärztliche Zulassung ohne Beschränkung auf diagnostische Leistungen und auf Überweisungsfälle zu erteilen.

Der Beklagte und die Beigeladene zu 5. beantragen,

die Revision zurückzuweisen.

Die übrigen Beteiligten stellen keine Anträge.

II

Die Revision des Klägers ist nicht begründet.

Soweit mit der Revision auch die Beschränkung der Zulassung auf diagnostische Tätigkeiten angegriffen wird, folgt dies schon daraus, daß der Bescheid des beklagten Berufungsausschusses vom 14. Dezember 1994 in diesem Punkt bindend geworden ist (§ 77 Sozialgerichtsgesetz ≪SGG≫). Nach dem Antrag in der Klageschrift vom 11. Januar 1995 wurde der Bescheid des Beklagten nur hinsichtlich der Überweisungsregelung angegriffen. Es erfolgte mithin eine zulässige Teilanfechtung, die nach Ablauf der Klagefrist nicht einseitig rückgängig gemacht werden kann.

Die Revision hat ebenfalls keinen Erfolg, soweit mit der Verpflichtungsklage die Erteilung einer Zulassung ohne Beschränkung auf Überweisungsfälle erstrebt wird. Das LSG hat im Ergebnis zu Recht entschieden, daß der Kläger aufgrund des vom Beklagten ohne Überschreitung seines Beurteilungsspielraums festgestellten fehlenden besonderen Versorgungsbedarfs für Endokrinologen im Planungsbereich Lübeck keinen Anspruch darauf hat, dort trotz der bestehenden Zulassungssperre für Internisten ausnahmsweise zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen zu werden. Das hat zur Folge, daß er auch nicht die Beseitigung einer inhaltlichen Begrenzung der dennoch erteilten Zulassung beanspruchen kann.

Die Rechtsgrundlage für die Befugnis des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen, Regelungen für sogenannte Sonderbedarfszulassungen trotz Anordnung von Zulassungssperren für die betreffende Arztgruppe zu erlassen, findet sich in § 101 Satz 1 Nr 3 SGB V idF des Gesundheitsstrukturgesetzes (GSG) vom 21. Dezember 1992 (BGBl I 2266). Um auch im Einzelfall sicherzustellen, daß angeordnete Zulassungssperren nicht unverhältnismäßig – weil in der konkreten örtlichen Situation zur Erreichung ihres Zieles nicht erforderlich – die Berufsausübung beschränken, hat der Gesetzgeber in arztgruppenspezifisch überversorgten Gebieten abweichend von § 103 Abs 1 SGB V die Besetzung zusätzlicher Vertragsarztsitze zur Gewährleistung einer qualitativ hochwertigen ambulanten Versorgung (§ 72 Abs 2 SGB V) zugelassen. Zugleich wurde den Bundesausschüssen der Ärzte bzw Zahnärzte und Krankenkassen die Aufgabe übertragen, in Richtlinien nähere Vorgaben für diese ausnahmsweisen Zulassungen zu normieren. Gegen die Übertragung der Befugnis zur Normkonkretisierung auf ein Gremium der gemeinsamen Selbstverwaltung von Ärzten/Zahnärzten und Krankenkassen bestehen keine durchgreifenden rechtlichen Bedenken (vgl BSGE 78, 70, 74 ff = SozR 3-2500 § 92 Nr 6), zumal der Gesetzgeber den Inhalt (Besetzung zusätzlicher Vertragsarztsitze), den Zweck (Wahrung der Qualität der vertragsärztlichen Versorgung) und das Ausmaß (soweit unerläßlich) der Regelung präzise vorgegeben und damit die wesentlichen Fragen selbst entschieden hat.

Für den vertragsärztlichen Bereich hat der Bundesausschuß der Ärzte und Krankenkassen von diesem Normsetzungsauftrag mit den Nrn 24 bis 26 der Richtlinien über die Bedarfsplanung sowie die Maßstäbe zur Feststellung von Überversorgung und Unterversorgung in der vertragsärztlichen Versorgung – Bedarfsplanungs-Richtlinien-Ärzte – (BP-RL-Ä) vom 9. März 1993 (BAnz Beil Nr 110a) Gebrauch gemacht. Er hat dabei in Nr 24 S 1 Buchst a bis e BP-RL-Ä fünf Fallgruppen mit speziellen Sachverhalten beschrieben, bei deren Vorliegen die Besetzung zusätzlicher Vertragsarztsitze zur Wahrung der Qualität der Versorgung unerläßlich ist. Dies sind neben dem Sonderfall eines lokalen Versorgungsbedarfs in Teilen eines Planungsbereichs aufgrund unzureichender Verteilung der quantitativ ausreichend vorhandenen Vertragsarztsitze (Nr 24 S 1 Buchst a BP-RL-Ä) insbesondere vier Fallgestaltungen eines qualitativen Defizits an bestimmten ärztlichen Leistungen, welche entweder konkret benannt (spezialistische Versorgung in Schwerpunkt-Gemeinschaftspaxen insbesondere der Kardiologie und Onkologie, ambulante Operationen, Psychotherapie) oder aber mit Hilfe einer Bezugnahme auf die Inhalte bestimmter Subspezialisierungsmöglichen des ärztlichen Weiterbildungsrechts (Schwerpunkt, fakultative Weiterbildung oder besondere Fachkunde gemäß § 1 Abs 2 Nrn 2 bis 4 iVm § 2 Abs 1 und § 3 der Muster-Weiterbildungsordnung des 95. Deutschen Ärztetages 1992 ≪DÄBl 89 (1992), C-2192≫) bezeichnet wurden (Nr 24 S 1 Buchst b bis e BP-RL-Ä). Zusätzlich ist in Nr 25 BP-RL-Ä festgelegt, daß ausnahmsweise Zulassungen zur Behebung eines qualitativen Versorgungsdefizits nach Nr 24 S 1 Buchst b bis d BP-RL-Ä mit der Maßgabe erfolgen dürfen, daß für den zugelassenen Vertragsarzt nur die ärztlichen Leistungen, welche im Zusammenhang mit dem Ausnahmetatbestand stehen, für eine Übergangszeit von fünf Jahren abrechnungsfähig sind.

Der Zulassungsausschuß hat die hier streitgegenständliche Inhaltsbeschränkung der Zulassung des Klägers auf Überweisungsfälle auf die Regelung der Nr 25 der BP-RL-Ä gestützt. Ob jene Bestimmung, die nach ihrem Wortlaut nur eine Einschränkung der Abrechnungsfähigkeit der ärztlichen Leistungen ermöglicht, auch eine Beschränkung der Behandlungs- und Verordnungskompetenz des betreffenden Vertragsarztes durch Begrenzung der Inanspruchnahme auf Überweisungsfälle (vgl § 31 Abs 7 S 1 bzw S 2 der Zulassungsverordnung für Vertragsärzte ≪Ärzte-ZV≫ bzw § 13 Abs 4 des Bundesmantelvertrags-Ärzte ≪BMV-Ä 95≫) gestattet und ob gegebenenfalls eine solche Regelung mit höherrangigem Recht vereinbar wäre (wohl verneinend Hencke in Peters, Handbuch der Krankenversicherung, § 103 SGB V RdNr 6; bejahend Schirmer in Hauck/Haines, SGB V, § 103 RdNr 19), kann hier dahinstehen. Denn selbst wenn die Beschränkung einer Sonderbedarfszulassung auf Überweisungsfälle rechtlich nicht zulässig wäre, hat der Kläger keinen Anspruch auf Erteilung einer durch diese Beschränkung nicht begrenzten Zulassung, weil der Beklagte in nicht zu beanstandender Weise das Bestehen einer qualitativen Versorgungslücke für endokrinologische Leistungen in Lübeck verneint und der Kläger infolgedessen überhaupt keinen Zulassungsanspruch hat. Die Ausweitung einer bereits dem Grunde nach rechtswidrig erteilten, möglicherweise aber zugleich in rechtswidriger Weise ausgestalteten Begünstigung kann der Kläger nicht beanspruchen.

Bei der Beantwortung der Frage, ob ein „besonderer Versorgungsbedarf” iS von § 101 S 1 Nr 3 SGB V iVm Nr 24 S 1 Buchst b BP-RL-Ä vorliegt, der die Besetzung eines zusätzlichen Vertragsarztsitzes zur Wahrung der Qualität der vertragsärztlichen Versorgung in dem betroffenen Versorgungsbereich unerläßlich macht, steht den Zulassungsgremien ein gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbarer Beurteilungsspielraum zu. Ob nämlich im ambulanten Bereich ein Versorgungsdefizit besteht, hängt von einer Vielzahl von Faktoren ab (zB Anzahl und Leistungsangebot der niedergelassenen und ermächtigten Ärzte, Bevölkerungs- und Morbiditätsstruktur, Umfang und räumliche Verteilung der Nachfrage aufgrund der vorhandenen Verkehrsverbindungen), die für sich und in ihrer Abhängigkeit untereinander weitgehend unbestimmt sind. Die ortsnahen fachkundigen Zulassungsinstanzen können daher nur ungefähr entscheiden, ob und inwieweit die bereits niedergelassenen und ermächtigten Ärzte eine qualitativ ausreichende Versorgung gewährleisten. Das rechtfertigt es, diesen Gremien insoweit – ebenfalls wie bei den strukturell identischen Fragen bei der Erteilung von Ermächtigungen bzw von Genehmigungen für Zweigpraxen (vgl zuletzt Senatsurteil vom 20. Dezember 1995, BSGE 77, 188, 191 f = SozR 3-2500 § 75 Nr 7) – einen Beurteilungsspielraum zuzugestehen und deren Entscheidung hinzunehmen, solange sie sich im Rahmen der Beurteilungsermächtigung hält. Die gerichtliche Kontrolle beschränkt sich deshalb darauf, ob der Verwaltungsentscheidung ein richtig und vollständig ermittelter Sachverhalt zugrundeliegt, ob die durch Auslegung des Begriffs „besonderer Versorgungsbedarf” zu ermittelnden Grenzen eingehalten und ob die Subsumtionserwägungen so hinreichend in der Begründung der Entscheidung verdeutlicht wurden, daß im Rahmen des Möglichen die zutreffende Anwendung der Beurteilungsmaßstäbe erkennbar und nachvollziehbar ist (vgl BSG aaO).

Entgegen der Auffassung der Revision war dem Beklagten die eigenverantwortliche Entscheidung über das Vorliegen eines besonderen Versorgungsbedarfs in selbständiger Ausfüllung des Beurteilungsspielraums – also ohne Bindung an die Auffassung des Zulassungsausschusses – nicht dadurch untersagt, daß nur der Kläger Widerspruch erhoben und die für ihn insoweit positive Feststellung des Zulassungsausschusses nicht angriffen hatte. Die vom Kläger geltend gemachte Bindungswirkung des zu seinen Gunsten ergangenen Bescheides des Zulassungsausschusses erstreckt sich nämlich – unbeschadet der Durchbrechungsmöglichkeit aufgrund von § 95 Abs 6 SGB V (vgl BSG SozR 3-1500 § 85 Nr 1) – nur auf den Entscheidungssatz jenes Bescheides (Zulassung zur Überweisungspraxis), nicht aber auf einzelne ihn bedingende Tatbestandsmerkmale (vgl Meyer-Ladewig, SGG, 5. Aufl 1993, § 77 RdNr 5b; Schlegel in Hennig, SGG, Stand September 1996, § 77 RdNr 24 f). Der Beklagte war deshalb nicht nur berechtigt, sondern aufgrund der durch seine Anrufung begründeten sachlichen Zuständigkeit, als zweite Verwaltungsinstanz das Verpflichtungsbegehren des Klägers auf eine weitergehende Zulassung in tatsächlicher wie in rechtlicher Beziehung vollinhaltlich und umfassend zu prüfen (vgl BSG SozR 3-2500 § 96 Nr 1 S 4), auch verpflichtet, die Frage des Versorgungsbedarfs eigenständig zu beurteilen.

Die Einschätzung des Beklagten, im Planungsbereich Lübeck sei ein besonderer qualitativer Versorgungsbedarf für endokrinologische Leistungen nicht gegeben, ist vertretbar und überschreitet nicht den Rahmen der gesetzlichen Beurteilungsermächtigung. Insbesondere hat der Beklagte ausreichend beachtet, daß ein in einem Planungsbereich bestehendes qualitatives Versorgungsdefizit nur dann die ausnahmsweise Besetzung eines zusätzlichen – prinzipiell hauptamtlich in ausreichendem zeitlichen Umfang zu betreuenden (vgl § 20 Ärzte-ZV) – Vertragsarztsitzes rechtfertigen kann, wenn diese Maßnahmen zur Wahrung der Qualität der vertragsärztlichen Versorgung in einem kompletten Versorgungsbereich unerläßlich ist (§ 101 S 1 Nr 3 SGB V). Daraus folgt, daß eine Versorgungslücke in der gesamten Breite eines Versorgungsbereichs – etwa des Schwerpunkts Endokrinologie – bestehen muß. Werden lediglich einzelne spezielle Leistungen, die eine Vertragsarztpraxis in freier Niederlassung nicht sinnvoll auszufüllen vermögen, von den im Planungsbereich bereits niedergelassenen Vertragsärzten nicht erbracht, so kommt anstelle einer Sonderbedarfszulassung ggf die Erteilung einer Ermächtigung in Frage. Da die Ermächtigungsnorm des § 101 S 1 Nr 3 SGB V die ausnahmsweise Besetzung von Vertragsarztsitzen trotz bestehender Zulassungsbeschränkungen eröffnen will, hat zur Wahrung der Vorrangstellung der in freier Praxis niedergelassenen Vertragsärzte die Möglichkeit einer Sicherstellung der Leistungserbringung in Krankenhäusern (Nr 24 S 1 Buchst b S 3 BP-RL-Ä bzw § 116 SGB V) aber dann außer Betracht zu bleiben, wenn der von den bereits zugelassenen Vertragsärzten nicht abgedeckte Versorgungsbedarf zumindest den Umfang einer wirtschaftlich tragfähigen Vertragsarztpraxis erreicht.

Auf dieser Grundlage ist es nicht zu beanstanden, daß sich der Beklagte zur Ermittlung der Bedarfssituation auf die Befragung der bereits niedergelassenen Endokrinologen im südlichen Teil des Landes Schleswig-Holstein beschränkt hat. Daß die dergestalt erfolgte räumliche Abgrenzung des untersuchten Bereichs, die dem Beklagten bei der Feststellung von Versorgungssituationen im Bereich von Subspezialisierungen einzelner Fachgebiete analog zur Regelung in § 12 Abs 3 S 2 Ärzte-ZV erlaubt ist, sachwidrig wäre, hat auch der Kläger nicht geltend gemacht. Er meint allerdings, der Beklagte hätte auch die bisherige Leistungserbringung außerhalb seines Zuständigkeitsbereichs – nämlich in Hamburg – berücksichtigen müssen. Dem kann nicht gefolgt werden. Denn selbst wenn unterstellt wird, daß ein bedeutsamer Anteil endokrinologischer Leistungen für Patienten aus dem südlichen Schleswig-Holstein in Hamburg erbracht wird, belegen die vom Beklagten festgestellten noch offenen Behandlungskapazitäten bei den in Lübeck niedergelassenen Endokrinologen, daß gleichwohl ein besonderer Versorgungsbedarf zumindest an einem Vertragsarztsitz in Lübeck, für den der Kläger die Zulassung beantragt hat, nicht besteht. Eine rechtserheblich unvollständige Ermittlung des entscheidungserheblichen Sachverhalts durch den Beklagten – und nur darauf kommt es bei der gerichtlichen Kontrolle der Grenzen des Beurteilungsspielraums an, während behauptete Ermittlungsdefizite des LSG unerheblich sind – kann daher nach den Umständen des hier zu entscheidenden Einzelfalles nicht festgestellt werden. Darüber hinaus hat der Beklagte bei der Würdigung des Sachverhalts auch keine Denkgesetze verletzt. Die Schlußfolgerung, daß ein besonderer, bisher nicht gedeckter Versorgungsbedarf für endokrinologische Leistungen nicht bestehe, hat er nicht aus der vom Kläger behaupteten geringen endokrinologischen Tätigkeit der beiden niedergelassenen Endokrinologen gezogen, sondern aus deren Angaben, „daß ihre Praxen endokrinologisch nicht voll ausgelastet sind”. Dies ist nicht zu beanstanden. Im übrigen hat sich der Beklagte auf die vom Kläger als untauglich kritisierte Stellungnahme einer Lübecker Laborarztpraxis nicht bezogen; auf die Äußerung des LSG kommt es auch insoweit für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Bescheides des Beklagten nicht an.

Der Beklagte hat somit zu Recht das Bestehen eines besonderen Versorgungsbedarfs für endokrinologische Leistungen jedenfalls in Lübeck verneint.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

AusR 1998, 27

SozSi 1998, 158

SozSi 1998, 395

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