Verfahrensgang

Bayerisches LSG (Urteil vom 22.09.1993)

 

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 22. September 1993 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

 

Tatbestand

I

Der Kläger macht den Nachteilsausgleich „RF” geltend. Außerdem begehrt er, als Schwerbehinderter rückwirkend bereits ab 1973 anerkannt zu werden. Die Versorgungsverwaltung lehnte mit getrennten Bescheiden beides ab. Der Kläger hat wegen der rückwirkenden Anerkennung seiner Schwerbehinderteneigenschaft Klage erhoben, über die bisher noch nicht entschieden worden ist.

Gegen die „RF” ablehnenden Bescheide hat der Kläger sich mit einem Schreiben vom 22. Oktober 1989 an die Versorgungsverwaltung gewendet. Diese hat das Schreiben als Klage gewertet und an das Sozialgericht (SG) München weitergeleitet. Darüber hat das SG die Bevollmächtigte des Klägers unterrichtet. Diese hat daraufhin eine parallel von ihr erhobene Klage auf „RF” zurückgenommen.

Das SG hat die Klage auf „RF” abgewiesen. Das Landessozialgericht (LSG) hat dieses Urteil aufgehoben und die Sache an das SG zurückverwiesen. Über „RF” habe das SG nicht mehr entscheiden können, weil diese Sache nicht mehr rechtshängig gewesen sei. Die Bevollmächtigte des Klägers habe die von ihr erhobene Klage zurückgenommen. Das Schreiben des Klägers vom 22. Oktober 1989 sei keine Klage. Gegenstand des Rechtsstreits sei mithin allein das Begehren des Klägers auf rückwirkende Anerkennung seiner Schwerbehinderteneigenschaft. Darüber habe das SG keine Entscheidung getroffen. Dies habe es nachzuholen.

Mit seiner – vom Bundessozialgericht (BSG) zugelassenen – Revision rügt der Kläger eine Verletzung des § 123 Sozialgerichtsgesetz (SGG), außerdem eine Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 22. September 1993 aufzuheben und das Urteil des Sozialgerichts München vom 18. Juli 1991 dahin abzuändern, daß der Beklagte verurteilt wird, die gesundheitlichen Voraussetzungen für die Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht unter Aufhebung des Bescheides vom 21. Juli 1989 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. Oktober 1989 festzustellen;

hilfsweise,

den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückzuverweisen.

Der Beklagte hält es für zweckmäßig, dem Hilfsantrag des Klägers entsprechend, die Sache zurückzuverweisen. Einen eigenen Antrag stellt er nicht.

Die Beteiligten sind mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden.

 

Entscheidungsgründe

II

Die Revision ist im Sinne des Hilfsantrages begründet. Das LSG hat § 123 SGG verletzt, weil es den Streitgegenstand verkannt hat. Der Rechtsstreit ist deshalb an das LSG zurückzuverweisen.

Gegenstand des Berufungsverfahrens war der Anspruch des Klägers auf Erteilung des Nachteilsausgleiches „RF”. Darüber hat das LSG nicht entschieden, indem es das Urteil des SG insoweit ersatzlos aufgehoben hat. Eine auf „RF” gerichtete Klage war entgegen der Meinung des LSG anhängig. Das LSG durfte aus dem Schreiben der Bevollmächtigten des Klägers vom 31. Mai 1990 nur entnehmen, daß die Klage vom 2. November 1989 zurückgenommen werde und die durch den Kläger selbst erhobene Klage vom 22. Oktober 1989 aufrechterhalten blieb. Das ist in dem Schreiben vom 31. Mai 1990 hinreichend deutlich zum Ausdruck gebracht worden. Auch die aufrechterhaltene Klage ist auf „RF” gerichtet.

Entgegen der Auffassung des LSG handelt es sich bei dem Schreiben des Klägers vom 22. Oktober 1989 um eine Klage. Das ergibt die Auslegung dieses Schreibens, zu der auch das Revisionsgericht berufen ist, ohne dabei an die durch das Tatsachengericht vorgenommene Auslegung gebunden zu sein (vgl BSG SozR 3-1500 § 145 Nr 2; BGHZ 4, 328, 334 mwN). Es reicht aus, daß der Kläger sich darin unzufrieden mit der Verwaltungsentscheidung zeigt und ihre gerichtliche Überprüfung anstrebt. Daß der Weg zu dieser Überprüfung – auch – über die Verwaltung führt, konnte der Kläger nach seinen Erfahrungen vom Sommer 1989 annehmen, als die Versorgungsverwaltung bereits einmal ein an sie gerichtetes Schreiben des Klägers als Klage – auf rückwirkende Anerkennung der Schwerbehinderteneigenschaft – an das zuständige SG weitergeleitet hatte.

Das LSG wird jetzt in der Sache über „RF” zu entscheiden haben. Es entscheidet auch über die Kosten des Revisionsverfahrens.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1175032

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