Verfahrensgang

SG Freiburg i. Br. (Gerichtsbescheid vom 07.02.1996)

 

Tenor

Die Revision des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 7. Februar 1996 wird zurückgewiesen.

Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

I

Streitig ist die Rechtmäßigkeit eines Honorarbescheides.

Der Kläger ist als Vertragszahnarzt in S. … zugelassen. Er rechnete im Jahre 1993 für die Behandlung von Patienten der gesetzlichen Krankenkassen zahnärztliche Leistungen in Höhe von 527.758 Punkten (= 757.666,38 DM; davon Kassenanteil: 638.399,69 DM.) ab.

Die beklagte Kassenzahnärztliche Vereinigung (KZÄV) kürzte die Honoraranforderung, soweit sie die degressionsfreie Gesamtpunktmenge von 350.000 Punkten überschritt, entsprechend der Degressionsregelung des § 85 Abs 4b SGB V um zuletzt 52.410,75 DM (vorläufiger Bescheid vom 21. Juni 1994, Widerspruchsbescheid vom 19. Juli 1994; Zweitbescheid vom 29. August 1994).

Das hiergegen angerufene Sozialgericht (SG) Freiburg hat die Klage gegen den Bescheid vom 29. August 1994 durch Gerichtsbescheid vom 7. Februar 1996 abgewiesen und in der Begründung weitgehend auf das Urteil des Landessozialgerichts (LSG) Baden-Württemberg vom 20. Dezember 1995 – L 5 Ka 2099/94 – Bezug genommen. Danach verstößt die Degressionsregelung des § 85 Abs 4b SGB V nicht gegen Art 3 Abs 1 des Grundgesetzes (GG), weil zwischen der Gruppe der Zahnärzte und den anderen Ärzten von vornherein wesentliche Unterschiede bestehen. So habe es im gesamten zahnärztlichen Bereich eine dem Gebot des § 85 Abs 4 Satz 4 SGB V entsprechende Abstaffelungsregelung nicht gegeben, so daß es sachlich vertretbar gewesen sei, deren Fehlen durch die Schaffung von Degressionsregelungen aufzufangen. Diese wirkten zugleich der Gefahr der Überbeschäftigung einzelner Zahnärzte entgegen. Bei den großzügigen Punktmengengrenzen des § 85 Abs 4b SGB V sei die Berechtigung des Gesetzgebers, der Gefahr der Überbeschäftigung entgegenzuwirken, nicht fraglich. Zudem diene die Degressionsregelung der Kostendämpfung und der Einkommensregulierung. Diese vernünftigen Erwägungen des Gemeinwohls rechtfertigten zugleich den Eingriff in die berufliche Betätigungsfreiheit der Zahnärzte (Art 12 GG). Auch das Ausmaß der Degression bewirke – weder isoliert betrachtet noch in Kumulation mit der Punktwertabsenkung nach § 85 Abs 2b SGB V – nicht eine unverhältnismäßige Beeinträchtigung, weil die Punktmengengrenzen in § 85 Abs 4b SGB V großzügig angesetzt seien. Schließlich genüge die gesetzliche Regelung noch in hinreichender Weise den Anforderungen des Rechtsstaatsprinzips. Es seien weder das Gebot der Bestimmtheit und Normenklarheit verletzt noch die Erfordernisse des Vertrauensschutzes mißachtet. Eine besondere Übergangsregelung für die am 29. Dezember 1992 verkündete und bereits drei Tage später in Kraft getretene Punktwertdegression sei nicht erforderlich gewesen, weil diese wegen der sehr hohen Punktmengengrenzen erst sehr viel später im Verlauf des Jahres Wirkung entfalten konnte, so daß für die Betroffenen noch genügend Zeit verblieben sei, sich auf den Minderverdienst einzustellen.

Mit der vom SG zugelassenen Sprungrevision rügt der Kläger eine Verletzung materiellen Rechts. Der Gesetzgeber habe zunächst seine Kompetenz dadurch überschritten, daß er in einem Einzelfall in die dem Bewertungsausschuß und den Spitzenverbänden der Krankenkassen zustehenden Befugnisse eingegriffen habe. Wegen des massiven Eingriffs der Maßnahme in verfassungsmäßige Rechte der Betroffenen aus Art 3, 12 und 14 GG habe darüber hinaus ein entsprechender Eingriff nicht den Bewertungsausschüssen und den Spitzenverbänden übertragen werden können. Ein Verstoß gegen Art 3 GG liege darin, daß der Zahnarzt, der in größerem Umfang anstelle von Kassenpatienten Privatpatienten behandele, von der Degressionsregelung nicht erfaßt werde, während der Zahnarzt, der im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung tätig sei, einen Teil des von ihm erzielten Einkommens gestrichen bekomme. Darüber hinaus könne aus einer Überschreitung der vorgegebenen Punktmengengrenze kein Rückschluß auf eine Überbeschäftigung des Zahnarztes gezogen werden. Ein Verstoß gegen Art 12 GG sei darin zu sehen, daß mit der getroffenen Maßnahme die angestrebten Ziele der Vermeidung von Überbeschäftigung und der Erzielung von Kostendämpfung nicht erreicht werden könnten. Auch das Ausmaß der Degressionsregelung stelle sich als unverhältnismäßig dar. Schließlich verstoße die angegriffene Regelung gegen Art 14 GG sowie gegen das Gebot der Bestimmtheit und Normenklarheit.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 7. Februar 1996 sowie den Bescheid der Beklagten vom 29. August 1994 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

das Verfahren gem Art 100 GG auszusetzen und dem Bundesverfassungsgericht die Frage zur Entscheidung vorzulegen, ob die Regelung des § 85 Abs 4b bis f SGB V verfassungsgemäß ist,

hilfsweise, die Revision des Klägers zurückzuweisen.

Sie vertritt zwar ebenfalls die Ansicht, daß die Degressionsregelung des § 85 Abs 4b bis 4f SGB V verfassungswidrig sei, sieht sich aber gehalten, unter Beachtung des Grundsatzes der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung die gesetzlichen Bestimmungen umzusetzen.

Die Beigeladene zu 1) beantragt,

die Revision des Klägers zurückzuweisen.

Die Beigeladenen zu 2) bis 6) stellen keine Anträge.

 

Entscheidungsgründe

II

Die Revision des Klägers ist nicht begründet.

Die zulässige kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs 1 und 4 SGG) gegen den Bescheid der Beklagten vom 29. August 1994 hat keinen Erfolg, weil die in ihm verfügte Minderung des nach den erbrachten Einzelleistungen berechneten Honoraranspruchs des Klägers für das Jahr 1993 bezüglich des Kassenanteils in Höhe von 636.399,69 DM um den Betrag von 52.410,70 DM rechtmäßig ist. Sie hat ihre Rechtsgrundlage in § 85 Abs 4b Sätze 1 und 10 bis 13 SGB V idF des GSG vom 21. Dezember 1992 (BGBl I 2266). Nach der Vorschrift des § 85 Abs 4b Satz 1 SGB V, die nunmehr durch das 2. GKV-Neuordnungsgesetz mit Wirkung vom 1. Juli 1997 aufgehoben werden soll (vgl Beschlußempfehlung und Bericht des BT-Ausschusses für Gesundheit vom 19. März 1997, BT-Drucks 13/7264, Art 1 Nr 23e), verringern sich ab einer Gesamtpunktmenge je Vertragszahnarzt aus vertragszahnärztlicher Behandlung einschließlich der Versorgung mit Zahnersatz und Zahnkronen sowie kieferorthopädischer Behandlung von 350.000 Punkten je Kalenderjahr der Vergütungsanspruch für die weiteren vertragszahnärztlichen Behandlungen iS des § 73 Abs 2 Nr 2 SGB V um 20 vH, ab einer Punktmenge von 450.000 je Kalenderjahr um 30 vH und ab einer Punktmenge von 550.000 je Kalenderjahr um 40 vH.

Die genannte Regelung ist bereits auf den Honoraranspruch für das Jahr 1993 anzuwenden. Das ergibt sich zum einen aus der Anordnung zum Inkrafttreten dieser Bestimmung zum 1. Januar 1993 (Art 35 Abs 1 GSG) sowie zum anderen im Umkehrschluß aus der Sonderregelung für das Beitrittsgebiet in § 85 Abs 4b Sätze 3 und 4 SGB V. Danach ist die erste Degressionsstufe aufgrund des im Beitrittsgebiet bestehenden Nachholbedarfs für das Jahr 1993 bis zu einem Volumen von 25 Millionen DM ausgesetzt worden (vgl hierzu Bericht des BT-Ausschusses für Gesundheit, BT-Drucks 12/3937, S 6, zu Art 1 Nr 41). Nach dem Willen des Gesetzgebers sollte die Degressionsregelung im übrigen ab dem Jahre 1993 zur Anwendung kommen, um den als Sofortmaßnahme zur Kostendämpfung für 1993 einkalkulierten Einsparbetrag von 300 Millionen DM realisieren zu können (vgl Begründung zum Entwurf eines GSG, BT-Drucks 12/3608, S 159 f). Gegen die Anwendung der Degressionsregelung für das Jahr 1993 wird geltend gemacht, aus der Bezugnahme in der Durchführungsregelung des § 85 Abs 4e Satz 1 SGB V auf die „vertraglich vereinbarten Punktwerte” ergebe sich, daß die Punktwertdegression nicht im Jahre 1993 habe gelten können, weil es in diesem Jahr für den Bereich Zahnersatz und Kieferorthopädie keine vertraglich vereinbarten Punktwerte gegeben habe. Dem kann nicht gefolgt werden. Denn die Ergänzung des § 85 Abs 4e Satz 1 SGB V durch Satz 2 aaO, daß nämlich § 85 Abs 2b SGB V mit der gesetzlichen Absenkung der vertraglich vereinbarten Punktwerte für Zahnersatz und Kieferorthopädie um 10 vH für die Dauer eines Jahres in diesem Zusammenhang zu beachten sei, stellt hinreichend deutlich klar, daß sich die Punktwertdegression des § 85 Abs 4b Satz 1 SGB V sowohl auf die gesamtvertraglich vereinbarten als auch auf die ausnahmsweise im Jahr 1993 gesetzlich limitierten Punktwerte für die Bereiche Zahnersatz und Kieferorthopädie bezieht.

Die Vorschrift über die Punktwertdegression in § 85 Abs 4b SGB V steht im Einklang mit dem GG. Sie erweist sich als verfassungskonforme Regelung der Berufsausübung der Vertragszahnärzte iS von Art 12 Abs 1 Satz 2 GG und verletzt auch nicht das Gleichbehandlungsgebot des Art 3 Abs 1 GG oder das Rechtsstaatsprinzip (Art 20 Abs 3, Art 28 Abs 1 GG).

Gesetzliche Vergütungsregelungen können den Schutzbereich der Berufsausübungsfreiheit berühren. Sie sind daher in erster Linie an dem Freiheitsgrundrecht des Art 12 Abs 1 GG zu messen (vgl BVerfGE 70, 1, 28; 88, 145, 159), während der Aspekt der Gleichbehandlung erst dann Bedeutung gewinnt, wenn die Regelung als solche im Licht der Berufsfreiheit unbedenklich ist. Solche Berufsausübungsregelungen dürfen vom Gesetzgeber getroffen werden, wenn sie durch ausreichende Gründe des Gemeinwohls gerechtfertigt werden und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entsprechen, wenn also das gewählte Mittel zur Erreichung des verfolgten Zwecks geeignet und auch erforderlich ist und bei einer Gesamtabwägung zwischen der Schwere des Eingriffs und dem Gewicht der ihn rechtfertigenden Gründe die Grenze der Zumutbarkeit noch gewahrt ist (BVerfGE 94, 372, 390; vgl auch BVerfGE 68, 193, 218; 70, 1, 28). Diesen Anforderungen wird die gesetzliche Punktwertdegression gerecht. Sie soll, wie sich im einzelnen aus den Gründen für ihre Einführung erschließt, vorrangig der Sicherung der finanziellen Stabilität der gesetzlichen Krankenversicherung und damit einem Gemeinwohlbelang von anerkannt hoher Bedeutung dienen, welches Berufsausübungsregelungen zu rechtfertigen vermag (vgl BVerfGE 68, 193, 218; 70, 1, 26, 29). Aber auch das weitere im Gesetzgebungsverfahren angeführte Ziel, nämlich beobachteten Fehlentwicklungen bei der Qualität der zahnärztlichen Versorgung entgegenzusteuern, stellt sich als ausreichender Grund des Gemeinwohls für eine solche Regelung dar. Der Gesetzgeber darf sich im Hinblick auf seine Schutzpflicht für die Gesundheit der dem Sozialversicherungssystem angehörigen Patienten (Art 2 Abs 2 GG) der Verfolgung dieses Ziels gleichfalls nicht entziehen.

Der Gesetzgeber sah sich angesichts der finanziellen Entwicklung in der gesetzlichen Krankenversicherung veranlaßt, die in den Jahren 1991/92 beobachtete Kostenexplosion durch kurzfristige Einsparungen zu bremsen und gleichzeitig zu versuchen, durch strukturelle Maßnahmen den Kostendruck langfristig zu entschärfen (vgl hierzu bereits Urteil des Senats vom 8. Mai 1996 – BSGE 78, 185, 188 = SozR 3-2500 § 85 Nr 13). Dies galt auch für die Ausgabenentwicklung in der ambulanten zahnärztlichen Behandlung. Wie in der Begründung der Entwürfe zum GSG ausgeführt wird, wuchsen die Ausgaben für Zahnersatz und zahnärztliche Behandlungen im Jahre 1991 mit einer Steigerungsrate von 11,1 % je Mitglied und damit mehr als doppelt so stark wie die beitragspflichtigen Einnahmen. Im 1. Halbjahr 1992 betrug die Steigerungsrate der Ausgaben sogar 13,5 %. Der überproportionale Anstieg beim Zahnersatz (13,7 % je Mitglied) im Jahre 1991 beschleunigte sich im 1. Halbjahr 1992 nochmals auf 14 % je Mitglied (vgl BT-Drucks 12/3209, S 40 sowie BT-Drucks 12/3608, S 68). Da diese Ausgabenentwicklung medizinisch kaum zu erklären und gesundheitspolitisch fragwürdig war (BT-Drucks, aaO), hat der Gesetzgeber sie zum Anlaß genommen, einen „notwendigen Beitrag der Zahnärzte zur Erhaltung der Beitragssatzstabilität in der gesetzlichen Krankenversicherung” einzufordern (vgl RegEntwurf zum GSG, BT-Drucks 12/3209, S 47) und Fehlentwicklungen in der zahnärztlichen Versorgung zu beseitigen (Gesetzentwurf der Fraktion der CDU/CSU, SPD und FDP zum GSG, BT-Drucks 12/3608, S 72). Die Regelung über den degressiven Punktwert in der vertragszahnärztlichen Versorgung war allerdings in dem ursprünglichen Gesetzentwurf der Bundesregierung zum GSG (BT-Drucks 12/3209) noch nicht enthalten. Vielmehr war dort neben der Budgetierung der Gesamtvergütung für die Dauer von drei Jahren (§ 85 Abs 3a SGB V) in § 85 Abs 2b SGB V nur eine Absenkung des Punktwertes für die zahnärztlichen Leistungen bei Zahnersatz um 20 vH bei gleichzeitiger Festschreibung bis Ende 1995 vorgesehen. Diese Maßnahme wurde in einer öffentlichen Anhörung des BT-Ausschusses für Gesundheit am 23. September 1992 von den Sachverständigen aus dem Bereich der Zahnärzteschaft abgelehnt. Statt dessen wurden von Seiten der Zahnärzteschaft Vergütungsabschläge für die Gruppe von Zahnärzten vorgeschlagen, die sehr hohe Einnahmen zu verzeichnen hat (Protokoll der 38. Sitzung des BT-Ausschusses für Gesundheit S 270 f). Neben Tagesprofilen zur Ermittlung unwirtschaftlicher oder ungerechtfertigter Abrechnungen böte der degressive Punktwert eine Möglichkeit, um im Sinne der Qualitätssicherung Praxen mit hohem Umsatz zu kontrollieren und zugleich Einsparungen zu erzielen (Protokoll der 40. Sitzung des BT-Ausschusses für Gesundheit am 25. September 1992, S 82). Im Gesetzentwurf der Fraktionen von CDU/CSU, SPD und FDP vom 5. November 1992 wurde daraufhin die Punktwertabsenkung in § 85 Abs 2b SGB V bei Erstreckung auf kieferorthopädische Leistungen auf 10 vH reduziert und auf die Dauer eines Jahres begrenzt, dafür aber als weitere Maßnahme mit einem finanziellen Entlastungsvolumen im Jahre 1993 von rund 300 Millionen DM in § 85 Abs 4b SGB V der degressive Punktwert eingeführt. In der Begründung ist darüber hinaus dargelegt, daß durch die Degressionsregelung die Krankenkassen an den Kostenvorteilen und Rationalisierungsmöglichkeiten in umsatzstarken Praxen beteiligt würden, da bei größeren Leistungsmengen die Fixkosten einer Praxis einen degressiven Verlauf hätten und die Mitarbeiter produktiver eingesetzt werden könnten. Damit von dem degressiven Punktwert keine leistungsfeindlichen Impulse ausgingen, beginne die Degression erst bei einer überdurchschnittlichen Punktmenge von 350.000 Punkten im Kalenderjahr, wobei Leistungen aus privatärztlicher Tätigkeit unberücksichtigt blieben (Begründung des Gesetzentwurfs, BT-Drucks 12/3608, S 88). Im Verlauf der weiteren parlamentarischen Beratung des Gesetzentwurfs wurde eine Sonderregelung für Kieferorthopäden wegen ihres im Vergleich zu den Zahnärzten im Durchschnitt höheren Punktevolumens abgelehnt (vgl Bericht des BT-Ausschusses für Gesundheit, BT-Drucks 12/3937, S 6, zu Art 1 Nr 41).

Aus den Gesetzesmaterialien ergibt sich mithin, daß mit der Regelung zum degressiven Punktwert ein Teil des auch von der Zahnärzteschaft im Interesse der Sicherung der finanziellen Stabilität der gesetzlichen Krankenversicherung zu erbringenden Einsparvolumens im Hinblick auf das Ziel einer gerechten Lastenverteilung auf die umsatzstärksten Praxen konzentriert werden sollte. Darüber hinaus wurde diese Art der Verteilung teils mit dem Anliegen der Qualitätssicherung, teils mit degressiv sinkenden Fixkosten bei steigenden Umsätzen gerechtfertigt.

Die Punktwertdegression ist geeignet, das Erreichen der beiden aufgezeigten Gemeinwohlbelange zu befördern. Hinsichtlich der Stabilisierung der Finanzlage der gesetzlichen Krankenversicherung beruht dies darauf, daß nach dem gesetzlichen Regelungskonzept die sich bei einzelnen Vertragszahnärzten ergebenden Vergütungskürzungen aus allen Leistungsbereichen, also auch aus dem budgetierten Bereich der konservierend-chirurgischen Behandlung, an die Krankenkassen weiterzuleiten sind und nicht im Wege der Honorarverteilung den übrigen Vertragszahnärzten zugute kommen (§ 85 Abs 4e Satz 3 SGB V; vgl dazu auch Urteil des Senats vom 28. August 1996 – 6 RKa 41/95 –). Insoweit trifft die in der Literatur geäußerte Beurteilung, die gesetzlichen Bestimmungen des § 85 Abs 4b bis 4f SGB V seien zur Erreichung von Einsparungen zu Gunsten der Krankenkassen ungeeignet, nicht zu (so aber Schachtschneider/Sodan, Rechtsgutachten, 1994, S 31). Selbst wenn die Degressionsregelung das Verhalten der Vertragszahnärzte dahingehend steuern sollte, daß die bislang über den Punktmengengrenzen liegenden Praxen ihren Behandlungsumfang bis unter die Degressionsgrenze reduzieren und Patienten an andere, die Punktmengengrenze nicht erreichende Praxen abgeben sollten, kann mit mittelbaren Einsparungen gerechnet werden. Diese kommen deshalb in Betracht, weil Qualitätseinbußen bei umsatzstarken Praxen, wie sie im Gesetzgebungsverfahren auch von Seiten der Zahnärzteschaft angesprochen worden sind, verringert würden.

Die Regelung der Punktwertdegression entspricht zudem dem Gebot der Erforderlichkeit. Der Gesetzgeber durfte angesichts der im Herbst 1992 vorliegenden Daten über die Finanzentwicklung in der gesetzlichen Krankenversicherung mit einem Defizit für 1991 von 5,6 Milliarden DM, einem erwarteten Defizit für 1992 von über 10 Milliarden DM bei gleichzeitigem Anstieg des durchschnittlichen Beitragssatzes auf das Rekordniveau von 13,1 % im Oktober 1992, einem Wachstum der Leistungsausgaben 1991 um 10,6 % bei einer Zunahme der beitragspflichtigen Einnahmen je Mitglied von nur 5 % (vgl die Angaben in BT-Drucks 12/3608, S 66) gegensteuernde Maßnahmen mit dem Ziel der Ausgabenbegrenzung für unausweichlich halten. Dies gilt auch für den Teilbereich der vertragszahnärztlichen Versorgung, in der ebenfalls ein überdurchschnittlicher Anstieg der Ausgaben für zahnärztliche Behandlung einschließlich Zahnersatz je Mitglied zu verzeichnen war (vgl BT-Drucks aaO, S 68). Der Gesetzgeber hat darauf ua in diesem Sektor mit einem Bündel verschiedener Maßnahmen wie der Budgetierung der Gesamtvergütung, der Punktwertabsenkung für zahnärztliche Leistungen bei Zahnersatz und kieferorthopädischen Behandlungen, dem degressiven Punktwert für zahnärztliche Leistungen, der Vergütungsabsenkung für zahntechnische Leistungen, strengeren Gewährleistungsvorschriften für Füllungen und Zahnersatz sowie Einschränkungen des Leistungsumfangs für die Versicherten bei Zahnersatz und in der Kieferorthopädie reagiert in dem Bemühen, die Belastungen gerecht und zumutbar auf den Schultern sowohl der Versicherten als auch der Leistungserbringer zu verteilen. Die Punktwertdegression für umsatzstarke Zahnarztpraxen ist ein Element aus diesem Maßnahmebündel, das – wie dargelegt – erst im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens auf Anregung aus den Kreisen der Zahnärzteschaft entwickelt wurde und als milderes Mittel die ursprünglich geplante Absenkung der Vergütung für Zahnersatz um 20 vH für die Dauer von drei Jahren, die alle Vertragszahnärzte und damit auch solche mit umsatzschwachen Praxen betroffen hätte, modifiziert hat. Es ist nicht ersichtlich und dementsprechend von der betroffenen Gruppe der Zahnärzte im Gesetzgebungsverfahren auch nicht deutlich gemacht worden, daß für die erforderliche Sofortbremsung der Kostenentwicklung in diesem Sektor ein ebenso wirksames, aber den Freiheitsraum der jeweiligen Leistungserbringer noch weniger einschränkendes Mittel zur Verfügung gestanden hätte.

Der Regelung über die Punktwertdegression kann gleichfalls die Erforderlichkeit zur Erreichung des Ziels der Qualitätsverbesserung in der vertragszahnärztlichen Versorgung nicht abgesprochen werden. Der Gesetzgeber durfte unter Berücksichtigung des Ergebnisses von Studien über das Qualitätsniveau zahnärztlicher Arbeiten (vgl die zusammenfassende Darstellung bei Saekel, BKK 1992, 464 ff) davon ausgehen, daß Maßnahmen zur Zurückdrängung qualitativ minderwertiger Leistungen in der vertragszahnärztlichen Versorgung angezeigt sind. Dem kann nicht ernsthaft die Vermutung entgegengehalten werden, daß die Nachfragesteuerung durch die mündigen Bürger in einem marktwirtschaftlichen System hinreichende Qualität garantiere (so aber Schachtschneider/Sodan, Rechtsgutachten aaO, S 32). Denn wie die Untersuchungen zur Qualitätssicherung in der Zahnmedizin ergeben haben, wurden nach Meinung der Patienten wesentlich weniger fehlerhafte Arbeiten erstellt, als dies aufgrund von Nachuntersuchungen bei Zahnersatzarbeiten der Fall war (vgl dazu im einzelnen Saekel, aaO, 473). Es ist nicht zu beanstanden, daß der Gesetzgeber Qualitätsdefizite in der vertragszahnärztlichen Versorgung auch in einen plausiblen Zusammenhang mit überdurchschnittlichen Umsätzen einzelner Praxen gebracht hat. Gleich wirksame, aber die Zahnärzte weniger belastende Möglichkeiten als die Beseitigung des finanziellen Anreizes zur Erbringung problematisch hoher Leistungsmengen je Zahnarzt sind insoweit nicht ersichtlich. Die in diesem Zusammenhang erörterte Einführung der chronologischen Leistungserfassung auch in der zahnärztlichen Abrechnung, um eine verstärkte Überwachung mit Hilfe von Tagesprofilen zu ermöglichen, könnte nur die Aufdeckung unkorrekter Abrechnungen erleichtern (vgl BSGE 73, 234, 238 = SozR 3-2500 § 95 Nr 4), wäre aber keine geeignete Nachweismöglichkeit für qualitative Mängel der tatsächlich erbrachten Leistungen und würde im übrigen auch erheblichen zusätzlichen Verwaltungsaufwand erfordern.

Schließlich ist auch bei einer Gesamtabwägung zwischen der Schwere des durch die Punktwertdegression hervorgerufenen Eingriffs in die Berufsausübungsfreiheit und dem Gewicht der ihn rechtfertigenden Gründe die Grenze der Zumutbarkeit gewahrt. Für diese Beurteilung ist eine generalisierende Betrachtung der Auswirkungen auf den betreffenden Berufszweig insgesamt vorzunehmen, während die Interessenlage des Einzelnen unter dem Gesichtspunkt der Unzumutbarkeit von Verfassungs wegen keine Bedeutung erlangt (vgl BVerfGE 68, 193, 219; 70, 1, 30). Zudem muß berücksichtigt werden, daß die Punktwertdegression als gesetzliche Vergütungsregelung die Modalitäten der Teilhabe der Vertragszahnärzte an dem von den Arbeitgebern und den Versicherten finanzierten Leistungssystem der gesetzlichen Krankenversicherung betrifft. Diese Teilhabe ist wegen der sozialstaatlichen Verantwortung des Gesetzgebers für eine funktionsfähige Krankenversorgung dem staatlichen Zugriff leichter zugänglich (vgl BVerfGE 68, 193, 220 f; 70, 1, 31).

Bei Anlegung dieser Maßstäbe ist zunächst festzustellen, daß die Punktwertdegression als solche keinen besonders schwerwiegenden Eingriff in die Freiheit der Berufsausübung mit sich bringt. Sie hat die gesetzliche Anordnung eines Preisnachlasses zugunsten der gesetzlichen Krankenversicherung bei Erbringung größerer Leistungsmengen zum Inhalt. Die Maßnahme trägt dem empirisch nachweisbaren Umstand Rechnung, daß bei steigenden Umsätzen der Vertragszahnärzte der Einnahmeüberschuß in Prozent der Gesamteinnahmen steigt (vgl KZBV Jahrbuch 96 – Statistische Basisdaten zur vertragszahnärztlichen Versorgung –, Tabellen 5.18 und 5.19). Nach diesen Daten verblieben den Vertragszahnärzten im Jahr 1995 in den alten Bundesländern, die zB Gesamteinnahmen zwischen 500.000,00 und 600.000,00 DM (durchschnittlich ca 553.000,00 DM) aufwiesen, ein durchschnittlicher Einnahmeüberschuß von ca 131.000,00 DM (= 23,8 %). Bei Gesamteinnahmen von über 1.000.000,00 DM (durchschnittlich 1.269.000,00 DM) ergab sich ein durchschnittlicher Einnahmeüberschuß von 365.000,00 DM (= 28,8 %). Im übrigen spielt es bei der Beurteilung der Schwere des Eingriffs für die betroffenen Vertragszahnärzte keine Rolle, daß die Honorarkürzungsbeträge aufgrund der Punktwertdegression nicht unter die übrigen Vertragszahnärzte verteilt werden, sondern den Krankenkassen zugute kommen.

Eine für die betroffenen Zahnärzte der höchsten Umsatzklassen unerträglich schwere Beeinträchtigung wird auch nicht durch die Höhe der Abstaffelungsbeträge von 20, 30 bzw 40 vH bewirkt. Nach den Berechnungen im Gesetzgebungsverfahren setzt die Degression in den alten Bundesländern erst ab einem Gesamtumsatz (Privatpraxis und gesetzliche Krankenversicherung) von über 800.000,00 DM – nur ca 60 % der Einnahmen laufen über die KZÄV (vgl KZBV Jahrbuch 96, Tabelle 5.6) – und einem Jahreseinkommen vor Steuern von ca 260.000,00 DM ein und erfaßt damit etwa 20 vH aller Zahnärzte. Bei der Prüfung der Zumutbarkeit der angegriffenen Regelung ist zunächst klarzustellen, daß der höhere Satz von 30 vH bzw 40 vH nicht auf die gesamte Punktzahl angewandt wird, welche die Punktmengengrenze von 350.000 bei einer Einzelpraxis übersteigt, sondern lediglich auf die Punkte „für die weiteren vertragszahnärztlichen Behandlungen”, dh diejenigen Behandlungen, mit denen die weiteren Punktmengengrenzen von 450.000 bzw 550.000 Punkten überschritten werden. Insoweit unterscheidet sich die gesetzliche Degressionsregelung in ihrer Wirkung wesentlich von jener Bestimmung eines HVM, die in der Senatsentscheidung vom 10. April 1987 (SozR 2200 § 368f Nr 14 S 59) als „nicht befriedigend” bezeichnet wurde, so daß die im Hinblick auf diese Entscheidung gegen die Punktwertdegression vorgetragenen Einwendungen (Wigge, NZS 1995, 529, 531 sowie zm 85 – 1995 –, Nr 18, S 2087 f) nicht zutreffen.

Unzumutbar könnten die Vergütungsabstaffelungen bei Überschreitung der Punktmengengrenze von 350.000 Punkte allenfalls dann sein, wenn das Entgelt für die zusätzlichen Leistungen erheblich unter den Durchschnittskosten liegen würde. Das ist jedoch auch nach der Modellrechnung von Schachtschneider/Sodan (Gutachten S 36 f) nicht der Fall. Denn selbst bei der höchsten Degressionsstufe von 40 % ergibt sich danach noch ein deutlich positives Betriebsergebnis, wenn die realistische Variante eines Anteils der variablen Praxiskosten in Höhe von 30 % zugrundegelegt wird. Auf den dort gleichfalls erörterten – unwahrscheinlichen – Extremfall eines Anteils der variablen Kosten in Höhe von 58 % des Umsatzes, obgleich der um den durchlaufenden Posten „Fremdlaborleistungen” bereinigte Anteil der Betriebsausgaben insgesamt bei ca 65 % liegt (vgl KZBV Jahrbuch 96, Tabelle 5.8), kommt es im Rahmen der an typische Sachverhalte anknüpfenden verfassungsrechtlichen Beurteilung nicht an. In diesem Zusammenhang kann auch nicht unberücksichtigt bleiben, daß der Gesetzgeber in vertretbarer Weise jedenfalls die von der dritten Degressionsstufe erfaßten Leistungsmengen als unter Qualitätsgesichtspunkten zweifelhaft und deshalb unerwünscht bewertet hat.

Eine unzumutbare Belastung der Vertragszahnärzte ergibt sich auch nicht bei Berücksichtigung der kumulierenden Wirkung von Budgetierung, Punktwertabsenkung für Zahnersatz bzw Kieferorthopädie und degressivem Punktwert. Zwar kann der durch diese Maßnahmen des GSG bewirkte Einnahmerückgang im Jahre 1993 gegenüber 1992 vor allem bei umsatzstarken Praxen mit dem Schwerpunkt bei Zahnersatz oder Kieferorthopädie ein Ausmaß von erheblichen Größenordnungen annehmen. Entscheidend für die Beurteilung der Zumutbarkeit gesetzlicher Vergütungsregelungen im Rahmen des Art 12 Abs 1 Satz 2 GG ist jedoch nicht der Umfang der im Vergleich zum früheren Rechtszustand herbeigeführten Änderungen, sondern vielmehr der Aspekt, ob die Regelung als solche noch eine angemessene Vergütung bewirkt. Daß den Vertragszahnärzten auch nach Inkrafttreten des GSG noch im Durchschnitt die Erzielung angemessener Vergütungen möglich war, belegen aber die einschlägigen statistischen Erhebungen. Danach wurde je Praxisinhaber im Jahr 1993 in den alten Bundesländern ein durchschnittlicher Einnahmen-Überschuß in Höhe von 181.791,00 DM (bzw ein steuerlicher Einnahmeüberschuß von 205.939,00 DM) bei einer wöchentlichen Arbeitszeit für Behandlung und Praxisverwaltung von 43,4 Stunden erzielt, der im Jahre 1994 bereits wieder auf 197.810,00 DM (bzw steuerlicher Einnahmeüberschuß von 227.070,00 DM) anstieg (vgl Tabellen 5.1, 5.6, 5.8 und 5.24 im KZBV-Jahrbuch 95). In der von der Degressionsregelung vor allem betroffenen Gruppe der Zahnärzte mit einem Jahresumsatz von über 1.000.000,00 DM konnte im Jahr 1994 im Durchschnitt ein Einnahmeüberschuß in Höhe von rund 405.000,00 DM erwirtschaftet werden (vgl aaO, Tabelle 5.18).

Die Regelung über den degressiven Punktwert in der vertragszahnärztlichen Versorgung ist darüber hinaus auch mit dem allgemeinen Gleichheitsgrundsatz des Art 3 Abs 1 GG vereinbar. Nach dieser Norm ist der Gesetzgeber gehalten, Gleiches gleich und Ungleiches seiner Eigenart entsprechend verschieden zu behandeln (BVerfGE 93, 386, 396). Damit ist dem Gesetzgeber allerdings nicht jede Differenzierung verwehrt. Er verletzt das Grundrecht vielmehr nur, wenn eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, daß sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten. Entsprechendes gilt für die Gleichbehandlung von wesentlich Ungleichem. Aus Wortlaut und Sinn des Art 3 Abs 1 GG ergeben sich nach Auffassung des BVerfG zudem je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen unterschiedliche Grenzen für den Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers, die in einer abgestuften Kontrolldichte der Gerichte ihre Entsprechung finden. So ist bei der Ungleichbehandlung von Sachverhalten, die nicht zugleich mittelbar eine Ungleichbehandlung von Personengruppen bewirken oder sich nachteilig auf die Ausübung grundrechtlich geschützter Freiheiten auswirken, als Maßstab nur das Willkürverbot heranzuziehen. Ein Verstoß gegen Art 3 Abs 1 GG kann dann nur festgestellt werden, wenn die Unsachlichkeit der Differenzierung evident ist. Dagegen unterliegt der Gesetzgeber bei Ungleichbehandlungen von Personengruppen oder von Sachverhalten, die solches mittelbar bewirken oder sich auf die Wahrnehmung von Grundrechten nachteilig auswirken, einer strengen Bindung an Verhältnismäßigkeitserfordernisse. Hier haben die Gerichte im einzelnen nachzuprüfen, ob für die vorgesehene Differenzierung Gründe von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, daß sie die ungleichen Rechtsfolgen rechtfertigen können (vgl zB BVerfGE 88, 87, 96 f).

Nach diesen Grundsätzen ist ein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz nicht festzustellen. Dabei ist zunächst die von einer Honorarabstaffelungsregelung bei zunehmender Leistungsmenge bewirkte ungleiche Vergütung identischer Behandlungsleistungen eines Vertragszahnarztes nicht als willkürlich zu beanstanden. Es handelt sich insoweit um eine sachverhaltsbezogene Differenzierung im Regelungsbereich des Vergütungsrechts, in welchem dem Gesetzgeber ein weiter Gestaltungsspielraum zukommt, zumal die Regelung die Berufsausübungsfreiheit der Vertragszahnärzte nicht substantiell behindert. Für die unterschiedliche Behandlung gibt es ausreichende sachliche Gründe. Zum einen spiegeln die Vergütungsabschläge die Kostenvorteile und Rationalisierungsmöglichkeiten im Gefolge der Erbringung größerer Leistungsmengen wider, welche in Form von Vergütungsabschlägen an die Krankenkassen weitergegeben werden (vgl die Gesetzesbegründung in BT-Drucks 12/3608, S 68). Zum anderen rechtfertigt das Ziel der Zurückdrängung qualitativ problematischer Leistungen insbesondere auch den Abschlag um 40 vH in der dritten Degressionsstufe.

Ein Gleichheitsverstoß wird auch nicht dadurch begründet, daß die Degressionsregelung keine Differenzierung nach den einzelnen Fachgruppen innerhalb der Zahnärzteschaft durch Anknüpfung an die jeweiligen Durchschnittsumsätze enthält. Es ist schon nicht ersichtlich, welche für die fragliche Regelung bedeutsamen Verhältnisse bei den in Betracht kommenden sechs Untergruppen der allgemeinärztlich tätigen Zahnärzte, der Paradontologen, der Oralchirurgen, der Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgen, der kieferorthopädisch tätigen Zahnärzte und der Fachzahnärzte für Kieferorthopädie sich so wesentlich voneinander unterscheiden, daß das Differenzierungsgebot berücksichtigt werden muß (s zu letzterem auch Senatsurteil BSGE 73, 131, 139 ff = SozR 3-2500 § 85 Nr 4), obgleich das BVerfG selbst die Kassenzahnärzte als „in sich einheitliche Gruppe” bezeichnet hat (vgl BVerfGE 70, 1, 34). So rechnen alle Angehörigen dieser nach Tätigkeitsschwerpunkten gegliederten Untergruppen ihre Leistungen nach derselben Gebührenordnung des Bema-Z ab, in der die Zahl der Bewertungspunkte auf der Grundlage eines einheitlichen Bewertungskonzepts vergeben werden, um das wertmäßige Verhältnis der verschiedenen Behandlungsleistungen zueinander auszudrücken (§ 87 Abs 2 SGB V). Von daher entspricht es der von der Gebührenordnung vorgegebenen Sachgesetzlichkeit, wenn die dort über die Bewertungspunkte ausbalancierten Besonderheiten der einzelnen Leistungsbereiche bei der Bestimmung der Degressionsschwellen und -sätze keine differenzierende Berücksichtigung mehr finden, weil diese ihrerseits an die Punktemenge anknüpfen. Daß dennoch hinsichtlich des Umfangs realisierbarer Kostenvorteile und Rationalisierungsgewinne bei zunehmender Leistungsmenge zwischen den genannten Untergruppen signifikante Unterschiede bestehen, kann nicht belegt werden, weil entsprechende differenzierte Kostenstrukturstatistiken nicht geführt werden. Eine vom Gesetzgeber unterlassene Ermittlung oder Berücksichtigung bislang noch nicht einmal bekannter tatsächlicher Unterschiede innerhalb der Berufsgruppe kann jedoch keinen Gleichheitsverstoß bewirken.

Ein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz liegt schließlich nicht darin, daß der Gesetzgeber die Degressionsregelung nur für den vertragszahnärztlichen Bereich, nicht aber auch bei den Vertragsärzten oder den Zahntechnikern eingeführt hat. Nach den tatsächlichen Gegebenheiten kann hierin ein „Sonderopfer” nicht gesehen werden. Das GSG hat nämlich bei der für notwendig erachteten Sofortbremsung der Ausgaben alle Gruppen von Leistungserbringern herangezogen und ihnen Beiträge zur Kostendämpfung abverlangt. Das ist für die Frage der Gleichbehandlung der unterschiedlichen Gruppen von Leistungserbringern ein wesentlicher Gesichtspunkt (vgl BVerfGE 70, 1, 33). So ist bei den Zahntechnikern eine Absenkung der zahntechnischen Vergütung um 5 vH im Jahre 1993 vorgenommen und zugleich bestimmt worden, daß die Erhöhungen der Vergütungen in den Jahren 1994 und 1995 an die Grundlohnsummenentwicklung gebunden sind (§ 88 Abs 2a SGB V). Eine Degressionsregelung, wie sie bei den Zahnärzten erfolgte, wäre im übrigen bei den Zahntechnikern aus Sachgründen nicht möglich gewesen, weil jeder Zahntechniker selbst und mit unterschiedlichen Zahnärzten abrechnet, so daß eine zentrale Erfassung der Leistungsmengen – wie sie für eine Degressionsregelung nötig wäre – nicht erfolgt. Eine solche Regelung war auch nicht für die Gruppe der Vertragsärzte geboten, weil die Punktwertedegression inhaltlich die Zugrundelegung fester Punktwerte voraussetzt. Solche hat der Gesetzgeber des GSG im Jahre 1992 allerdings nur im vertragszahnärztlichen Bereich vorgefunden, während im vertragsärztlichen Bereich das Vergütungssystem im wesentlichen durch floatende Punktwerte gekennzeichnet war. Es ist deshalb nicht zu beanstanden, daß angesichts dieser wesentlichen Verschiedenheiten im tatsächlichen Bereich der Gesetzgeber die Ausgabenbegrenzungen bereichsspezifisch nach den jeweils dort vorgefundenen Gegebenheiten umgesetzt hat. Im übrigen hat der Gesetzgeber auch für den vertragsärztlichen Bereich kostendämpfende Maßnahmen ergriffen und neben anderem der gemeinsamen Selbstverwaltung von Ärzten und Krankenkassen aufgegeben, für bestimmte kostenintensive Leistungsbereiche Regelungen zu treffen, die zu Einsparungen führen (vgl § 87 Abs 2b Satz 1 und 2 iVm § 85 Abs 4a Satz 1 SGB V für Laborleistungen; § 87 Abs 2b Sätze 3 und 4 SGB V für Leistungen mit medizinisch-technischen Großgeräten).

Entgegen der Auffassung der Revision verstößt die Degressionsregelung des § 85 Abs 4b bis 4f SGB V nicht gegen das sich aus dem Rechtsstaatsprinzip des GG (Art 20 Abs 3 GG) ergebende Gebot der Bestimmtheit und der Normenklarheit. Ein derartiger Verstoß soll darin zu sehen sein, daß es für die betroffenen Zahnärzte unmöglich sei, den jeweiligen Zeitpunkt der Überschreitung der Punktmengengrenze zu erkennen, von dem ab sie der Degressionswirkung unterliegen. Zutreffend hat das Berufungsgericht in dem vom SG in Bezug genommenen Urteil insoweit ausgeführt, daß die Partner der Gesamtverträge aufgrund der gesetzlichen Ermächtigung in § 85 Abs 4b Satz 5 bzw § 85 Abs 4e Satz 5 SGB V die Einzelheiten der verwaltungsmäßigen Umsetzung der gesetzlichen Bestimmungen regeln können und geregelt haben.

Auch ein Verstoß gegen das sich aus dem Rechtsstaatsprinzip des GG ergebende Verbot der Rückwirkung bzw gegen die Verpflichtung des Gesetzgebers, eine Übergangsregelung zu erlassen, war nicht zu erkennen. Die zum 1. Januar 1993 in Kraft getretene gesetzliche Regelung betrifft nur zukünftige Leistungen und Abrechnungen. Soweit von ihr bereits abgeschlossene und noch abzuwickelnde Behandlungsverträge erfaßt werden, handelt es sich um eine sogenannte unechte Rückwirkung des Gesetzes, die, wie in dem vom SG in Bezug genommenen Urteil des LSG zutreffend dargelegt worden ist, angesichts der Schwere des Eingriffs einerseits und der verfolgten Gemeinwohlinteressen andererseits hinzunehmen ist. Dem angefochtenen Urteil ist auch zu folgen, soweit es das Erfordernis einer Übergangsregelung verneint hat.

Nach allem ist die Revision des Klägers nicht begründet.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs 1 und 4 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1174390

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