Verfahrensgang

LSG Baden-Württemberg (Urteil vom 11.05.1990)

 

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 11. Mai 1990 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

I

Die Beteiligten streiten um die Abgabepflicht nach dem Künstlersozialversicherungsgesetz (KSVG).

Der Kläger ist ein eingetragener Verein, der nach § 1 Abs 2 seiner Satzung die bildenden Künste fördern sowie den Kunstsinn im Volke wecken und pflegen will; seine Tätigkeit gilt vor allem der zeitgenössischen Kunst und ihren Künstlern, wobei die einheimischen bildenden Künstler besonders gefördert werden sollen. Er verfolgt diese Zwecke nach § 1 Abs 3 teils allein, teils in Verbindung mit anderen kunstfördernden Einrichtungen und Vereinen, insbesondere durch Ankäufe von Kunstwerken zur Verlosung; etwaige Gewinne dürfen nur für die satzungsmäßigen Zwecke verwendet werden.

Der Kläger bietet seinen Mitgliedern am Ende eines jeden Jahres aus einer Reihe von Kunstwerken, die in der Regel nicht mehr als 500 DM kosten, eine Jahresgabe an. Die entsprechenden Werke sind dem Kläger von den Künstlern in Kommission gegeben. Wird eines verkauft, zahlt der Kläger den Erlös abzüglich einer Provision an den Künstler aus. Nicht verkaufte Arbeiten gehen an die Künstler zurück. Außerdem veranstaltet der Kläger, der nicht über einen eigenen Bestand an Kunstwerken verfügt, pro Jahr bis zu acht Wechselausstellungen mit fremden Kunstwerken in einer von der Stadt gemieteten Kunsthalle. Soweit Exponate verkauft werden, erhält der Kläger „Kommissionsgebühren”. Er ist als gemeinnützig anerkannt und finanziert sich außer aus Mitgliedsbeiträgen bei weitem überwiegend aus Zuschüssen und Spenden.

Die Künstlersozialkasse erteilte dem Kläger den Bescheid vom 22. Juli 1985 über die Feststellung der Künstlersozialabgabepflicht, weil er als Unternehmer „Galerie, Kunsthandel” betreibe. Der Widerspruch des Klägers blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 10. Juli 1986).

Das Sozialgericht (SG) Heilbronn hat die Klage durch Urteil vom 3. November 1988 abgewiesen. Im Berufungsverfahren vor dem Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg hat die Beklagte eine Abrechnung der Künstlersozialabgabe zu den Akten gegeben, nach der das abgabepflichtige Entgelt in den Jahren 1983 bis 1988 zwischen 48.190 DM (1984) und 104.985 DM (1987) lag. Das LSG hat die Berufung durch Urteil vom 11. Mai 1990 zurückgewiesen. Der Kläger sei, weil er jedenfalls Kunsthandel betreibe, abgabepflichtiger Unternehmer.

Gegen das Urteil richtet sich die Revision des Klägers. Er rügt eine Verletzung des § 24 KSVG.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des LSG vom 11. Mai 1990 und das Urteil des SG vom 3. November 1988 aufzuheben sowie unter Aufhebung des Bescheides vom 22. Juli 1985 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. Juli 1986 festzustellen, daß er nicht abgabepflichtig nach dem KSVG ist.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

 

Entscheidungsgründe

II

Die Revision des Klägers ist unbegründet. Die Vorinstanzen haben die Klage zutreffend abgewiesen. Der angefochtene Bescheid ist nicht rechtswidrig. Der Kläger ist abgabepflichtig.

Der angefochtene Bescheid vom 22. Juli 1985 und der Widerspruchsbescheid vom 10. Juli 1986 sind noch von der Künstlersozialkasse als rechtsfähiger bundesunmittelbarer Anstalt des öffentlichen Rechts (§ 37 Abs 1 in der ursprünglichen Fassung des KSVG vom 27. Juli 1981 ≪BGBl I 705≫) erlassen worden. Als solche ist die Künstlersozialkasse mit Ablauf des 31. Dezember 1987 aufgelöst worden, wobei alle Rechte und Pflichten auf die Landesversicherungsanstalt Oldenburg-Bremen übergingen, die seither das KSVG durchführt und dabei die Bezeichnung „Künstlersozialkasse” führt (§ 37a und § 37 KSVG idF des Art 1 Nr 8 und Nr 7 des Gesetzes zur finanziellen Sicherung der Künstlersozialversicherung vom 18. Dezember 1987 ≪BGBl I 2794≫); sie ist daher auch die Beklagte des vorliegenden Rechtsstreits.

Die Künstlersozialkasse kann nach dem Urteil des Senats vom 8. Dezember 1988 (BSGE 64, 221 = SozR 5425 § 24 Nr 2) gegenüber den nach § 24 KSVG abgabepflichtigen Unternehmern die Abgabepflicht zunächst nur dem Grunde nach feststellen. An der Zulässigkeit solcher sogenannten Erfassungsbescheide hat der Senat in einem Urteil vom heutigen Tage (1. Oktober 1991, Verfahren 12 RK 7/90, zur Veröffentlichung bestimmt) festgehalten.

Die Abgabepflicht nach § 24 KSVG ist in vier Urteilen vom 8. Dezember 1988 bestätigt worden für einen eingetragenen Verein, der ein Symphonie-Orchester betrieb (12 RK 1/86 in BSGE 64 aaO), für eine Stadt als Inhaberin eines Theaters ohne eigenes Ensemble (12 RK 38/88 in SozR 5425 Nr 3), für eine Musikschule in der Rechtsform eines eingetragenen Vereins (12 RK 15/87) und für einen Landkreis als Träger eines Volksbildungswerks, das auch Musikaufführungen veranstaltete (12 RK 8/88). In zwei weiteren Urteilen vom heutigen Tage (1. Oktober 1991) hat der Senat die Abgabepflicht auch bestätigt für eine Stadt, die im Rahmen ihrer Volkshochschule eine Musikschule betreibt (12 RK 7/90, zur Veröffentlichung bestimmt), und für eine weitere Musikschule in der Rechtsform eines eingetragenen Vereins (12 RK 1/91).

Auch der klagende Kunstverein ist nach § 24 KSVG zur Künstlersozialabgabe verpflichtet. Kunstvereine sind zwar im Katalog der abgabepflichtigen Unternehmen des § 24 Abs 1, 2 KSVG der ursprünglichen Fassung (aF) vom 27. Juli 1981 (BGBl I 705) und in § 24 Abs 1 KSVG in der Neufassung (nF) durch Art 1 Nr 5 des Gesetzes zur Änderung des KSVG vom 20. Dezember 1988 (BGBl I 2606) nicht aufgeführt. Deshalb können sie als solche nicht zu den abgabepflichtigen Unternehmern gezählt werden. Soweit sie jedoch eines der in dem Katalog genannten Unternehmen betreiben, gehören sie zu den abgabepflichtigen Unternehmern. Daran ändert in solchen Fällen nichts, daß sie sich nicht so wie ein Unternehmen der ausdrücklich als abgabepflichtig genannten Art, sondern als Kunstverein oder als Kunsthalle bezeichnen oder sich selbst – wie der Kläger – als „Kunstvermittlungsinstitute” einschätzen und ihren Hauptzweck in der Förderung der Kunst als solcher sehen.

Soweit der Kläger Kunstwerke als Jahresgaben oder in den jährlich bis zu acht Wechselausstellungen verkauft, betreibt er Kunsthandel iS des § 24 Abs 1 Nr 4 KSVG aF und des § 24 Abs 1 Satz 1 Nr 6 KSVG nF. Denn diese Tätigkeit findet nicht nur gelegentlich, sondern regelmäßig statt, um Einnahmen zu erzielen, nämlich den Verkaufspreis einschließlich der Provision oder der „Kommissionsgebühren”. Damit erfüllt der Kläger alle Merkmale eines abgabepflichtigen Unternehmers. Nach der angeführten Rechtsprechung des Senats ist es ohne Bedeutung, ob der Kläger Gewinn erzielt oder auch nur erzielen will, ob seine Tätigkeit gemeinnützig ist und wie er steuerlich behandelt wird. Ob er, soweit er Kunstwerke in der von der Stadt gemieteten Kunsthalle der Öffentlichkeit zugänglich macht, auch die Merkmale einer Galerie iS der genannten Vorschriften erfüllt, kann offen bleiben. (Vgl zu den Fragen, wann eine Galerie vorliegt und wann Kunsthallen oder Kunstvereine abgabepflichtige Unternehmer sind, Brandmüller, Komm zum KSVG, Stand 1. November 1989, § 24 Anm 8).

Der Abgabepflicht steht nicht entgegen, daß der Kläger die Kunstwerke in Kommission, also im eigenen Namen und für fremde Rechnung verkauft. Das ergibt sich aus § 25 KSVG aF und nF. Diese Vorschrift regelt zwar nicht wie § 24 KSVG die Abgabepflicht dem Grunde nach, sondern die Bemessungsgrundlage für die Abgabe. Sofern zu dieser Bemessungsgrundlage jedoch die Entgelte aus bestimmten Geschäften mit künstlerischen und publizistischen Werken zählen, muß derjenige, der solche Geschäfte planmäßig abschließt, auch abgabepflichtiger Unternehmer iS des § 24 KSVG sein. So verhält es sich mit jemandem, der regelmäßig Kunstwerke in Kommission nimmt und sie verkauft. Schon in § 25 Abs 3 KSVG aF war abgabepflichtiges Entgelt auch der Preis, der dem Künstler aus der Veräußerung seines Werkes im Wege eines Kommissionsgeschäfts für seine eigene Leistung zustand. Dieses wurde im Entwurf des KSVG mit dem Hinweis näher begründet, daß im Kunsthandel Kommissionsgeschäfte häufig sind (BT-Drucks 9/26 S 21 zu § 25, letzter Absatz). Nach einem durch Art 1 Nr 6 Buchst c des Änderungsgesetzes vom 20. Dezember 1988 dem § 25 Abs 3 KSVG angefügten Satz 2 ist das Entgelt jedenfalls seit 1989 sogar abgabepflichtig, wenn der „Händler” im Namen des Künstlers tätig wird. So war es etwa bei dem Künstlerverein, den der Senat mit Urteil vom heutigen Tage (1. Oktober 1991 in dem Verfahren 12 RK 13/91, zur Veröffentlichung bestimmt) als abgabepflichtig angesehen hat.

Hiernach erwies sich die Revision des Klägers als unbegründet. Sie war daher zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 des Sozialgerichtsgesetzes.

 

Fundstellen

Haufe-Index 1172999

BB 1992, 642

NJW 1992, 1342

AfP 1992, 215

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