Entscheidungsstichwort (Thema)

Zur Entziehung der Zulassung als Kassenarzt wegen Nichteignung bzw grober Pflichtverletzung

 

Orientierungssatz

Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit erlaubt die Entziehung der kassenärztlichen Zulassung erst dann, wenn der betroffene Arzt nicht durch andere Maßnahmen zur ordnungsgemäßen Erfüllung seiner Aufgaben angehalten werden kann. Dies besagt jedoch nicht, daß die Feststellung der fehlenden Eignung oder der groben Pflichtverletzung nicht für die Entziehung ausreicht und etwa nach einer solchen Feststellung immer noch zusätzlich als eigenes Tatbestandsmerkmal hinzutreten muß, daß der Arzt nicht durch andere Maßnahmen zur ordnungsgemäßen Erfüllung seiner Aufgaben angehalten werden kann (vgl BSG vom 25.10.1989 - 6 RKa 28/88 = SozR 2200 § 368a Nr 24).

 

Normenkette

SGB 5 § 95 Abs 6 Fassung: 1988-12-20; RVO § 368a Abs 6 Fassung: 1976-12-28

 

Verfahrensgang

LSG Berlin (Urteil vom 14.03.1990; Aktenzeichen L 7 Ka 9/89)

 

Gründe

Die Beschwerde ist unzulässig.

Der Kläger macht geltend, die Rechtssache habe grundsätzliche Bedeutung wegen der Rechtsfrage, "ob ein von der Entziehung der kassenärztlichen Zulassung bedrohter Arzt verpflichtet ist, in einem hiermit im Zusammenhang stehenden Strafverfahren einen Freispruch zu erwirken, anderenfalls die Entziehung gemäß § 368a Abs Reichsversicherungsordnung (RVO) zwingend erfolgen muß." Die Bezeichnung dieser allgemeinen Rechtsfrage genügt nicht für die Zulassung der Revision, denn der Kläger hat ihre Klärungsfähigkeit im anhängigen Verfahren nicht dargelegt. Der Beschwerdebegründung ist nicht zu entnehmen, daß der Senat bei Zulassung der Revision über die Frage zu entscheiden hätte. Das Urteil des Landessozialgerichts (LSG) ist nämlich nicht auf einen Rechtssatz gestützt, nach dem die Hinnahme eines Strafbefehls durch den Arzt stets die Entziehung der Zulassung rechtfertigt. Vielmehr hat das LSG die Entziehung auf das Verhalten des Klägers unter den Umständen des konkreten Einzelfalls gestützt. Der Kläger ist darauf nicht eingegangen und hat insbesondere nicht dargelegt, daß die Rechtssache über den Einzelfall hinaus grundsätzliche Bedeutung hat. Das ausgesprochene Strafmaß hat das LSG berücksichtigt. Die vom Kläger aufgeworfene Frage, inwieweit es zu berücksichtigen ist, zielt selbst schon auf den Einzelfall, ihr kommt keine grundsätzliche Bedeutung zu.

Eine Divergenz zur Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) hat der Kläger ebenfalls nicht bezeichnet (§ 160a Abs 2 Satz 3 des Sozialgerichtsgesetzes -SGG-). Der Kläger gibt das Urteil des LSG dahin wieder, für die Zulassungsentziehung reiche aus, daß entgegen den quartalsmäßigen Erklärungen unrichtige Abrechnungen eingereicht worden sind. Damit ist kein der zitierten Rechtsprechung des BSG entgegenstehender Rechtssatz des LSG bezeichnet. Der Kläger zitiert das BSG dahin, daß der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit die Entziehung der kassenärztlichen Zulassung erst erlaube, wenn der betroffene Arzt nicht durch andere Maßnahmen zur ordnungsgemäßen Erfüllung seiner Aufgaben angehalten werden kann. Dieser Satz besagt nicht, daß die Feststellung der fehlenden Eignung oder der groben Pflichtverletzung nicht für die Entziehung ausreiche und etwa nach einer solchen Feststellung immer noch zusätzlich als eigenes Tatbestandsmerkmal hinzutreten müßte, daß der Arzt nicht durch andere Maßnahmen zur ordnungsgemäßen Erfüllung seiner Aufgaben angehalten werden kann (vgl auch Urteil des Senats vom 25. Oktober 1989 - 6 RKa 28/88 -).

Der Kläger rügt ferner eine Verletzung des Grundsatzes der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme. In den Entscheidungsgründen habe das LSG sich die im Rahmen des staatsanwaltlichen Ermittlungsverfahrens geführten polizeilichen Vernehmungen mehrerer Zeuginnen zu eigen gemacht, ohne diese selbst im Wege der Beweisaufnahme zu hören. Die Beiziehung der Akten der Staatsanwaltschaft sei ihm nicht mitgeteilt worden. Im Strafverfahren sei lediglich ein hinreichender Tatverdacht zugrunde gelegt worden; eine Überprüfung inhaltlicher Art sowie die Frage der Glaubwürdigkeit der Aussagen lägen nicht vor.

Mit diesem Vorbringen hat der Kläger indessen den Verfahrensmangel nicht hinreichend bezeichnet. Zur Bezeichnung in diesem Sinn gehört die Darlegung, daß das angefochtene Urteil auf dem angegebenen Verfahrensmangel beruhen kann (BSG SozR 1500 § 160a SGG Nr 36). Das LSG hat im angefochtenen Urteil die Zurückweisung der Berufung auf zwei selbständige und jede für sich tragende Begründungen gestützt. Nur die eine Begründung beruht auf der vom Kläger gerügten Würdigung der Akten der Staatsanwaltschaft. Die andere Begründung geht dahin, der Kläger habe durch die Hinnahme des Strafbefehls das Vertrauen der Kassenärztlichen Vereinigung (KÄV) und der Kassen so erheblich erschüttert, daß ihnen eine Fortsetzung der kassenärztlichen Tätigkeit des Klägers nicht mehr zugemutet werden könne. Im Anschluß an diese Begründung heißt es im angefochtenen Urteil: "Selbst wenn man aber allein das Verhalten des Klägers im Strafverfahren nicht als ausreichend für eine Entziehung ansähe, reichten die dort getroffenen Feststellungen für diese Maßnahme aus." Daraus folgt, daß die Begründung aus der Hinnahme des Strafbefehls durch die folgenden Ausführungen nicht in Frage gestellt wird, sondern tragend bleibt. Der Kläger ist der Begründung aus der Hinnahme des Strafbefehls zwar entgegengetreten. Wie dargelegt greifen seine Rügen aber insoweit nicht durch.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1665110

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