Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. Leistungsanspruch. Art der Versicherung. Krankengeld. Beschäftigter. Bezieher von Leistungen nach dem Arbeitsförderungsrecht

 

Orientierungssatz

Maßgeblich für die Begründung von Leistungsansprüchen (hier Krankengeld) ist die Art der Versicherung, nicht das Bestehen der Versicherung an sich (vgl BSG vom 19.9.2002 - B 1 KR 11/02 R = BSGE 90, 72, 75 = SozR 3-2500 § 44 Nr 10). Während das Krankengeld bei Beschäftigten als Entgeltersatzleistung den krankheitsbedingten Ausfall des bei Eintritt der Arbeitsunfähigkeit bezogenen Arbeitsentgelts ausgleichen soll (vgl BSG vom 28.3.2000 - B 1 KR 11/98 R = BSGE 85, 271, 274 = SozR 3-1500 § 49 Nr 4), stellt sich in der Krankenversicherung der Arbeitslosen das Krankengeld nicht als Ersatz für Lohnausfall, sondern als Ersatz für eine entgehende Leistung wegen Arbeitslosigkeit dar (vgl BSG vom 19.9.2002 = B 1 KR 11/02 R aaO).

 

Normenkette

SGB 5 § 44 Abs. 1, § 47 Abs. 1, § 47b Abs. 1

 

Verfahrensgang

LSG Rheinland-Pfalz (Urteil vom 06.03.2003; Aktenzeichen L 5 KR 10/02)

SG Trier (Gerichtsbescheid vom 02.01.2002; Aktenzeichen S 95/01)

 

Tatbestand

Die als Küchenhilfe bis 31. Dezember 1999 beschäftigt gewesene Klägerin meldete sich zum 1. Januar 2000 arbeitslos. Ab dem 15. August 2000 war sie wegen einer Zervikalneuralgie, ab dem 9. November 2000 wegen Neurasthenie arbeitsunfähig krank. Die Beklagte beendete die Gewährung von Krankengeld zum 8. Juli 2001 wegen der nun zu bejahenden Arbeitsfähigkeit. Klage und Berufung sind ohne Erfolg geblieben. Das Landessozialgericht (LSG) hat im Wesentlichen ausgeführt: Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) liege bei einem Versicherten, der einer Beschäftigung nachgehe, dann Arbeitsunfähigkeit vor, wenn er seine zuletzt vor Eintritt des Versicherungsfalls konkret ausgeübte Arbeit oder eine gleich oder ähnlich geartete Tätigkeit nicht (mehr) verrichten könne. Sei jedoch der Versicherte bereits bei Beginn der Erkrankung länger als sechs Monate arbeitslos, komme es auf das Leistungsvermögen für Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes unabhängig von der zuletzt ausgeübten Beschäftigung an. Da die Klägerin nach den ärztlichen Feststellungen erstmals am 15. August 2000 arbeitsunfähig erkrankt gewesen sei, müsse sie sich auf ihrem Restleistungsvermögen entsprechende Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes verweisen lassen. Dazu sei sie nach den ärztlichen Feststellungen in der Lage (Urteil vom 6. März 2003).

Die Klägerin macht mit ihrer gegen die Nichtzulassung der Revision eingelegten Beschwerde geltend, die Rechtssache habe grundsätzliche Bedeutung. Außerdem sei das LSG von einem Urteil des BSG abgewichen.

 

Entscheidungsgründe

Die Beschwerde ist unzulässig und daher gemäß § 160a Abs 4 Satz 2 iVm § 169 Satz 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zu verwerfen. Ihre Begründung entspricht nicht den aus § 160a Abs 2 Satz 3 SGG abzuleitenden Anforderungen an die Darlegung von Revisionszulassungsgründen.

1. Die Revision ist nach § 160 Abs 2 Nr 1 SGG zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat. In der Beschwerdebegründung muss die grundsätzliche Bedeutung dargelegt werden (vgl § 160a Abs 2 Satz 3 SGG). Hierzu ist es erforderlich, eine Rechtsfrage klar zu formulieren und aufzuzeigen, dass sie über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung besitzt, und dass die Rechtsfrage klärungsbedürftig sowie klärungsfähig ist, dh sie im Falle der Zulassung der Revision entscheidungserheblich wäre.

Die Klägerin formuliert keine ausdrückliche abstrakte Rechtsfrage in diesem Sinne. Sinngemäß ist ihrem Vortrag im Kern die Frage zu entnehmen, ob es eine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung bedeutet, dass sich die Arbeitsunfähigkeit eines beschäftigten Versicherten nach anderen Kriterien richtet als bei einem Versicherten in der Krankenversicherung der Arbeitslosen.

Die Beschwerde beruft sich damit der Sache nach auf eine Verletzung des Gleichheitssatzes. Die pauschale Behauptung der Verfassungswidrigkeit einer angegriffenen Entscheidung reicht für die Darlegung des Revisionszulassungsgrundes der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache aber nicht aus (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nr 11). Wer sich auf einen Verstoß gegen Art 3 Abs 1 Grundgesetz (GG) beruft, muss vielmehr darlegen, worin er die für eine Gleichbehandlung wesentlichen Sachverhaltselemente erblickt und aus welchen Gründen das Gleichbehandlungsgebot verletzt sein soll (vgl BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 23 und BSGE 40, 158 = SozR 1500 § 160a Nr 11; BVerfG SozR 1500 § 160a Nr 45; zur umfangreichen Rechtsprechung des BVerfG zu Art 3 Abs 1 GG vgl zB Jarass in Jarass/Pieroth, GG, 7. Auflage 2004, Art 3, RdNr 4 f, 54 ff).

Das LSG hat als sachlichen Grund für die unterschiedliche Behandlung selbst die "Lohnersatzfunktion" des Krankengeldes angeführt. Die dem zu Grunde liegenden Erwägungen decken sich im Wesentlichen mit denjenigen, die das BSG im Urteil vom 19. September 2002 (BSGE 90, 72, 77 = SozR 3-2500 § 44 Nr 10 S 34 f) angestellt hat. Danach wird der Umfang des Versicherungsschutzes aus dem jeweils konkret bestehenden Versicherungsverhältnis abgeleitet. Maßgeblich für die Begründung von Leistungsansprüchen ist die Art der Versicherung, nicht das Bestehen der Versicherung an sich (BSGE 90, 72, 75 = SozR 3-2500 § 44 Nr 10 S 32). Während das Krankengeld bei Beschäftigten als Entgeltersatzleistung den krankheitsbedingten Ausfall des bei Eintritt der Arbeitsunfähigkeit bezogenen Arbeitsentgelts ausgleichen soll (BSGE 85, 271, 274 = SozR 3-1500 § 49 Nr 4 S 13), stellt sich in der Krankenversicherung der Arbeitslosen das Krankengeld nicht als Ersatz für Lohnausfall, sondern als Ersatz für eine entgehende Leistung wegen Arbeitslosigkeit dar (BSGE 90, 72, 77 = SozR 3-2500 § 44 Nr 10 S 34 f). Die Beschwerde geht auf diese Rechtsprechung nicht ein und führt nicht aus, weswegen sich insoweit im Hinblick auf den Gleichheitssatz eine rechtliche Problematik von grundsätzlicher Bedeutung ergeben soll. Das BSG hat im Übrigen auch schon in anderem Zusammenhang die Entgeltersatzfunktion des Krankengeldes als Rechtfertigungsgrund für Leistungsbegrenzungen angeführt (vgl BSG SozR 3-2500 § 44 Nr 4 mwN zum Krankengeld für Selbstständige).

2. Die Begründung entspricht auch nicht den Anforderungen an die Darlegung einer Rechtsprechungsdivergenz (Revisionszulassungsgrund des § 160 Abs 2 Nr 2 SGG).

Wird gerügt, das LSG sei von der Rechtsprechung des BSG abgewichen, so ist die behauptete Divergenz entsprechend den Anforderungen des § 160a Abs 2 Satz 3 SGG durch Gegenüberstellung miteinander unvereinbarer abstrakter und entscheidungstragender Rechtssätze im Urteil des Berufungsgerichts einerseits und in einer höchstrichterlichen Entscheidung andererseits zu "bezeichnen". Die Beschwerde müsste insoweit zunächst die Vergleichbarkeit der rechtlichen und tatsächlichen Ausgangssituation (Rechtsfragen) sowie die hierauf gegebenen Antworten (Rechtssätze) des LSG einerseits und des BSG andererseits aufzeigen. Dem wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht.

Die Klägerin legt nicht dar, dass das BSG im Urteil vom 8. Februar 2000 (BSGE 85, 271 = SozR 3-2500 § 49 Nr 4) "konträr" zum Rechtssatz des LSG entschieden und den Rechtssatz aufgestellt hat, bei Arbeitsunfähigen, die während einer Arbeitslosigkeit von mehr als 6-monatiger Dauer erkranken - wie die Klägerin - komme es für die Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit sehr wohl noch wie bei Beschäftigten auf die zuletzt ausgeübte Beschäftigung an. Aus der BSG-Rechtsprechung ergibt sich keineswegs, dass stets erst die tatsächliche Aufnahme einer neuen beruflichen Tätigkeit den alten Berufsschutz entfallen lässt. Die zitierte Entscheidung betraf den Fall, dass die Arbeitsunfähigkeit schon während des Beschäftigungsverhältnisses eingetreten war und sich der Betroffene dann arbeitslos meldete (insoweit kein Entfallen des Berufsschutzes allein durch Beendigung des Arbeitsverhältnisses und Arbeitslosmeldung). Hier ist dagegen ein ganz anderer Fall zu entscheiden, nämlich dass die Klägerin als krankenversicherte Arbeitslose (ab 1. Januar 2000) erst nach mehr als sechs Monaten (am 15. August 2000) arbeitsunfähig wurde. Nach welchen Grundsätzen insoweit zu entscheiden ist, ergibt sich aus dem Urteil des Senats vom 19. September 2002 - B 1 KR 11/02 R (BSGE 90, 72 = SozR 3-2500 § 44 Nr 10) und der vom LSG (allerdings inhaltlich nicht korrekt) zitierten Parallelentscheidung vom selben Tag (B 1 KR 32/01 R).

Die tatsächlichen Feststellungen des LSG, welche seiner Beurteilung zum Beginn der Arbeitsunfähigkeit zu Grunde liegen, greift die Beschwerde im Übrigen nicht mit Revisionszulassungsgründen an, sodass diese Feststellungen für den Senat bindend sind (vgl § 163 SGG).

Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1755785

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