Verfahrensgang

LSG Baden-Württemberg (Beschluss vom 15.01.2018; Aktenzeichen L 6 SB 3758/17)

SG Ulm (Entscheidung vom 21.08.2017; Aktenzeichen S 2 SB 4253/16)

 

Tenor

Der Antrag der Klägerin, ihr für das Verfahren der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Beschluss des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 15. Januar 2018 Prozesskostenhilfe unter Beiordnung eines Rechtsanwalts zu bewilligen, wird abgelehnt.

 

Gründe

I

Die Klägerin begehrt in der Hauptsache die Feststellung des Grades der Behinderung (GdB) von 100 sowie die Zuerkennung der Voraussetzungen für die Inanspruchnahme des Nachteilsausgleiches "außergewöhnliche Gehbehinderung" (aG). Bei der Klägerin war zuletzt ein GdB von 20 festgestellt wegen einer beidseitigen Sehminderung mit eingepflanzter Kunstlinse (Bescheid vom 5.2.2013). Auf einen Neufeststellungsantrag der Klägerin stellte der Beklagte im Rahmen einer Überprüfung fest, dass bei der Klägerin weitere Funktionsbeeinträchtigungen (Polyarthrose, Gleichgewichtsstörungen, Angewiesensein auf eine Gehhilfe, Sehminderung beidseits, eingepflanzte Kunstlinse beidseits) mit einem GdB von 70 seit dem 13.6.2016 bestünden und erkannte die Merkzeichen "G" und "B" zu unter Ablehnung der Voraussetzungen für die Zuerkennung des Nachteilsausgleichs "aG" (Bescheid vom 3.8.2016; Widerspruchsbescheid vom 24.11.2016). Das anschließende Klageverfahren blieb ebenso erfolglos (Urteil vom 21.8.2017) wie die nachfolgende Berufung. Das LSG hat nach Anhörung der Beteiligten mit Beschluss nach § 153 Abs 4 SGG am 15.1.2018 die Berufung zurückgewiesen, weil die Klägerin keinen Anspruch auf Feststellung eines höheren GdB als 70 ab der beantragten Neufeststellung am 13.6.2016 habe und die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme des Nachteilsausgleichs "aG" nicht vorlägen. Die bei der Klägerin bestehenden wesentlichen Änderungen iS von § 48 Abs 1 S 2 Nr 1 SGB X bedingten entsprechend der Rechtsprechung des BSG unter Berücksichtigung der festgestellten Gesundheitsstörungen keinen höheren GdB als 70. Die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Nachteilsausgleichs "aG" scheiterten bereits an dem Umstand, dass hierfür eine erhebliche mobilitätsbezogene Teilhabebeeinträchtigung mit einem GdB von mindestens 80 erforderlich sei, welcher bei der Klägerin nicht vorliege. Im Übrigen komme auch eine Gleichstellung mit außergewöhnlich Gehbehinderten iS des § 6 Abs 1 Nr 14 Straßenverkehrsgesetz nicht in Betracht. Die von der Klägerin ohne fremde Hilfe zu bewältigende Gehstrecke ohne Unterbrechung reduziere sich zwar von 200 m mittlerweile auf 50 bis 70 m, bevor die Klägerin wegen ihrer Beschwerden eine Pause einlegen müsse. Diese Umstände belegten allerdings noch keine außergewöhnliche Gehbehinderung aufgrund der tatsächlich bestehenden Funktionseinschränkungen. Weder begründe der Einsatz eines Toilettenstuhls zur Fortbewegung im häuslichen Bereich die Notwendigkeit eines rollenden Untersatzes zur Fortbewegung noch gäben das beschriebene beschwerliche Begehen einer Treppe und die Umstände beim Baden weitere hinreichende Hinweise auf entsprechende Einschränkungen.

Die Bevollmächtigte der Klägerin hat mit Schreiben vom 11.2. und 8.4.2018 beim BSG die Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) unter Beiordnung eines Rechtsanwalts für die beabsichtigte Durchführung des Verfahrens der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im vorgenannten, am 18.1. und 17.3.2018 zugestellten Beschluss beantragt.

II

Der Antrag auf Bewilligung von PKH ist abzulehnen, weil die Rechtsverfolgung vor dem BSG keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 73a Abs 1 S 1 SGG iVm § 114 Abs 1 S 1 ZPO). Es ist nicht zu erkennen, dass ein zugelassener Prozessbevollmächtigter (§ 73 Abs 4 SGG) in der Lage wäre, die Nichtzulassungsbeschwerde erfolgreich zu begründen.

Gemäß § 160 Abs 2 SGG ist die Revision nur zuzulassen, wenn die Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung hat (Nr 1), das Urteil des LSG von einer Entscheidung des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG abweicht und auf dieser Abweichung beruht (Nr 2) oder wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann (Nr 3). Ein solcher Zulassungsgrund ist nach summarischer Prüfung des Streitstoffes und dem Vorbringen der Klägerin nicht ersichtlich.

Zunächst ist nicht erkennbar, dass eine Zulassung der Revision gegen den von der Klägerin angegriffenen Beschluss auf § 160 Abs 2 Nr 1 SGG gestützt werden könnte. Grundsätzliche Bedeutung im Sinne dieser Vorschrift hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung besitzt (vgl BSGE 40, 158 = SozR 1500 § 160a Nr 11; BSG SozR 1500 § 160a Nr 39). Die Frage muss außerdem klärungsbedürftig sein. Das ist grundsätzlich nicht der Fall, wenn die Antwort darauf von vornherein praktisch außer Zweifel steht (vgl BSGE 40, 40 = SozR 1500 § 160a Nr 4) oder bereits höchstrichterlich entschieden ist (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nr 13, 65). Rechtsfragen, die in diesem Sinne klärungsbedürftig sein könnten, sind hier nicht ersichtlich. Das LSG hat mit Beschluss vom 15.1.2018 unter Auswertung des gesamten Streitstoffes einen Anspruch der Klägerin auf Feststellung eines über 70 liegenden GdB sowie auf Zuerkennung der Voraussetzungen des Nachteilsausgleichs "aG" abgelehnt, weil keine weitergehenden insoweit erforderlichen funktionellen Einschränkungen ausgehend von dem bei der Klägerin vorliegenden Gesundheitszustand nachgewiesen seien. Angesichts der umfangreichen vom LSG in seiner Entscheidung benannten Rechtsprechung des BSG zur Änderung der Verhältnisse nach § 48 Abs 1 SGB X sowie zur Bildung des Gesamt-GdB und zur Feststellung der Voraussetzungen für die Zuerkennung des Nachteilsausgleichs "aG", kann insoweit ein höchstrichterlicher Klärungsbedarf nicht angenommen werden. Weitere mögliche Rechtsfragen sind zum vorliegenden Verfahren nicht ersichtlich. Soweit die Klägerin die Rechtsanwendung des LSG für unzutreffend hält, kann sie damit keine Revisionszulassung erreichen (vgl BSG Beschluss vom 21.12.2017 - B 9 V 46/17 B - RdNr 7; BSG SozR 1500 § 160a Nr 7 S 10).

Eine Zulassung nach § 160 Abs 2 Nr 2 SGG scheidet ebenfalls aus. Die danach erforderliche Abweichung (Divergenz) ist gegeben, wenn das angefochtene Urteil bzw der angefochtene Beschluss auf einer bestimmten Rechtsauffassung beruht, die zu der in einer Entscheidung des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG zugrunde gelegten Rechtsansicht in Widerspruch steht. Davon kann hier nicht ausgegangen werden. Das LSG hat sich - wie oben bereits ausgeführt - bei seiner Entscheidung an der Rechtsprechung des BSG orientiert. Soweit die Klägerin eine Abweichung des anzufechtenden Beschlusses des LSG von dem Urteil des BSG vom 11.11.2004 (B 9 SB 1/03 R) darin sieht, dass das LSG keine spezifische (geriatrische) Begutachtung durchgeführt habe, kritisiert sie wiederum die Richtigkeit der Entscheidung des LSG, ohne dass ein abstrakter Rechtssatz des LSG erkennbar wird, mit dem dieses von der Rechtsprechung des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG abweichen wollte.

Schließlich ist auch kein Verfahrensmangel ersichtlich, der gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 SGG zur Zulassung der Revision führen könnte. Ein solcher lässt sich jedenfalls den vorliegenden Gerichtsakten nicht entnehmen. Auf eine Verletzung der Sachverhaltsaufklärungspflicht (§ 103 SGG) wird eine Nichtzulassungsbeschwerde entgegen dem Vorbringen der Klägerin schon deshalb nicht gestützt werden können, weil es an einem von der Klägerin bis zuletzt vor dem LSG gestellten und aufrechterhaltenen Beweisantrag fehlt, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt sein könnte (§ 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG). Nur klarstellend weist der Senat darauf hin, dass eine Verpflichtung des Gerichts zur Einholung eines Gutachtens von einem Facharzt nicht besteht (BSG Beschluss vom 12.5.2016 - B 9 SB 101/15 B). Auch durfte das LSG die Berufung der Klägerin nach § 153 Abs 4 SGG durch Beschluss ohne mündliche Verhandlung entscheiden, weil es diese einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich gehalten hat und die Beteiligten auf die Möglichkeit dieser Vorgehensweise zuvor hingewiesen worden sind.

Da der Klägerin mithin keine PKH zu bewilligen ist, kann sie auch nicht die Beiordnung eines Rechtsanwalts beanspruchen (§ 73a Abs 1 S 1 SGG iVm § 121 ZPO).

 

Fundstellen

Dokument-Index HI11864800

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