Verfahrensgang

LSG Berlin (Urteil vom 22.10.1998)

 

Tenor

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Berlin vom 22. Oktober 1998 wird als unzulässig verworfen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

Die gegen die Nichtzulassung der Revision im angefochtenen Urteil des Landessozialgerichts Berlin (LSG) gerichtete und auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung gestützte Beschwerde der Klägerin ist unzulässig. Die dazu gegebene Begründung entspricht nicht der in § 160 Abs 2 und § 160a Abs 2 Satz 3 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) festgelegten Form. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) erfordern diese Vorschriften, daß der Zulassungsgrund schlüssig dargetan wird (BSG SozR 1500 § 160a Nrn 34, 47 und 58; vgl hierzu auch Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 2. Aufl, 1997, IX, RdNrn 177 und 179 mwN). Diesen Anforderungen an die Begründung hat die Klägerin nicht hinreichend Rechnung getragen.

Die Klägerin hält folgende Rechtsfrage für grundsätzlich bedeutsam: „Verstößt § 1152 Abs 2 Satz 1 Nr 1 der Reichsversicherungsordnung (RVO) insoweit gegen Art 3 des Grundgesetzes (GG), als danach für Arbeitsunfälle des Beitrittsgebietes, die vor dem 1. Januar 1992 eingetreten sind und für die vor dem 1. Juli 1990 ein Rentenanspruch bestand, grundsätzlich und auf Dauer der Berechnung der Unfallrente lediglich ein Jahresarbeitsverdienst (JAV) von 13.680 DM – auch dauerhaft für die Zeit nach dem 1. Januar 1992 – zugrunde zu legen ist?” Die Klägerin sieht eine verfassungswidrige Ungleichbehandlung des genannten Personenkreises, zu dem auch sie zähle, darin, daß bei den Beziehern einer Unfallrente im Beitrittsgebiet, deren Rentenanspruch nach dem 30. Juni 1990 entstanden sei, ein individueller JAV bis zur Höhe der allgemeinen Bemessungsgrenze (32.400 DM) berücksichtigt werde, während der Personengruppe der Klägerin, deren Rentenanspruch bereits vor dem 1. Juli 1999 bestanden habe, lediglich eine Rente bis zur Höhe des Durchschnittseinkommens aller Rentenversicherungspflichtigen in der DDR zugestanden werde. Des weiteren macht die Klägerin geltend, die auf Dauer angelegte pauschale Festlegung eines JAV in Höhe dieses Durchschnittseinkommens widerspreche eklatant dem System der Berechnung von Unfallrenten der in der gesetzlichen Unfallversicherung versicherten abhängig Beschäftigten.

Nach § 160 Abs 2 Nr 1 SGG ist die Revision zuzulassen, wenn die Sache grundsätzliche Bedeutung hat. In der Beschwerdebegründung muß nach § 160a Abs 2 Satz 3 SGG diese grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache aufgezeigt werden. Sie ist gegeben, wenn zu erwarten ist, daß die Revisionsentscheidung die Rechtseinheit in ihrem Bestand erhalten oder die Weiterentwicklung des Rechts fördern wird. Dies ist dann anzunehmen, wenn eine vom Beschwerdeführer für grundsätzlich gehaltene Rechtsfrage für die Entscheidung des Rechtsstreits klärungsbedürftig, klärungsfähig und entscheidungserheblich ist (BSG SozR 1500 § 160 Nrn 53 und 54; Krasney/Udsching, aaO, IX, RdNr 63 mwN). Die Klärungsbedürftigkeit ist zu verneinen, wenn die Rechtsfrage bereits höchstrichterlich beantwortet ist (BSG SozR 1500 § 160 Nr 51; BSG SozR 1500 § 160a Nrn 13 und 65) oder wenn die Antwort unmittelbar aus dem Gesetz zu ersehen ist (BSG SozR 1300 § 13 Nr 1), wenn sie so gut wie unbestritten ist (BSG SozR 1500 § 160 Nr 17), wenn sie praktisch außer Zweifel steht (BSG SozR 1500 § 160a Nr 4) oder wenn sich für die Antwort in anderen Entscheidungen bereits ausreichende Anhaltspunkte ergeben (Kummer, Die Nichtzulassungsbeschwerde, 1990, RdNr 117; Krasney/Udsching, aaO, IX, RdNr 66). Die Frage, ob eine der Entscheidung zugrunde gelegte Gesetzesnorm verfassungswidrig ist, hat zwar regelmäßig grundsätzliche Bedeutung. Aber auch dies ist schlüssig darzulegen. Hierzu gehört, daß herausgestellt wird, aus welchen Gründen die beanstandete Norm verfassungswidrig sein könnte. Dies ist im einzelnen unter der Auswertung der einschlägigen Rechtsprechung darzulegen (BSG SozR 1500 § 160a Nr 17; BVerfG SozR 1500 § 160a Nr 45; Kummer, Die Nichtzulassungsbeschwerde, 1990, RdNr 146 mwN). „Darlegen” bedeutet ua „näher auf etwas eingehen” (BVerwG Buchholz 310 § 133 nF Nr 11 mwN; BSG Beschluß vom 26. April 1999 – B 10 LW 20/98 B). Pauschale Bezugnahmen auf Verfassungsrecht oder angebliche Äußerungen des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) ohne nähere Darstellung und Folgerungen für die Beantwortung der aufgeworfenen Rechtsfrage reichen dafür nicht aus (BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 23). Hat – wie es vorliegend durch das LSG geschehen ist – das Berufungsgericht die Verfassungsmäßigkeit der seiner Entscheidung zugrundeliegenden Norm unter Berücksichtigung von Rechtsprechung und Literatur begründet, so ist jedenfalls zu fordern, daß sich die Beschwerde damit auseinandersetzt (BVerwG aaO).

Diesen Anforderungen wird die Klägerin in ihrer Beschwerdebegründung nicht gerecht. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin schon deshalb unzulässig ist, weil in der von ihr aufgeworfenen Rechtsfrage unterstellt wird, daß der JAV von 13.680 DM bei ihr auch dauerhaft für die Zeit nach dem 1. Januar 1992 zugrunde zu legen sei, obwohl keine Zweifel an der Feststellung des LSG bestehen, daß auch ihre Rente unter Zugrundelegung der Rentenanpassungsverordnungen angepaßt worden ist. Jedenfalls hat die Klägerin die Klärungsbedürftigkeit der Rechtsfrage nicht schlüssig dargelegt. Das LSG hat in der angefochtenen Entscheidung ausführlich begründet, warum § 1152 Abs 2 Satz 1 Nr 1 RVO nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art 3 Abs 1 GG verstößt. Dazu hat es einmal unter Zitierung einschlägiger Entscheidungen des BVerfG und des BSG ausgeführt, daß sich der Gesetzgeber bei der Herstellung der deutschen Rechtseinheit auch hinsichtlich der Übernahme der Bestandsrenten aus Arbeitsunfällen in einer Ausnahmesituation befand und ihm deshalb von vornherein ein relativ hoher Regelungsspielraum zukam. Zum andern hat das LSG ausgeführt, daß die unterschiedliche Behandlung der Bestandsrentner im Beitrittsgebiet, bei denen der Rentenanspruch vor dem 1. Juli 1990 bestand (§ 1152 Abs 2 Satz 1 Nr 1 RVO), gegenüber anderen Beziehern von Unfall-Bestandsrenten aus dem Beitrittsgebiet dadurch gerechtfertigt war, daß nach dem Recht der DDR der Personenkreis des § 1152 Abs 1 Satz 1 Nr 1 RVO Beiträge zur Unfallversicherung nur nach einer Bemessungsgrundlage von monatlich 600 DM zahlte. Weiterhin führt das LSG aus, daß freiwillige Beiträge, welche die Klägerin möglicherweise abgeführt hat, nicht in die Unfallversicherung, sondern in die Alters-, Invaliden- und Hinterbliebenenrente geflossen sind.

Mit diesen Ausführungen des LSG hat sich die Klägerin nicht hinreichend auseinandergesetzt. Soweit sie auf die Rechtsprechung der Rentenversicherungssenate des BSG zur Frage der pauschalierten Berechnungsmodalitäten im Rahmen des Rentenüberleitungsrechts verweist und daraus abzuleiten versucht, daß die Regelung des § 1152 Abs 1 Satz 1 Nr 1 RVO nur für eine Übergangszeit vertretbar sei, läßt sie unberücksichtigt, daß diese Vorschrift keine pauschalierten Kürzungen von in der DDR erworbenen Rentenanwartschaften vorsieht, sondern daß diese Anwartschaften, die auf einem tatsächlich entrichteten Beitrag nach der Bemessungsgrundlage von 600 DM beruhen, ungekürzt geblieben sind. Im übrigen hat auch das BVerfG in seinem Urteil vom 28. April 1999 (1 BvL 32/95 und 1 BvR 2105/95 – DVBl 1999, 910, 915) im Zusammenhang mit den in der DDR erworbenen Anwartschaften aus Zusatz- und Sonderversorgungssystemen und ihrer Behandlung im Rentensystem der Bundesrepublik Deutschland entschieden, daß die Schlechterstellung der Versorgungsberechtigten im Beitrittsgebiet gegenüber vergleichbaren westdeutschen Berechtigten insoweit nicht gegen Art 3 Abs 1 GG verstößt, als die letzteren erheblich höhere Beitragsleistungen für ihre über die Rente hinausgehenden Leistungen gezahlt haben als die Berechtigten aus dem Beitrittsgebiet. Soweit die Klägerin in ihrer Beschwerdebegründung ausführt, die in § 1152 Abs 1 Satz 1 Nr 1 RVO getroffene Regelung widerspreche eklatant dem System der Berechnung von Unfallrenten in der gesetzlichen Unfallversicherung der versicherten abhängig Beschäftigten, hat sie nicht aufgezeigt, welche Verfassungsnorm nach ihrer Auffassung damit verletzt sein soll.

Die Beschwerde war daher als unzulässig zu verwerfen (§ 169 SGG).

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1175481

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