Entscheidungsstichwort (Thema)

Übergangsgeldberechnung. Bemessungsentgelt. Arbeitslosengeldbezug. Verwaltungsvereinfachung

 

Leitsatz (amtlich)

Wird vor einer Leistung zur Teilhabe ein Übergangsgeld bezogen, bei dessen Höhe das wiederum zuvor bezogene Arbeitslosengeld zugrunde gelegt wurde, so ist bei der Berechnung des Übergangsgelds für die anstehende Teilhabeleistung nach § 21 Abs 3 SGB 6 iVm § 49 SGB 9 auf das von der Arbeitsverwaltung ermittelte Bemessungsentgelt abzustellen.

 

Orientierungssatz

Sinn und Zweck des § 49 SGB 9 ist es, einerseits die Kontinuität der Leistungen zu gewährleisten und andererseits der Verwaltungsvereinfachung zu dienen (vgl BSG vom 18.2.1981 - 1 RJ 74/79 = BSGE 51, 193 = SozR 2200 § 1241b Nr 4 und vom 7.9.2010 - B 5 R 104/08 R = SozR 4-3250 § 49 Nr 1). Nach den Motiven des Gesetzgebers soll das Übergangsgeld während des gesamten Rehabilitationsgeschehens der wirtschaftlichen Situation des Behinderten und seiner Familienangehörigen Rechnung tragen. Dies bedeutet, dass der Berechnung des Übergangsgeldes Einkommensverhältnisse zugrunde zu legen sind, die den Lebensstandard des Versicherten ausreichend widerspiegeln (vgl BSG vom 18.2.1981 - 1 RJ 74/79 aaO). Die Vorschrift dient der Vermeidung von Streit um die Bemessungsgrundlage und Verzögerungen bei der Verwaltungsentscheidung, weil keine neuen Arbeitgeberauskünfte eingeholt werden müssen (vgl BSG vom 28.3.1990 - 9b/11 Rar 87/89 = SozR 3-4100 § 59c Nr 1).

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 31.10.2012; Aktenzeichen B 13 R 10/12 R)

 

Tenor

I. Das Urteil des Sozialgerichts München vom 30. Juli 2009 sowie der Bescheid vom 29. Mai 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. August 2008 werden aufgehoben. Die Beklagte wird verpflichtet, den Bescheid vom 11. Mai 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. August 2007 abzuändern und dem Kläger für die Dauer der Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben vom 7. Mai 2007 bis 25. Januar 2008 höheres Übergangsgeld zu zahlen, wobei bei der Berechnung des Übergangsgeldes von dem Arbeitsentgelt auszugehen ist, welches dem Arbeitslosengeldbezug ab 1. April 2006 zugrunde lag.

II. Die Beklagte erstattet dem Kläger die außergerichtlichen Kosten des Verfahrens.

III. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Höhe des Übergangsgeldes, das während einer Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben zu zahlen war.

Der 1954 geborene, ledige und kinderlose Kläger ist von Beruf Großhandelskaufmann. Vor seiner Arbeitslosigkeit war er als Buslenker tätig. Die letzte vom Arbeitgeber gemeldete Pflichtbeitragszeit betrifft den August 2005.

Seit 01.04.2006 war er arbeitslos und bezog bis 23.10.2006 Arbeitslosengeld nach § 117 Drittes Buch Sozialgesetzbuch - SGB III - in Höhe von täglich 33,85 EUR. Dem Arbeitslosengeld lagen ein Bemessungsentgelt von täglich 93,43 EUR und ein Leistungsentgelt von täglich 56,41 EUR zugrunde. Im Versicherungsverlauf des Klägers liegen vom 01.04.2006 bis 23.10.2006 von der Bundesagentur für Arbeit gemeldete Zeiten vor.

Einem Antrag auf medizinische Reha, der vom 16.08.2006 datierte, wurde von der Beklagten noch im August stattgegeben. Die Entscheidung über den Antrag auf Förderung der Teilhabe am Arbeitsleben, der von der Bundesagentur für Arbeit am 04.08.2006 an die Beklagte weitergeleitet worden war, wurde am 29.08.2006 zunächst bis zum Ende der medizinischen Rehabilitation zurückgestellt.

Der Kläger nahm ab 24.10.2006 bis 06.12.2006 an dem Heilverfahren teil. Das Übergangsgeld betrug 33,85 EUR pro Kalendertag; die Berechnung war nach § 21 Abs. 4 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) i.V.m. § 47b Abs.1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) erfolgt, wonach das Übergangsgeld in Höhe des zuvor bezogenen Arbeitslosengeldes festgestellt wurde.

Im Reha-Entlassungsbericht wurde festgehalten, dass aufgrund der antidepressiven Medikation eine Tätigkeit als Fahrlehrer oder Busfahrer derzeit nicht möglich sei. Die Beklagte erklärte sich am 18.01.2007 grundsätzlich für Teilhabeleistungen "zuständig". Schließlich nahm der Kläger vom 07.05.2007 bis zum 25.01.2008 an einer von der Beklagten bewilligten Leistung zur Teilhabe im Berufsförderungsinstitut P. (praxisorientierte Reintegration) in W. teil.

Auf interne Anfrage teilte der sozialmedizinische Dienst mit, dass bereits im Zeitpunkt der Entlassung aus der medizinischen Reha am 06.12.2006 Maßnahmen zur beruflichen Reha angezeigt waren. Daraufhin bewilligte die Beklagte mit Bescheid vom 11.06.2007 Zwischenübergangsgeld bis zum Beginn der beruflichen Rehabilitation (Zeitraum vom 07.12.2006 bis zum 06.05.2007) in derselben Höhe wie zuvor (33,85 EUR).

Das für die Zeit vom 07.05.2007 bis 25.01.2008 bewilligte Übergangsgeld in Höhe von kalendertäglich 30,37 EUR wurde mit Bescheid vom 11.05.2007 nach den Bestimmungen der §§ 46 ff Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) berechnet. Der letzte Arbeitgeber, das Omnibusunternehmen G., hatte auf Nachfrage der Beklagten für den letzten abgerechneten Zeitraum vor Beginn der Maßnahme (1. bis...

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