Entscheidungsstichwort (Thema)

Eingruppierung von Kesselwärtern

 

Leitsatz (redaktionell)

Hochdruckkesselanlagen im Sinne der Lohngruppe IX Fallgruppen 14 des MTL II sind nur Dampfkesselanlagen mit einem Dampfkessel der Gruppe IV im Sinne der Dampfkesselverordnung vom 27. Februar 1980 (BGBl I, S. 173).

 

Normenkette

MTL II Lohngruppe IX Fallgruppen 14.2; MTL II Lohngruppe IX Fallgruppen 14.3; MTL II Lohngruppe IX Fallgruppen 14.4

 

Verfahrensgang

Hessisches LAG (Urteil vom 22.12.1989; Aktenzeichen 13 Sa 1615/88)

ArbG Frankfurt am Main (Urteil vom 24.09.1986; Aktenzeichen 14 Ca 632/82)

 

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 22. Dezember 1989 – 13 Sa 1615/88 – wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Der 57 jährige Kläger, der der Gewerkschaft ÖTV als Mitglied angehört, hat am 21. April 1977 eine verwaltungseigene Prüfung im tariflich anerkannten Ausbildungsberuf des Schlossers abgelegt. Seit 1. Januar 1981 steht er als Arbeiter in den Diensten des beklagten Landes. Er erhält Vergütung nach Lohngruppe VIII a MTL II.

Der Kläger ist in der Energiezentrale des Klinikums der … Universität in F. tätig, die das Klinikum mit Wärme, Kälte, Brauchwasser und Reindampf versorgt. Der Kläger verrichtet Wechselschichtarbeit und ist widerruflich zum Vorarbeiter bestellt worden. Ihm sind zwei weitere Arbeiter unterstellt. In der Energiezentrale findet keine Wärmeerzeugung durch Verbrennung (etwa fossiler Brennstoffe), durch Nutzung elektrischer Energie oder atomare Umwandlungsprozesse statt. Vielmehr handelt es sich bei der Energiezentrale um eine Fernheizverteilungs- und Reindampferzeugungsanlage, die vom Heizkraftwerk der Stadt Frankfurt am Main von außen mit hochgespanntem Heißdampf (17 atü, 260 Grad) beliefert bzw. beschickt wird.

In der Energiezentrale erfolgt die Dampfverteilung und Dampfreduzierung auf 11 atü für Heizwasser und 1 atü für Kältemaschinen bei einer Kapazität von 75 Millionen kcal/h. Die Wärmeabnahme der Energiezentrale und deren Versorgungsleistung entsprechen dem Verbrauch von 5.000 Einfamilienhäusern oder 15.000 Einwohnern.

Mit der Klage begehrt der Kläger Lohn nach Lohngruppe IX MTL II. Hierzu hat er vorgetragen, bei der Energiezentrale des Universitätsklinikums, in der er tätig sei, handele es sich um eine Hochdruckkesselanlage und eine Fernheizanlage im tariflichen Sinne. Damit kämen für ihn die Fallgruppen 14.2, 14.3 und 14.4 der Lohngruppe IX MTL II in Betracht. Er sei sowohl als Schalttafelwärter tätig als auch als Schichtführer im tariflichen Sinne anzusehen.

Der Kläger hat beantragt

festzustellen, daß das beklagte Land verpflichtet ist, an den Kläger ab 1. November 1981 Lohn nach Lohngruppe IX MTL II zu zahlen und die rückständigen Differenzbeträge mit 4 v.H. zu verzinsen.

Das beklagte Land hat beantragt, die Klage abzuweisen. Es hat vorgetragen, der Kläger verfüge nicht über die in der Lohngruppe IX MTL II geforderte Berufsausbildung. Darüber hinaus handele es sich bei der Energiezentrale, in der der Kläger tätig sei, nicht um eine Hochdruckkesselanlage im tariflichen Sinne. Der Kläger sei auch nicht als Schalttafelwärter oder Schichtführer tätig.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers mit seinem ersten Berufungsurteil vom 6. November 1987 – 13 Sa 168/87 – zurückgewiesen. In der Revisionsinstanz hat der Kläger seine Zinsforderung auf die Nettodifferenzbeträge ab Rechtshängigkeit (29. Dezember 1982) beschränkt. Durch Urteil vom 31. August 1988 – 4 AZR 133/88 – (AP Nr. 5 zu § 21 MTL II) hat der Senat das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Nach Einholung eines Sachverständigengutachtens hat das Landesarbeitsgericht die Berufung des Klägers erneut zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seinen im ersten Revisionsverfahren gestellten Klageantrag weiter. Das beklagte Land beantragt Zurückweisung der Revision.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet. Die Vorinstanzen haben die Klage mit Recht abgewiesen. Das beklagte Land ist nicht verpflichtet, dem Kläger Lohn nach Lohngruppe IX MTL II zu zahlen. Denn der Kläger erfüllt kein Merkmal dieser Lohngruppe. Insbesondere ist er nicht an einer Hochdruckkesselanlage im tariflichen Sinne tätig.

Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien finden kraft beiderseitiger Tarifbindung die Vorschriften des Manteltarifvertrags für Arbeiter der Länder (MTL II) in ihrer jeweiligen Fassung mit unmittelbarer und zwingender Wirkung Anwendung (§ 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 Satz 1 TVG). Danach kommen für die Eingruppierung des Klägers folgende Merkmale der Lohngruppe IX MTL II in Betracht:

14. In Fernheiz- und Heizkraftwerken

14.1 …

14.2 Kesselwärter (Heizer)

  1. mit abgeschlossener Ausbildung als Schlosser oder in einem artverwandten anerkannten metallverarbeitenden oder in einem anerkannten elektrotechnischen Ausbildungsberuf mit einer Ausbildungsdauer von mindestens zweieinhalb Jahren oder
  2. mit Kesselwärterprüfung

an Hochdruckkesselanlagen, die zugleich Schalttafelwärter sind

14.3 Kesselwärter (Heizer)

  1. mit abgeschlossener Ausbildung als Schlosser oder einem artverwandten anerkannten metallverarbeitenden oder einem anerkannten elektrotechnischen Ausbildungsberuf mit einer Ausbildungsdauer von mindestens zweieinhalb Jahren oder
  2. mit Kesselwärterprüfung

an Hochdruckkesselanlagen, die zugleich Schichtführer sind

14.4 Schichtführer an Hochdruckkesselanlagen

14.5 …

In seinem ersten Revisionsurteil hat der Senat entschieden, daß der Kläger die subjektiven Voraussetzungen der Fallgruppen 14.2 und 14.3 (Ausbildung) der Lohngruppe IX MTL II erfüllt. Ferner hat der Senat entschieden, daß die Merkmale der Fallgruppe 14 der Lohngruppe IX MTL II aufgrund ihrer Überschrift sowohl für Arbeiter in Heizkraftwerken als auch für Arbeiter in Fernheizwerken gelten und es sich bei der Energiezentrale des Universitätsklinikums, in der der Kläger tätig ist, um eine Fernheizanlage handelt, die nach der Vorbemerkung Nr. 3 zum Lohngruppenverzeichnis des MTL II einem Fernheizwerk im Sinne der Eingruppierungsmerkmale gleichgestellt ist. An diese rechtliche Beurteilung ist der Senat auch im jetzigen Revisionsverfahren gebunden (BAGE 36, 1, 5 = AP Nr. 2 zu § 87 BetrVG 1972 Provision, mit weiteren Nachweisen). Damit steht fest, daß der Kläger nach Lohngruppe IX MTL II eingruppiert werden kann, wenn er die übrigen Merkmale der Fallgruppen 14.2, 14.3 oder 14.4 erfüllt.

Dies ist jedoch zu verneinen. Sämtliche für den Kläger in Betracht kommenden Fallgruppen (14.2, 14.3 und 14.4) setzen voraus, daß er an einer Hochdruckkesselanlage tätig ist. Diese Voraussetzung sieht das Landesarbeitsgericht beim Kläger als nicht erfüllt an und bezieht sich hierbei auf ein von ihm eingeholtes Sachverständigengutachten des Prof. Dr. Ralf L., Danach fehle es in der Energiezentrale des Universitätsklinikums an dem die „Hochdruckkesselanlage” aus technischer Sicht maßgeblich bestimmenden Element des „Kessels” bzw. der „Kesselanlage”. Von einem „Kessel” im technischen Sinne könne nämlich nur dann gesprochen werden, wenn der Druckbehälter selbst mit einer Einrichtung zur Umwandlung nicht-thermischer Energie in thermische Energie von Wasser oder Dampf verbunden sei. Eine derartige Verknüpfung der Wärmeerzeugung und des Druckbehälters sei in der Energiezentrale des Universitätsklinikums nicht feststellbar. Dort habe der Sachverständige bei seiner Ortsbesichtigung keine Kessel im Sinne des allgemein gültigen technischen Fachbegriffs angetroffen, sondern allein Druckbehälter, denen die dem „Kessel” eigentümliche Ein- oder Ausrüstung zur Umwandlung nicht-thermischer Energie in thermische Energie vollständig fehle.

Mit dieser Begründung konnte sich das Landesarbeitsgericht rechtsfehlerfrei dem Sachverständigengutachten anschließen. Landesarbeitsgericht und Sachverständiger sind hierbei entsprechend der Anweisung im zurückverweisenden Senatsurteil vom technischen Fachbegriff der „Hochdruckkesselanlage” ausgegangen. Das verkennt auch die Revision nicht. Sie rügt auch nicht, daß dem Sachverständigen bei der Bestimmung des technischen Fachbegriffs Fachfehler unterlaufen sind.

Im übrigen sind die Einwände der Revision gegen die Beurteilung des Landesarbeitsgerichts und des Sachverständigen unbegründet. Die Revision meint, wenn eine Fernheizanlage einem Fernheizwerk tariflich gleichgestellt werde, dann dürfe es dem Kläger nicht zum Nachteil gereichen, daß die Fernheizanlage ohne eigentlichen Kessel ausgestattet sei. Dieser Einwand ist nur verständlich, wenn damit unterstellt wird, eine Fernheizanlage arbeite stets ohne Hochdruckkessel, so daß unter dieser Voraussetzung die Merkmale der Fallgruppen 14 von Arbeitern in Fernheizanlagen nicht erfüllt werden könnten, obwohl die Fallgruppen 14 auch für Arbeiter in Fernheizanlagen im Sinne der Vorbemerkung Nr. 3 zum Lohngruppenverzeichnis gelten. Selbst wenn man aber von einer solchen Unterstellung ausgeht, kann dies nicht dazu führen, das Merkmal der „Hochdruckkesselanlage” in den Fallgruppen 14 zu ignorieren. Der Senat hat insoweit dem Landesarbeitsgericht auch ausdrücklich die Anweisung erteilt, daß beim Begriff der Hochdruckkesselanlage vom entsprechenden technischen Fachbegriff auszugehen und im vorliegenden Fall festzustellen ist, ob dieses Merkmal erfüllt ist.

Der MTL II enthält auch keinen Anhaltspunkt dafür, daß bei Arbeitern in Fernheizanlagen auf das Merkmal der „Hochdruckkesselanlage” für ihre Eingruppierung verzichtet werden kann. Sollten tatsächlich in Fernheizanlagen aufgrund ihrer technischen Beschaffenheit niemals Hochdruckkessel vorhanden sein, dann bleiben zwar für Arbeiter in Fernheizanlagen die speziellen Eingruppierungsmerkmale der Fallgruppen 14.2, 14.3 und 14.4 unanwendbar, die eine Tätigkeit an Hochdruckkesselanlagen voraussetzen. Damit ist aber Arbeitern in Fernheizanlagen eine Eingruppierung nach den Merkmalen der Lohngruppe IX für Arbeiter in „Fernheiz- und Heizkraftwerken” (Fallgruppen 14) nicht versperrt. Vielmehr können sie insoweit folgende Merkmale erfüllen:

14.1 Arbeiter in Lohngruppe VI Nr. 1, die sich dadurch aus der Lohngruppe VIII herausheben, daß sie besonders schwierige Instandsetzungsarbeiten an komplizierten elektrischen Meß- und Regelanlagen selbständig und verantwortlich ausführen

14.5 Turbinenmaschinisten mit erfolgreich abgeschlossener Ausbildung in einem einschlägigen anerkannten Ausbildungsberuf mit einer Ausbildungsdauer von mindestens zweieinhalb Jahren, die zugleich auch Schalttafelwärter sind

Der Kläger hat vorliegend nicht geltend gemacht, daß er die Merkmale einer dieser Fallgruppen erfüllt.

Die Revision rügt weiter, daß der Sachverständige und ihm folgend das Landesarbeitsgericht den Begriff des Kessels im technischen Sinne nach der Dampfkesselverordnung vom 27. Februar 1980 (BGBl I, S. 173) bestimmt haben. Denn die Dampfkesselverordnung enge den Begriff der Dampfkesselanlagen ein, sie gelte nicht für alle Dampfkesselanlagen, wie sich insbesondere aus § 1 Abs. 5 der Verordnung ergebe. Danach gelte die Verordnung nicht für Dampfkesselanlagen, in denen Wasserdampf oder Heißwasser ausschließlich durch Wärmeabgabe von heißen Flüssigkeiten oder Dämpfen erzeugt werde. Solche Dampfkesselanlagen würden in der Energiezentrale des Universitätsklinikums, in der der Kläger tätig sei, betrieben. Damit sei der Kläger an einer Dampfkesselanlage tätig, wobei es unerheblich sei, daß diese nicht unter die Dampfkesselverordnung falle.

Auch diese Rüge der Revision ist unbegründet. Es trifft zwar zu, daß die Dampfkesselverordnung nach ihren eigenen Definitionen in § 1 nicht alle Dampfkesselanlagen erfaßt. Gleichwohl haben der Sachverständige und ihm folgend das Landesarbeitsgericht den Begriff der Kesselanlage zutreffend nach der Dampfkesselverordnung bestimmt. Dies folgt daraus, daß nach den tariflichen Merkmalen der Fallgruppen 14.2 und 14.3 der Lohngruppe IX MTL II an den Hochdruckkesselanlagen Kesselwärter tätig sind. Kesselwärter hat aber nach § 26 der Dampfkesselverordnung nur zu bestellen, wer eine Dampfkesselanlage mit einem Dampfkessel der Gruppe IV (§ 4 Abs. 4 Dampfkessel Verordnung) betreibt. Wenn die Tarifvertragsparteien in der Lohngruppe IX, der höchstmöglichen Lohngruppe für Arbeiter, in den Fallgruppen 14.2 und 14.3 den Begriff „Kesselwärter” verwenden, ist mangels anderweitiger Anhaltspunkte davon auszugehen, daß sie damit diesen Begriff in seiner fachspezifischen Bedeutung verstehen und als Kesselwärter der Lohngruppe IX nur denjenigen ansehen, der für seine Tätigkeit die entsprechende Qualifikation benötigt. Dies trifft aber nur für einen Kesselwärter zu, der eine Dampfkesselanlage mit einem Dampfkessel der Gruppe IV zu warten und zu beaufsichtigen hat. Dieser muß die für den Betrieb der Anlage erforderliche Sachkunde sowie die Kenntnis der Bedienungsvorschriften und -regelungen besitzen (§ 26 Abs. 2 Dampfkesselverordnung). Dementsprechend fordern die tariflichen Tätigkeitsmerkmale für einen Kesselwärter auch eine abgeschlossene einschlägige Ausbildung. Es kann nicht davon ausgegangen werden, daß die Tarifvertragsparteien die Tätigkeit eines Kesselwärters in der höchstmöglichen Lohngruppe IX honorieren wollen, wenn er an einer Kesselanlage eingesetzt wird, für die kein Kesselwärter bestellt werden muß. Anknüpfend an den fachspezifischen Begriff des Kesselwärters kann daher unter einer Hochdruckkesselanlage im tariflichen Sinne nur eine Dampfkesselanlage mit einem Dampfkessel der Gruppe IV verstanden werden. Gerade zu diesem Ergebnis kommt auch der Sachverständige unter fachtechnischen Gesichtspunkten. Damit hat sich das Landesarbeitsgericht rechtlich zutreffend dem Sachverständigengutachten angeschlossen.

Die weitere Rüge der Revision, das Landesarbeitsgericht habe nach § 412 Abs. 1 ZPO eine neue Begutachtung anordnen müssen, ist ebenfalls unbegründet. Das Sachverständigengutachten ist aus den angeführten Gründen rechtlich und fachlich zutreffend.

Damit ist die Klage unbegründet, so daß es nicht darauf ankommt, ob die Energiezentrale des Universitätsklinikums als eine Fernheizanlage im tariflichen Sinne anzusehen ist, was das Landesarbeitsgericht verneint.

Der Kläger hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten seiner erfolglosen Revision zu tragen.

 

Unterschriften

Schaub, Schneider, Dr. Etzel, Dr. Reinfeld, Marx

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1073631

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