Entscheidungsstichwort (Thema)

Rückzahlung einer Zuwendung. Öffentlicher Dienst. Zuwendung. Rückzahlung bei Ausscheiden zum 31. März. Gratifikation/Sondervergütung

 

Orientierungssatz

Ein Angestellter, der in einem in privater Rechtsform (GmbH) betriebenen Krankenhaus beschäftigt ist und auf dessen Arbeitsverhältnis auf Grund arbeitsvertraglicher Vereinbarung der Zuwendungs-TV Anwendung findet, muß eine Zuwendung zurückzahlen, wenn er zum 31. März des Folgejahres ausscheidet und ein Arbeitsverhältnis bei einem Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes aufnimmt. Es liegt kein Wechsel von einem Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes zu einem anderen Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes vor. Dies gilt auch dann, wenn das Krankenhaus vor einem Betriebsübergang nach § 613a BGB in öffentlich-rechtlicher Rechtsform betrieben wurde.

 

Normenkette

BGB §§ 387, 394

 

Verfahrensgang

LAG Nürnberg (Urteil vom 07.12.1999; Aktenzeichen 6 (4) Sa 813/97)

ArbG Nürnberg (Urteil vom 08.04.1997; Aktenzeichen 3 Ca 7615/96 A)

 

Tenor

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Verpflichtung der Klägerin, eine tarifliche Sonderzuwendung zurückzuzahlen.

Die Klägerin war seit Januar 1993 im Krankenhaus der Hospitalstiftung zum Heiligen Geist R…, einer Stiftung öffentlichen Rechts, als Angestellte beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis fanden auf Grund arbeitsvertraglicher Vereinbarung der BAT und die diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträge in der für den Bereich der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA) jeweils geltenden Fassung Anwendung. Mit Wirkung vom 1. Juli 1994 wurde der Betrieb des Krankenhauses der Hospitalstiftung von der Beklagten gemäß § 613a BGB übernommen. Das Arbeitsverhältnis der Klägerin ging auf die Beklagte über. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien fand der Tarifvertrag über eine Zuwendung für Angestellte vom 12. Oktober 1973 (Zuwendungs-TV) Anwendung, der ua. lautet:

“§ 1

Anspruchsvoraussetzungen

(1) Der Angestellte erhält in jedem Kalenderjahr eine Zuwendung, wenn er

1. am 1. Dezember im Arbeitsverhältnis steht und nicht für den ganzen Monat Dezember ohne Vergütung zur Ausübung einer entgeltlichen Beschäftigung oder Erwerbstätigkeit beurlaubt ist und

3. nicht in der Zeit bis einschließlich 31. März des folgenden Kalenderjahres aus seinem Verschulden oder auf eigenen Wunsch ausscheidet.

(4) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 3 und des Absatzes 3 Satz 1 letzter Halbsatz wird die Zuwendung auch gezahlt, wenn

1. der Angestellte im unmittelbaren Anschluß an sein Arbeitsverhältnis von demselben Arbeitgeber oder von einem anderen Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes in ein Rechtsverhältnis der in Absatz 1 Nr. 2 genannten Art übernommen wird,

(5) Hat der Angestellte in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 3 oder Absatzes 3 Satz 1 letzter Halbsatz die Zuwendung erhalten, so hat er sie in voller Höhe zurückzuzahlen, wenn nicht eine der Voraussetzungen des Absatzes 4 vorliegt.”

Außerdem haben die Tarifvertragsparteien folgende Protokollnotizen zu § 1 Zuwendungs-TV vereinbart:

“1 …

2. Öffentlicher Dienst im Sinne des Absatzes 1 Nr. 2, des Absatzes 2 Satz 1 und des Absatzes 4 Nr. 1 ist eine Beschäftigung

a) beim Bund, bei einem Land, bei einer Gemeinde oder bei einem Gemeindeverband oder bei einem sonstigen Mitglied eines Arbeitgeberverbandes, der der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände angehört,

b) bei einer Körperschaft, Stiftung oder Anstalt des öffentlichen Rechts, die den BAT/BAT-O oder einen Tarifvertrag wesentlich gleichen Inhalts anwendet.“

Die Beklagte zahlte der Klägerin für das Jahr 1995 eine Sonderzuwendung in Höhe von 2.891,93 DM nach dem Zuwendungs- TV.

Die Klägerin hat das Arbeitsverhältnis ordentlich zum 31. März 1996 gekündigt und ab 1. April 1996 ein neues Arbeitsverhältnis bei der Lebenshilfe für Behinderte, Kreisvereinigung N… e.V. begründet, die dem Kommunalen Arbeitgeberverband Bayern, einer Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände, angehört. Die Beklagte hat daraufhin die Sonderzahlung in voller Höhe mit dem Gehalt der Klägerin für den Monat März 1996 verrechnet. Die Klägerin verlangt die Auszahlung des einbehaltenen Betrages.

Sie hat die Auffassung vertreten, der Beklagten stehe kein Rückzahlungsanspruch zu, weil sie von einem Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes zu einem anderen Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes gewechselt sei und in einem solchen Fall die Rückforderung der Zuwendung tariflich ausgeschlossen sei.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 2.891,93 DM nebst 4 % Zinsen hieraus seit dem 31. März 1996 zu zahlen.

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt.

Sie hat die Meinung vertreten, der Anspruch auf Rückzahlung der Sonderzuwendung bestehe, weil sie kein Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes im Sinne des Zuwendungs- TV sei.

Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht haben die Klage abgewiesen. Mit der zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihren Klageantrag weiter. Die Beklagte bittet um Zurückweisung der Revision.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision der Klägerin ist begründet. Sie führt zur Aufhebung und Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Landesarbeitsgericht zur weiteren Sachaufklärung.

  • Das Landesarbeitsgericht hat einen Anspruch der Beklagten auf Rückzahlung der der Klägerin für das Jahr 1995 gewährten Sonderzuwendung bejaht und deshalb die Aufrechnung mit dem Gehalt für den Monat März 1996 für rechtens erachtet. Die Klägerin sei auf Grund Eigenkündigung zum 31. März 1996 aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschieden, so daß der Rückzahlungsanspruch der Beklagten gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 5 Zuwendungs- TV gegeben sei. Die Voraussetzungen der Ausnahmevorschrift des § 1 Abs. 4 Nr. 1 Zuwendungs- TV seien nicht erfüllt. Die Klägerin sei nicht in unmittelbarem Anschluß von einem Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes zu einem Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes im Sinne von § 1 Abs. 1 Nr. 2 Zuwendungs- TV gewechselt. Zwar sei die Lebenshilfe für Behinderte e.V. als neuer Arbeitgeber der Klägerin aufgrund der Mitgliedschaft im Kommunalen Arbeitgeberverband Bayern, der der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände angehört als zum öffentlichen Dienst zugehörig anzusehen. Doch sei die Beklagte als privatrechtlich organisierte GmbH dem öffentlichen Dienst nicht zuzurechnen.

    Diese Ausführungen zum tariflichen Rückzahlungsanspruch sind revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

  • Gleichwohl ist die Klage teilweise begründet. Der Anspruch der Klägerin auf Auszahlung der einbehaltenen Sonderzuwendung besteht nur in der Höhe in der die Beklagte den Anspruch auf Rückzahlung der Zuwendung auch mit dem unpfändbaren Teil der Gehaltsforderung der Klägerin für den Monat März 1996 verrechnen kann.

    • Die Beklagte hat gegen die Klägerin gemäß § 1 Abs. 5, Abs. 1 Nr. 3 Zuwendungs- TV einen Anspruch auf Rückzahlung der für das Jahr 1995 gewährten Zuwendung. Nach dieser Vorschrift besteht ein Anspruch auf Rückzahlung einer Zuwendung, wenn der Arbeitnehmer bis einschließlich 31. März des auf die Auszahlung folgenden Kalenderjahres auf eigenen Wunsch ausscheidet. Diese Voraussetzung ist im vorliegenden Fall gegeben. Die Klägerin ist aufgrund ihrer Eigenkündigung zum 31. März 1996 aus dem Arbeitsverhältnis mit der Beklagten ausgeschieden.
    • Zu Unrecht meint die Revision, die Ausnahmeregelung des § 1 Abs. 5 iVm. Abs. 4 Nr. 1 Zuwendungs- TV sei vorliegend gegeben. Danach entfällt der Rückzahlungsanspruch, wenn der Angestellte in unmittelbarem Anschluß an sein Arbeitsverhältnis von einem anderen Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes in ein Rechtsverhältnis der in Abs. 1 Nr. 2 des Zuwendungs- TV genannten Art übernommen wird. Die Auslegung des Tarifbegriffs “Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes” ergibt, daß die Klägerin nicht von einem Arbeitgeber zu einem anderen Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes gewechselt ist.

      • Was die Tarifvertragsparteien unter einem “Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes” verstehen, haben sie in Ziff. 2 der Protokollnotizen zu § 1 zum Zuwendungs- TV niedergelegt. Nach der dort geregelten Begriffsbestimmung ist zwar die Lebenshilfe für Behinderte, Kreisvereinigung N… e.V. als neuer Arbeitgeber der Klägerin als Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes anzusehen, weil er als Mitglied im Kommunalen Arbeitgeberverband Bayern einer Vereinigung des Kommunalen Arbeitgeberverbands angehört.
      • Gleichwohl ist die Klägerin nicht in unmittelbarem Anschluß an ihr Arbeitsverhältnis bei der Beklagten von einem anderen Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes übernommen worden. Die Beklagte ist kein Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes. Die Lebenshilfe für Behinderte ist damit kein anderer Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes.

        Die Beklagte erfüllt keine der in Ziff. 2a und b der Protokollnotizen ausdrücklich genannten Begriffsbestimmungen. Die Beklagte ist ein in privatrechtlicher Rechtsform organisierter Arbeitgeber. Ein solcher Arbeitgeber wird nicht dadurch in das in § 1 Abs. 4 Zuwendungs-TV geregelte Prinzip der Einheit des öffentlichen Dienstes mit einbezogen, daß er, wie vorliegend, den BAT oder einen Tarifvertrag wesentlich gleichen Inhalts anwendet (vgl. BAG 7. Februar 1996 – 10 AZR 445/95 – AP BGB § 611 Kirchendienst Nr. 23 = EzA BGB § 611 Kirchliche Arbeitnehmer Nr. 42; 23. Juni 1993 – 10 AZR 567/92 – AP §§ 22, 23 BAT Zuwendungs-TV Nr. 6 = EzA BGB § 133 Nr. 18). Tarifrechtlich unmaßgeblich ist auch, daß die Beklagte als gemeinnützige GmbH tätig ist. Der gemeinnützige Zweck einer GmbH verändert nicht ihren Charakter als juristische Person des Privatrechts (vgl. Ulmer in Hachenburg GmbHG 8. Aufl. § 1 Rn. 22 ff.; Bartl in Bartl/Fichtelmann/Henkes/Schlarb/Schulze GmbH-Recht 4. Aufl. § 1 Rn. 6 f.). Ebenso unmaßgeblich ist es, wenn Körperschaften des öffentlichen Rechts, hier ggf. Kommunen, Gesellschafter sind oder der privatrechtlich organisierte Arbeitgeber aus öffentlichen Mitteln finanziert wird (vgl. BAG 7. Februar 1996 aaO).

        Die Beklagte erfüllt auch nicht dadurch die tarifliche Begriffsbestimmung “Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes”, daß die Klägerin seit dem 1. Januar 1993 bei der Hospitalstiftung zum Heiligen Geist R…, einer Stiftung öffentlichen Rechts, als Angestellte beschäftigt war, auf dieses Arbeitsverhältnis der BAT und die diesen ergänzenden Tarifverträge in der jeweils geltenden Fassung Anwendung fanden und der Betrieb des Krankenhauses der Hospitalstiftung von der Beklagten nach § 613a BGB übernommen wurde und das Arbeitsverhältnis der Klägerin auf die Beklagte übergegangen ist.

        Beim Betriebsübergang gemäß § 613a BGB führt die vorgeschriebene Wahrung der Ansprüche der übernommenen Arbeitnehmer nicht dazu, daß auch der Status der Rechtspersönlichkeit des bisherigen Arbeitgebers mit übergeht (vgl. Böhm/Spiertz/Sponer/Steinherr BAT Teil III Stand Dezember 2000 3.1 § 1 Zuwendung Rn. 25c). Dadurch, daß ein Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes einen Teil seines Betriebes ausgliedert und auf einen Arbeitgeber überträgt, der in einer privatrechtlichen Rechtsform organisiert ist, wird dieser als Erwerber nicht in die Einheit des öffentlichen Dienstes miteinbezogen. Eine Einbeziehung eines Arbeitgebers in den öffentlichen Dienst erfolgt tarifrechtlich allein und ausschließlich durch Erfüllung des Tarifbegriffs “öffentlicher Dienst” im Sinne der Ziff. 2 der Protokollnotizen. In dieser Begriffsbestimmung ist der Tatbestand des Betriebsübergangs von einem Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes zu einem privatrechtlich organisierten Arbeitgeber jedoch nicht als ein Fall der Einheit des öffentlichen Dienstes geregelt.

    • Da die Beklagte somit gegen die Klägerin einen tariflichen Anspruch auf Rückzahlung der Sonderzuwendung hat, durfte sie grundsätzlich gegen den Gehaltsanspruch der Klägerin für den Monat März 1996 aufrechnen (§ 387 BGB). Jedoch mußte sie dabei beachten, daß keine Aufrechnung gegen unpfändbare Forderungen möglich ist (§ 394 BGB, §§ 850 ff. ZPO). Dieses Aufrechnungsverbot hat die Beklagte verletzt, als sie die Aufrechnung in voller Höhe vornahm. Auch das Landesarbeitsgericht hat die Prüfung der Pfändungsfreigrenzen unterlassen. Dieser Rechtsfehler führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils. Eine Entscheidung der Sache durch das Revisionsgericht ist mangels Tatsachenfeststellungen zu den Pfändungsfreigrenzen nicht möglich. Dies führt zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Landesarbeitsgericht, zur Prüfung, in welcher Höhe die Gehaltsforderung der Klägerin für den Monat März 1996 pfändbar und damit aufrechenbar war. In Höhe des unpfändbaren Teils der Gehaltsforderung ist die Klage begründet.
 

Unterschriften

Dr. Freitag, Dr. Jobs, Marquardt, Trümner, Burger

 

Fundstellen

Haufe-Index 892413

DB 2002, 383

NWB 2001, 3067

ARST 2001, 211

ZTR 2001, 320

EzA

PersR 2001, 313

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