Entscheidungsstichwort (Thema)

Vergütungsanspruch eines Oberarztes gegen Chefarzt

 

Normenkette

BGB §§ 611, 615; AVR Caritas § 5 Abs. 3 S. 3; Berufsordnung für die Ärzte in Nordrhein-Westfalen § 16 Abs. 2

 

Verfahrensgang

LAG Hamm (Urteil vom 10.08.1992; Aktenzeichen 19 Sa 467/92)

ArbG Herne (Urteil vom 19.02.1992; Aktenzeichen 2 Ca 1540/91)

 

Tenor

1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 10. August 1992 – 19 Sa 467/92 – wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob der Beklagte verpflichtet ist, den Kläger an dem privatärztlichen Liquidationserlös zu beteiligen.

Der Kläger war aufgrund schriftlichen Anstellungsvertrages vom 11. Juli 1983 seit dem 1. September 1983 als Erster Oberarzt und Chefarztvertreter in der chirurgische Abteilung des St. Vincenz-Krankenhauses in D., dessen Trägerin die katholische Kirchengemeinde St. Amandus in D. ist, tätig. Auf das Arbeitsverhältnis des Klägers fanden die Richtlinien für Arbeitsverträge in den Einrichtungen des Deutschen Caritasverbandes (AVR) Anwendung. Der Kläger erhielt eine Vergütung nach Vergütungsgruppe 1 a der Anlage 2 zu den AVR. Das Arbeitsverhältnis des Klägers endete durch gerichtlichen Vergleich einvernehmlich mit dem 31. März 1991, nachdem der Krankenhausträger fristlos, hilfsweise fristgemäß zum 31. März 1991 gekündigt und dem Kläger jedes weitere Tätigwerden im Krankenhaus untersagt hatte.

Der Beklagte ist seit 1975 Leitender Arzt der chirurgischen Abteilung. Ihm steht aufgrund des Anstellungsvertrages vom 21. Mai 1982 für bestimmte privatärztliche Leistungen im stationären Bereich und für die ambulante Behandlung von Privatpatienten ein eigenes Liquidationsrecht zu. Sein Dienstvertrag enthält dazu in Nr. 4.12 folgende Regelungen:

„Die Ausübung der freiberuflichen Nebentätigkeit ist dem Arzt nur gestattet, soweit seine dienstliche Haupttätigkeit dies zuläßt und darüber hinaus der allgemeine Dienstbetrieb dadurch nicht beeinträchtigt wird.

Unter der gleichen Voraussetzung ist der Arzt berechtigt, die Einrichtungen des Krankenhauses, die nachgeordneten Ärzte, das Pflegepersonal und die medizinisch-pflegerischen Hilfskräfte für seine freiberuflichen Nebentätigkeiten innerhalb des Krankenhauses in Anspruch zu nehmen.

Die Beschäftigung von Personen, die nicht vom Träger eingestellt sind, ist dem Arzt nicht gestattet.”

Weiter heißt es in Nr. 5.32 des Dienstvertrages zur Regelung des Vertretungsfalles:

„Der Arzt regelt bei Dienstabwesenheit seine Vertretung in der Nebentätigkeit (Nr. 4 dieses Vertrages) im Einvernehmen mit dem Träger. Die Kosten dieser Vertretung trägt der Arzt.”

Soweit der Beklagte für seinen eigenen Liquidationsbereich die Tätigkeit des Klägers in Anspruch nahm, zahlte er diesem als pauschale Abgeltung einen monatlichen Festbetrag von 1.400,00 DM. Die Zahlungen wurden in eine gesonderte Lohnsteuerkarte eingetragen, die unter der Rubrik „Anschrift des Arbeitgebers” den Stempel und die Unterschrift des Beklagten trägt. Nachdem der Krankenhausträger dem Kläger fristlos gekündigt hatte, stellte der Beklagte die Zahlungen an den Kläger ein. Ein Arbeitsangebot des Klägers vom 8. November 1990 lehnte er ab.

Der Kläger verlangt vom Beklagten die Weiterzahlung der monatlichen Abgeltung von 1.400,00 DM für die Zeit vom 8. November 1990 bis zum 31. März 1991. Er hat die Auffassung vertreten, zwischen ihm und dem Beklagten habe ein eigenständiges Arbeitsverhältnis bestanden, das von seinem Arbeitsverhältnis mit dem Krankenhausträger unabhängig gewesen sei. Das Arbeitsverhältnis mit dem Beklagten sei dadurch zustande gekommen, daß er sich verpflichtet habe, die Privatpatienten des Beklagten nach dessen Weisung zu behandeln, und daß der Beklagte ihm für diese Tätigkeit eine monatliche Vergütung in Höhe von 1.400,00 DM gezahlt habe. Seitens des Krankenhausträgers sei er für diese Aufgaben lediglich freigestellt worden. Eine Zahlungsverpflichtung folge außerdem aus § 15 Abs. 2 der Berufsordnung für die deutschen Ärzte und § 25 des Krankenhausgesetzes des Landes Nordrhein-Westfalen.

Die Kündigung durch den Krankenhaus träger vom 12. November 1990 habe das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht beendet. Soweit er, der Kläger, nach Ausspruch der Kündigung nicht mehr für den Beklagten habe tätig werden können, beruhe dies allein darauf, daß er das Krankenhaus nicht mehr habe betreten dürfen. Dabei handele es sich um eine von ihm nicht zu vertretende Betriebsstörung, die nach den Grundsätzen der Betriebsrisikolehre zu Lasten des Beklagten gehe.

Der Kläger hat beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, an ihn 7.000,00 DM brutto abzüglich am 31. Dezember 1990 gezahlter 291,36 DM netto nebst 4 % Zinsen seit dem 26. Juni 1991 zu zahlen.

Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Er hat geltend gemacht, zwischen den Parteien habe kein Arbeitsverhältnis bestanden. Der Kläger habe seine Mitarbeit bei der Behandlung der Privatpatienten aufgrund seiner arbeitsvertraglichen Verpflichtung gegenüber dem Krankenhaus träger erbracht. Er, der Beklagte, sei seinerseits berechtigt, in seinem Liquidationsbereich das Personal des Krankenhausträgers in Anspruch zu nehmen. Die monatliche Zahlung von 1.400,00 DM habe er als Ausdruck der Anerkennung für geleistete Dienste und als Anreiz für weitere gute Zusammenarbeit freiwillig erbracht. Nach Ausspruch der fristlosen Kündigung habe es für ihn keine Veranlassung mehr gegeben, diese freiwilligen Zahlungen fortzusetzen. Die steuerrechtliche Behandlung der Geldzahlungen sei für die arbeitsrechtliche Beurteilung der Rechtsbeziehungen der Parteien ohne Bedeutung.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Dagegen richtet sich die Revision, mit der der Kläger sein Klageziel weiterverfolgt.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision bleibt ohne Erfolg.

I. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, zwischen den Parteien habe kein eigenständiger Arbeitsvertrag bestanden, wonach der Beklagte unter den Voraussetzungen des Annahmeverzugs verpflichtet wäre, die mit der Klage verlangten Zahlungen an den Kläger zu leisten. Der Kläger sei auch im Liquidationsbereich des Beklagten allein aufgrund seines Anstellungsvertrages mit dem Krankenhausträger tätig geworden. Gemäß § 5 Abs. 3 Satz 3 AVR sei der Kläger gegenüber dem Dienstgeber, dem Träger des Krankenhauses, verpflichtet gewesen, auf dessen Anordnung im Rahmen einer zugelassenen Nebentätigkeit des leitenden Arztes tätig zu werden. Der Beklagte sei wiederum aufgrund seines Anstellungsvertrages berechtigt, für die Ausübung der Nebentätigkeit innerhalb des Krankenhauses auch die nachgeordneten Ärzte in Anspruch zu nehmen. Da er andererseits dem Kläger gegenüber in ärztlichen Angelegenheiten anordnungsberechtigt gewesen sei, habe er auch im Nebentätigkeitsbereich als Stellvertreter des Krankenhausträgers in dienstlichen Angelegenheiten und nicht als Arbeitgeber der ihm nachgeordneten Ärzte gehandelt. Der Kläger sei auch gegenüber dem Krankenhausträger verpflichtet gewesen, alle Patienten, gleichgültig ob Kassen- oder Privatpatienten, zu behandeln. Das verdeutliche letztlich die Einstufung des Klägers in die Vergütungsgruppe 1 a der Anlage 2 zu den AVR, in der ausdrücklich unter Nr. 3 der ständige Vertreter des leitenden Arztes aufgeführt sei. Danach sei der Kläger mit dem Gehalt, das der Krankenhausträger an ihn gezahlt habe, auch für die Betreuung der Privatpatienten des Beklagten vergütet worden.

Arbeitsvertragliche Beziehungen der Parteien seien auch nicht dadurch begründet worden, daß der Beklagte dem Kläger monatlich einen Betrag von 1.400,00 DM gezahlt habe. Solche Zuwendungen von liquidationsberechtigten Chefärzten an nachgeordnete Ärzte, die Privatpatienten behandeln, seien allgemein üblich und entsprächen der ärztlichen Standespflicht. Die Eintragungen in der zweiten Lohnsteuerkarte seien nur von steuerrechtlicher Bedeutung, eine arbeitsrechtliche Arbeitgeberstellung lasse sich daraus nicht herleiten. Der Kläger könne seinen Anspruch schließlich auch nicht auf § 25 des Krankenhausgesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen (KHG NW) i.d.F. vom 25. Februar 1975 (GVBl 1975 S. 210) stützen. Abgesehen davon, daß § 25 KHG NW auf Krankenhäuser, die von Religionsgemeinschaften betrieben werden, nicht anwendbar sei, folge aus § 25 KHG NW grundsätzlich nur ein Anspruch gegen den Träger des Krankenhauses, nicht aber gegen den liquidationsberechtigten Arzt. Ebensowenig könne sich der Kläger auf die Berufsordnung der Ärzte stützen, da es sich bei der Vergütungszahlung um eine Standespflicht handele, deren Beurteilung in die Zuständigkeit der standesrechtlichen Schlichtungsorgane falle.

Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung stand.

II.1. Ein Vergütungsanspruch nach § 611 BGB scheidet aus, weil die Parteien nicht in arbeitsvertraglichen Beziehungen zueinander gestanden haben. Unstreitig ist zwischen den Parteien ein Arbeitsvertrag ausdrücklich nicht abgeschlossen worden. Der Kläger ist für den Beklagten in dessen Liquidationsbereich auch nicht aufgrund eines mit dem Beklagten geschlossenen Vertrages tätig geworden, sondern allein aufgrund seiner Verpflichtung gegenüber dem Krankenhausträger.

Wie der Senat bereits mehrfach ausgeführt hat, kommt bei einer Fallgestaltung wie der vorliegenden zwischen Chefarzt und nachgeordnetem Arzt kein Arbeitsverhältnis zustande (Urteil vom 14. Januar 1981 – 5 AZR 853/78 – AP Nr. 29 zu § 611 BGB Ärzte, Gehaltsansprüche, zu I der Gründe; BAGE 43, 232, 237 = AP Nr. 36 zu § 611 BGB Ärzte, Gehaltsansprüche, zu I 1 der Gründe; Urteil vom 15. November 1989 – 5 AZR 626/88 –, nicht veröffentlicht, zu II 1 der Gründe). Der Beklagte hat nach näherer Maßgabe der Nr. 4 seines Dienstvertrages ein eigenes Liquidationsrecht. Für die Ausübung seiner freiberuflichen Nebentätigkeit ist er berechtigt, die ihm nachgeordneten Ärzte in Anspruch zu nehmen. Der Kläger war als Erster Oberarzt und Chefarztvertreter beschäftigt. Dabei war er aus seinem Anstellungsvertrag mit dem Krankenhausträger verpflichtet, auch die Privatpatienten des Beklagten ärztlich zu behandeln. Der Beklagte war andererseits berechtigt, den Kläger in seinem Liquidationsbereich in Anspruch zu nehmen. Damit lag eine ausreichende Rechtsgrundlage für das Tätigwerden des Klägers im Liquidationsbereich des Beklagten vor, ohne daß es eines Arbeitsvertrages zwischen den Parteien bedurft hätte. Auch aus der Verpflichtung des Beklagten gegenüber dem Krankenhausträger, bei Dienstabwesenheit seine Vertretung in der Nebentätigkeit zu regeln und die Kosten hierfür zu tragen, folgt keine arbeitsvertragliche Bindung zwischen den Parteien.

2. Ein Arbeitsvertrag ist auch nicht dadurch zustande gekommen, daß der Beklagte dem Kläger monatlich 1.400,00 DM gezahlt hat. Der Beklagte ist insoweit seiner standesrechtlichen Pflicht gefolgt, wie sie sich aus § 15 Abs. 2 der Berufsordnung für Ärzte in Nordrhein-Westfalen ergibt. Nach dieser Bestimmung haben Ärzte, die andere Ärzte zu ärztlichen Verrichtungen bei Patienten heranziehen, denen gegenüber nur sie ein Liquidationsrecht haben, diesen Ärzten eine angemessene Vergütung zu gewähren. Eine arbeitsrechtliche Verpflichtung entsteht hieraus nicht. Der Kläger könnte sich im Verfahren vor den Gerichten für Arbeitssachen nicht auf die Berufsordnung stützen; denn diese ist Standesrecht und unterliegt gemäß §§ 2, 48 des Heil-Berufsgesetzes für Nordrhein-Westfalen vom 9. März 1989 (GVBl. 1989 S. 169 ff.) der Berufsgerichtsbarkeit (vgl. auch BAG Urteil vom 15. November 1989 – 5 AZR 626/88 – nicht veröffentlicht, zu III der Gründe).

3. Die steuerliche Behandlung der Zahlungen des Beklagten an den Kläger hat zwischen ihnen nicht zum Abschluß eines Arbeitsverhältnisses geführt. Allgemein kann durch die rein steuerliche Behandlung des Anteils der Assistenz- und Oberärzte an den Liquidationseinnahmen der Chefärzte kein privatrechtliches Vertragsverhältnis begründet werden. Davon gehen auch die Finanzbehörden aus, wenn sie für den Regelfall annehmen, daß die Mitarbeit im Liquidationsbereich im Rahmen des Dienstverhältnisses zum Krankenhausträger geschuldet wird. Lediglich dann, wenn gegenüber dem Krankenhausträger keine Verpflichtung zur Mitarbeit im Liquidationsbereich besteht, weil der Arbeitnehmer ausschließlich aufgrund einer Vereinbarung mit dem Chefarzt im Liquidationsbereich tätig wird, soll der liquidationsberechtigte Arzt für das Steuerabzugsverfahren als Arbeitgeber anzusehen sein (Erlaß des Bundesministers der Finanzen vom 27. April 1982, BStBl. I S. 530). Die steuerliche Behandlung der Anteile an Liquidationseinnahmen folgt daher der privatrechtlichen Fallgestaltung, schafft ihrerseits jedoch keine solche.

4. Schließlich kann der Kläger seinen Anspruch auch nicht aus § 25 KHG NW herleiten. Ganz abgesehen davon, daß diese Bestimmung nach dem Beschluß des Bundesverfassungsgerichts vom 25. März 1980 (– 2 BvR 208/76 – AP Nr. 6 zu Art. 140 GG) keine Anwendung findet auf Krankenhäuser, die von Religionsgemeinschaften oder ihren Einrichtungen betrieben werden, war sie für den streitbefangenen Zeitraum auch insgesamt nicht mehr in Kraft; die Neufassung des KHG NW vom 3. November 1987 (GVBl. S. 392) kennt jedoch keinen dem § 25 KHG NW vergleichbaren Anspruch nachgeordneter Ärzte.

 

Unterschriften

Dr. Thomas, Dr. Gehring, Dr. Reinecke, Dr. Hirt, Schütters

 

Fundstellen

Haufe-Index 1083428

NJW 1995, 1636

NZA 1994, 1002

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