Entscheidungsstichwort (Thema)

Vergütung für Teilnahme an Personalversammlung

 

Leitsatz (redaktionell)

§ 47 S 3 PersVG NW gewährt für die Zeit der Teilnahme an einer außerhalb der Arbeitszeit stattfindenden Personalversammlung nur einen Anspruch auf Freizeitausgleich durch entsprechende Dienstbefreiung. Einen Anspruch auf eine -zusätzliche- Vergütung begründet diese Vorschrift selbst dann nicht, wenn der Arbeitgeber die Dienstbefreiung verweigert.

 

Normenkette

BAT § 17 Abs. 5; PersVG NW § 47 S. 3

 

Verfahrensgang

LAG Hamm (Entscheidung vom 29.01.1988; Aktenzeichen 17 Sa 1487/87)

ArbG Iserlohn (Entscheidung vom 14.05.1987; Aktenzeichen 4 Ca 606/87)

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob die Klägerin für die Zeit, in der sie außerhalb ihrer individuellen Arbeitszeit an einer ordentlichen Personalversammlung bei der Beklagten teilnahm, nach § 47 Personalvertretungsgesetz für das Land Nordrhein-Westfalen (LPVG NW) Vergütung verlangen kann.

Die Klägerin steht bei der beklagten Stadt als Sozialpädagogin im Teilzeitarbeitsverhältnis mit einer Wochenarbeitszeit von 25 Stunden. Ihre regelmäßige tägliche Arbeitszeit beginnt um 7.30 Uhr und endet um 12.30 Uhr. Die Klägerin erzielt ein Bruttomonatsgehalt von 2.594,-- DM. Die Arbeitszeit der Vollzeitkräfte der Beklagten wird über Zeiterfassungsgeräte bei gleitender Arbeitszeit erfaßt. Die Kernarbeitszeit dauert bis 16.00 Uhr.

Am 17. Dezember 1986 begann um 14.30 Uhr eine vom Personalrat der Beklagten einberufene ordentliche Personalversammlung, an der die Klägerin teilnahm. Die Personalversammlung war in die Nachmittagsstunden gelegt worden, damit die Dienststellen der Beklagten am Vormittag für die Bürger zur Verfügung standen. Da der Vorsitzende des Personalrats am Ende der Personalversammlung um 16.00 Uhr die Teilnehmer darauf hingewiesen hatte, sie könnten für die Zeit der Teilnahme zwei Stunden auf ihrer Zeiterfassungskarte eintragen, beantragte die Klägerin mit Schreiben vom 21. Dezember 1986 gegenüber der Beklagten, die Zeit ihrer Teilnahme an der Personalversammlung am 17. Dezember 1986 auf die Dienstzeit dieses Tages anzurechnen. Nachdem die Beklagte dies mit Schreiben vom 9. Januar 1987 abgelehnt hatte, verlangte die Klägerin durch ihre Gewerkschaft mit Schreiben vom 27. Januar 1987 erneut die Gewährung von Freizeitausgleich für die Teilnahme an der Personalversammlung; hierauf antwortete die Beklagte bis zur Klageerhebung nicht.

Mit ihrer am 13. März 1987 eingegangenen Klage begehrt die Klägerin von der Beklagten die Zahlung von 41,44 DM brutto als Abgeltung ihrer zweistündigen Teilnahme an der Personalversammlung am 17. Dezember 1986 nach § 611 BGB, § 47 LPVG NW in Verbindung mit § 17 Abs. 5, § 35 BAT. Sie hat die Auffassung vertreten, Sinn und Zweck des § 47 LPVG NW sei es, die Teilnahme an Personalversammlungen unter entsprechender bezahlter Dienstbefreiung für alle Mitarbeiter der Dienststelle zu gewährleisten. Dies gelte auch dann, wenn die Personalversammlung zwar innerhalb der betriebsüblichen Arbeitszeit, aber außerhalb der individuellen Arbeitszeit von Teilzeitbeschäftigten stattfinde. Werde der Anspruch auf Freizeitausgleich nicht erfüllt, so verwandele er sich ebenso in einen Zahlungsanspruch, wie es § 17 Abs. 5 BAT für Überstunden vorsehe.

Die Klägerin hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an sie 41,44 DM brutto zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat im wesentlichen die Auffassung vertreten, der Klägerin stehe der Anspruch schon dem Grunde nach nicht zu, da § 47 LPVG NW nur einen Vergütungsausfall infolge der Teilnahme an einer Personalversammlung ausgleichen wolle. Die Klägerin hätte aber unstreitig am 17. Dezember 1986 in der Zeit von 14.30 Uhr bis 16.00 Uhr nicht arbeiten müssen. Überdies stehe der Klägerin allenfalls Dienstbefreiung, nicht jedoch der geltend gemachte Zahlungsanspruch zu.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben und die Berufung zugelassen. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landesarbeitsgericht die Klage abgewiesen und die Revision zugelassen. Mit ihrer Revision begehrt die Klägerin die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils. Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Klage jedenfalls im Ergebnis zu Recht abgewiesen. Dabei mag dahinstehen, ob die vom Landesarbeitsgericht gewählte Begründung in jeder Hinsicht rechtsfehlerfrei ist. Denn die auf Zahlung gerichtete Klage muß schon daran scheitern, daß für einen Zahlungsanspruch keine Anspruchsgrundlage ersichtlich ist.

1. Nachdem noch das Arbeitsgericht angenommen hatte, die Klägerin könne in entsprechender Anwendung des § 17 Abs. 5 BAT verlangen, daß ihr die nichtgewährte Dienstbefreiung nach Ablauf des Ausgleichszeitraumes in Geld abgegolten werde, hat das Landesarbeitsgericht diese Frage offengelassen, da der Klägerin schon kein Anspruch auf Dienstbefreiung zugestanden habe. Gemäß § 47 Satz 3 LPVG NW bestehe ein Anspruch auf Dienstbefreiung nur, wenn eine Personalversammlung aus dienstlichen Gründen außerhalb der Arbeitszeit stattfinden müsse. Hier habe die Personalversammlung jedoch innerhalb der Arbeitszeit stattgefunden, denn für den Begriff der Arbeitszeit im Sinne des § 47 LPVG NW komme es nicht auf die persönliche Arbeitszeit des einzelnen Arbeitnehmers, sondern auf die betriebliche Arbeitszeit und damit auf die Arbeitszeit des wesentlichen Teils der Beschäftigten an. Für innerhalb der betrieblichen Arbeitszeit stattfindende Personalversammlungen gelte gemäß § 47 Satz 2 LPVG NW lediglich das Lohnausfallprinzip. Die Klägerin habe durch die Teilnahme an der Personalversammlung keinen Lohnausfall gehabt, weil sie zu dieser Zeit ohnehin nicht habe arbeiten müssen, sondern in unbezahlter Freizeit gestanden habe.

2. Für den Entscheidungsfall kann dahinstehen, ob dieser Auslegung des § 47 LPVG NW zu folgen ist oder ob nicht vielmehr der vom Gesetz erstrebte Anreiz zur Teilnahme an einer Personalversammlung erfordert, daß auch der Arbeitnehmer, der außerhalb der für ihn geltenden individuellen Arbeitszeit an einer Personalversammlung teilnimmt, hierfür einen Freizeitausgleich durch entsprechende Dienstbefreiung erhält. Denn jedenfalls gewährt § 47 LPVG NW lediglich einen derartigen Anspruch auf Freizeitausgleich, nicht aber auf Zahlung einer Vergütung. Diesen Anspruch auf Freizeitausgleich hätte die Klägerin gerichtlich verfolgen müssen, nicht aber durfte sie allein deshalb, weil die Beklagte diesen Anspruch nicht erfüllte, auf Zahlung einer - zusätzlichen - Vergütung klagen.

Die Vorschrift des § 47 LPVG NW unterscheidet sich grundlegend von der Vorschrift des § 44 BetrVG. Während letztere in Abs. 1 Sätze 2 und 3 unter bestimmten Voraussetzungen einen Vergütungsanspruch des Arbeitnehmers für die Teilnahme an einer Betriebsversammlung gewährt, beschränkt sich § 47 LPVG NW in seinem Satz 2 auf die Anordnung der Aufrechterhaltung auch ohne die Personalversammlung gegebener Vergütungsansprüche und in Satz 3 auf die Gewährung von Freizeitausgleich. Es fehlt jeder Anhaltspunkt dafür, daß der Gesetzgeber durch § 47 LPVG NW dem Arbeitnehmer die Möglichkeit einräumen wollte, durch die Teilnahme an einer außerhalb seiner Arbeitszeit gelegenen Personalversammlung anstelle eines Freizeitausgleichs eine zusätzliche Arbeitsvergütung zu erhalten, zumal hierdurch zusätzliche finanzielle Belastungen der grundsätzlich an die Haushaltsansätze gebundenen Dienststelle entstehen würden.

3. Schon aus diesem Grunde kann entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichts auch eine analoge Anwendung der Vorschrift des § 17 Abs. 5 Satz 4 BAT, nach der für nicht ausgeglichene Überstunden die Überstundenvergütung gezahlt wird, nicht in Betracht kommen. Während Überstunden gemäß § 17 Abs. 1 BAT auf Anordnung und mithin nicht ohne Einflußmöglichkeit der Dienststelle geleistet werden, kann die Dienststelle auf Lage und Dauer von Personalversammlungen kaum einwirken. Schon hierdurch ist eine ganz andere Situation als bei § 17 Abs. 5 BAT gegeben, so daß es sich verbietet, in analoger Anwendung dieser Vorschrift eine Steigerung der Personalkosten infolge von Personalversammlungen zuzulassen.

4. Es muß daher dabei verbleiben, daß der Gesetzgeber die Rechtsstellung des Arbeitnehmers bei einer Teilnahme an einer Personalversammlung in § 47 LPVG NW abschließend geregelt und einen Übergang des Freizeitausgleichsanspruchs in einen Zahlungsanspruch gerade nicht vorgesehen hat. Es gibt auch keinen allgemeinen Rechtsgrundsatz, daß Ansprüche auf bezahlte Freizeit in Abgeltungsansprüche übergehen, wenn sie nicht in angemessener Zeit erfüllt werden.

Dr. Seidensticker Schliemann Dr. Steckhan

Dr. Johannsen Seiler

 

Fundstellen

Haufe-Index 441146

DB 1990, 42 (LT1)

RdA 1990, 58

AP § 47 LPVG NW (LT1), Nr 1

EzBAT § 17 BAT, Nr 6 (LT1)

PersR 1990, 66-67 (LT1)

PersV 1990, 354-355 (LT)

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