Entscheidungsstichwort (Thema)

Feiertag am Sonntag

 

Leitsatz (redaktionell)

Ein Angestellter, der an einem auf einen Sonntag fallenden Feiertag arbeiten muß, kann nach § 35 Abs 1 Satz 2 BAT auch dann lediglich einen Zeitzuschlag in Höhe von 35 vH und nicht von 135 vH beanspruchen, wenn er infolge der Arbeit nur den dienstplanmäßigen Zeitausgleich nach § 15 Abs 6 Unterabs 1 BAT erhält. Er hat auch keinen Anspruch auf einen zusätzlichen freien Tag (Bestätigung der Entscheidung des Senats vom 22. Septem- ber 1981, 3 AZR 330/79 = AP Nr 1 zu § 35 BAT).

 

Normenkette

TVG § 1; BAT §§ 15, 35

 

Verfahrensgang

LAG Niedersachsen (Entscheidung vom 29.08.1984; Aktenzeichen 4 Sa 74/84)

ArbG Wilhelmshaven (Entscheidung vom 13.04.1984; Aktenzeichen 2 Ca 142/84)

 

Tatbestand

Der im Jahre 1947 geborene Kläger trat im Jahre 1974 als Krankenpfleger in die Dienste des Beklagten. Er arbeitet auf der Intensivstation des Nordwest-Krankenhauses in S. Das Arbeitsverhältnis richtet sich nach dem Bundes-Angestelltentarifvertrag vom 23. Februar 1961 in seiner jeweiligen Fassung. Die Arbeitszeit ist in Schichtplänen geregelt. Sie beträgt in der

ersten Woche von Montag bis Freitag

von 6.00 Uhr bis 13.00 Uhr 35 Wochenstunden;

samstags und sonntags sind frei;

zweiten Woche von Montag bis Freitag

von 13.00 Uhr bis 20.00 Uhr 32,5 Wochenstunden

und samstags und sonntags von 6.00 Uhr bis

13.00 Uhr bzw. 13.30 Uhr oder von 13.00 Uhr

bis 20.00 Uhr, also 13,5 Stunden.

In der Doppelwoche beträgt die Arbeitszeit mithin 81 Stunden. Davon wird eine Stunde als Überstunde vergütet. Fällt ein Feiertag auf einen Sonntag, an dem der Kläger nach seinem Schichtplan arbeiten muß, so gewährt die Beklagte nur den schichtplanmäßig vorgesehenen Freizeitausgleich und zahlt einen Vergütungszuschlag von 35 %. In dieser Weise ist sie z.B. für die Arbeit am 11. April 1982 und 1. Januar 1984 verfahren. Dies hält der Kläger nicht für richtig.

Er hat die Rechtsauffassung vertreten, daß ihm für die Sonntagsarbeit entweder ein Zuschlag von 135 % zusteht oder ein zusätzlicher Feiertag und ein Vergütungszuschlag von 35 %. Die gegenteilige Rechtsprechung des Senats in seinen Entscheidungen vom 11. Dezember 1980 - 3 AZR 163/78 - AP Nr. 2 zu § 27 MTB II und vom 22. September 1981 - 3 AZR 330/79 - AP Nr. 1 zu § 35 BAT vermöge er nicht zu billigen. Sie sei auch im Schrifttum auf Kritik gestoßen.

Der Kläger hat beantragt

festzustellen, daß der Beklagte verpflich-

tet ist, die auf einen Sonntag fallenden

Wochenfeiertage entweder mit insgesamt

135 % zu vergüten, anstelle des gezahlten

Zuschlages von 35 %, oder dem Kläger einen

zusätzlichen freien Tag zu gewähren, der

nicht in die reguläre Freizeit fällt, zu-

züglich eines Zuschlages von 35 %.

Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Er hat die Auffassung vertreten, nach dem Wortlaut des Tarifvertrages erhalte der Kläger nur für einen auf einen Wochentag fallenden Feiertag einen besondern Freizeitausgleich. Dies habe der Senat in seiner bisherigen Rechtsprechung mit Recht entschieden.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung des Beklagten hat das Landesarbeitsgericht die Klage abgewiesen. Hiergegen richtet sich die Revision des Klägers.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht begründet.

I. Der Kläger begehrt die Feststellung, daß der Beklagte nach der derzeitigen Fassung des Bundes-Angestelltentarifvertrages verpflichtet ist, ihm für die Arbeit an einem auf einen Sonntag entfallenden Feiertag einen zusätzlichen freien Tag über die schichtplanmäßige Freistellung hinaus zu gewähren oder die Arbeit mit einem Zuschlag von 135 % zu vergüten. An dieser Feststellung hat der Kläger ein rechtliches Interesse. Es bestehen keinerlei Anzeichen dafür, daß der Beklagte von seiner bisherigen Tarifauslegung abweichen wird oder das Arbeitsverhältnis beendet wird, so daß diese Rechtsfrage in Zukunft nicht mehr auftreten kann. Die Feststellungsklage ist auch geeignet, in zukünftigen Fällen Rechtsklarheit zu schaffen. Eine Leistungsklage für die Vergangenheit würde für die Zukunft keine Rechtswirkungen entfalten. Insoweit geht die Feststellungsklage darüber hinaus.

II. In der Sache ist die Feststellungsklage jedoch nicht begründet. Der Kläger und mit ihm das Arbeitsgericht versuchen eine gefestigte Rechtsprechung des Senats zu erschüttern, an der jedoch festzuhalten ist.

1. Ein Anspruch auf Vergütungszuschlag für auf einen Sonntag entfallenden Feiertag ergibt sich nur aus dem Bundes-Angestelltentarifvertrag.

a) Nach § 35 Abs. 1 lit. c BAT erhält der Angestellte neben seiner Vergütung Zeitzuschläge. Sie betragen für Arbeit an Wochenfeiertagen, auch wenn diese auf einen Sonntag fallen, sowie am Ostersonntag und am Pfingstsonntag ohne Freizeitausgleich 135 %, bei Freizeitausgleich 35 %. Einen Freizeitausgleich hat jedoch der Beklagte nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts jeweils gewährt.

b) Der Kläger und das Arbeitsgericht irren, wenn sie die Auffassung vertreten, die für Sonntagsarbeit schichtplanmäßig gewährten freien Tage stellten keinen hinreichenden Freizeitausgleich dar. Von der gegenteiligen Auffassung ist der Senat bereits in seinen Entscheidungen vom 11. Dezember 1980 (- 3 AZR 163/78 - AP Nr. 2 zu § 27 MTB II mit zustimmender Anmerkung von Herschel) und vom 22. September 1981 (- 3 AZR 330/79 - AP Nr. 1 zu § 35 BAT mit zustimmender Anmerkung von Göller) ausgegangen. Diese Rechtsauffassung hat weiteren Entscheidungen des Senats vom 22. September 1981 (- 3 AZN 320/81, 3 AZN 322/81, 3 AZN 324/81 und 3 AZN 327/81 -) zugrunde gelegen, die nicht zur Veröffentlichung bestimmt waren. Diese Rechtsprechung ist entgegen der Auffassung des Klägers im Schrifttum auch nicht auf Kritik gestoßen (vgl. Clemens/Scheuring/Steingen/Wiese, BAT, Stand August 1976 und 1982, § 15 Rz 14 mit weiteren Nachweisen). Soweit Herschel Bedenken angemeldet hat, beziehen sie sich lediglich auf den Tatbestand des Urteils.

(1) Ob und in welchem Umfang Freizeitausgleich zu gewähren ist, ergibt sich aus § 15 Abs. 6 Unterabs. 1 BAT. Hiernach muß in Verwaltungen und Betrieben, deren Aufgaben Sonntags- und Feiertagsarbeit erfordern, an Sonntagen und an Wochenfeiertagen dienstplanmäßig bzw. betriebsüblich gearbeitet werden. Es sollen jedoch im Monat zwei Sonntage arbeitsfrei sein, wenn die dienstlichen oder betrieblichen Verhältnisse es zulassen. In § 15 Abs. 6 Unterabs. 2 BAT ist geregelt, daß dienstplanmäßige bzw. betriebsübliche Arbeitszeit an einem Wochenfeiertag auf Antrag des Angestellten durch eine entsprechende zusammenhängende Freizeit an einem Werktag der laufenden oder der folgenden Woche unter Fortzahlung der Vergütung und der in Monatsbeträgen festgelegten Zulagen ausgeglichen werden, wenn die dienstlichen oder betrieblichen Verhältnisse es zulassen. Wochenfeiertage sind nach § 15 Abs. 8 Unterabs. 4 BAT nur Werktage, die gesetzliche oder aufgrund gesetzlicher Vorschriften durch behördliche Anordnung zu gesetzlichen Feiertagen erklärt sind und für die Arbeitsruhe angeordnet wird. Nach dem Wortlaut des Tarifvertrages ist nur bei einem auf einen Werktag entfallenden Wochenfeiertag eine zusätzliche Vergütung oder ein zusätzlicher Feiertag zu gewähren.

(2) Dem Kläger und dem Arbeitsgericht kann auch nicht darin gefolgt werden, daß die tarifliche Regelung lückenhaft sei und einer ergänzenden Tarifauslegung dergestalt bedürfe, daß der Beklagte für einen auf einen Sonntag entfallenden Feiertag entweder einen zusätzlichen, über den Schichtplan hinausgehenden freien Tag gewähren müsse oder einen Zuschlag von 135 % zu zahlen habe.

Die Gerichte für Arbeitssachen sind zu einer ergänzenden Tarifauslegung nur dann berechtigt, wenn der Tarifvertrag eine unbewußte Regelungslücke enthält. Eine solche ist dann gegeben, wenn die Tarifvertragsparteien ein vollständiges Gesamtsystem zur Ordnung eines Lebenssachverhalts haben schaffen wollen, dabei aber Fallgestaltungen übersehen haben (BAG vom 13. Juni 1973 - 4 AZR 445/72 - AP Nr. 123 zu § 1 TVG Auslegung). Von einer unbewußten Regelungslücke kann bei dem Freizeitausgleich und der Vergütung bei für einen auf einen Sonntag entfallenden Feiertag nicht ausgegangen werden, da aus § 35 Abs. 1 lit. c BAT folgt, daß die Tarifvertragsparteien diese Fallgestaltung in ihre Erwägungen einbezogen haben.

(3) Soweit der Kläger und das Arbeitsgericht unmittelbar aus § 35 Abs. 1 lit. c BAT einen zusätzlichen Anspruch auf Freizeitausgleich bzw. einen erhöhten Zuschlag bei schichtplanmäßigem Ausgleich der Sonntagsarbeit ableiten wollen, kann der Senat dem nicht folgen.

Das Arbeitsgericht hat die Rechtsauffassung vertreten, ein Ausgleich der Feiertagsarbeit sei nur dann gegeben, wenn der Feiertag die alleinige Ursache für den gewährten Ausgleich darstelle. Der für schichtplanmäßige Sonntagsarbeit gewährte Ausgleich könne mithin keinen hinreichenden Ausgleich darstellen. Zudem ergebe sich aus § 35 Abs. 1 Satz 2 lit. c BAT, daß an dieser Stelle die Tarifvertragsparteien den Begriff des Wochenfeiertages anders als in § 15 Abs. 8 BAT verstanden hätten.

Das Arbeitsgericht hat selbst erkannt, daß im systematischen Zusammenhang der Arbeitsvergütung die Tarifvertragsparteien keinen Freizeitausgleichsanspruch regeln, wenn sie hierfür eine besondere Regelung im Tarifvertrag vorgesehen haben. Im übrigen sind seine Ausführungen nicht folgerichtig. In § 35 Abs. 1 Satz 2 lit. c BAT haben die Tarifvertragsparteien fingiert, daß Wochenfeiertage auch auf einen Sonntag fallen können. Wenn sie aber gleichwohl im folgenden von Ausgleich sprechen, ohne eine besondere Ausgleichsregelung zu schaffen, so erweist dies zwingend, daß der für den Sonntag gewährte Ausgleich auch den Feiertagsausgleich mitumfassen kann.

2. Dem Kläger steht auch kein besonderer Freizeitausgleich zu, wenn er an einem auf einen Sonntag entfallenden Feiertag arbeiten mußte. Ein derartiger besonderer Ausgleich ist im BAT nicht vorgesehen, wie sich aus den Ausführungen zu II 1 der Entscheidungsgründe ergibt.

3. Damit muß es bei der bisherigen Rechtsprechung zur Auslegung von §§ 15, 35 BAT verbleiben. Lediglich aus Gründen der Billigkeit kann der Senat eine übereinstimmende Behandlung von Wochenfeiertagen und auf Sonntagen entfallenden Feiertagen nicht herbeiführen. Für das Regelungskonzept der Tarifvertragsparteien können tarifpolitisch respektable Gründe bestehen. Die auf einen Sonntag entfallende Feiertagsarbeit wird höher entlohnt. Die Schichtarbeitnehmer erhalten für auf einen Sonntag entfallenden Feiertag nur diejenige Freizeit ausgeglichen, die sie tatsächlich arbeiten mußten. Sie stehen damit wegen ihrer Dienstdauer nicht besser und nicht schlechter als solche Arbeitnehmer, die keine Schichtarbeit leisten und nicht an einem Sonntag zu arbeiten brauchten.

Schaub Griebeling Dr. Peifer

Dr. Michels Lichtenstein

 

Fundstellen

RdA 1986, 271

AP § 35 BAT (LT1), Nr 3

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