Entscheidungsstichwort (Thema)

Ausgleichszahlung. Mitarbeiter der Deutschen Welle. Anspruch eines freien Mitarbeiters der Deutschen Welle auf eine Ausgleichszahlung nach Beendigung der Tätigkeit. Öffentlicher Dienst

 

Orientierungssatz

Nach Ziff. 5.4 Satz 1 TV DW kann der Mitarbeiter eine Ausgleichszahlung verlangen, wenn er ua. mindestens ein Kalenderjahr für die Deutsche Welle wiederkehrend tätig war. Nach der Protokollnotiz zu Ziff. 5.2 ist unter “wiederkehrend” eine Tätigkeit von mindestens 72 Tagen einschließlich Urlaubstage im Kalenderjahr bei einer Beschäftigung von der Regel mindestens einen Tag in jedem Kalendermonat zu verstehen. Da die Tarifvertragsparteien den Begriff “in der Regel” nicht definiert haben, ist der allgemeine Sprachgebrauch heranzuziehen. “In der Regel” bedeutet danach “normalerweise, im allgemeinen, üblicherweise, meist, fast immer, fast ausnahmslos”.

Wer in nur zwei von acht Jahren eine Tätigkeit von je 10 Monaten aufzuweisen hat und in den übrigen sechs Jahren jeweils mehr als zwei Monate nicht tätig war, war nicht “wiederkehrend” im Tarifsinne beschäftigt.

 

Normenkette

Tarifvertrag für arbeitnehmerähnliche Personen der Deutschen Welle vom 1. Januar 1978 in der ab dem 1. Januar 1996 geltenden Fassung (TV DW) Ziff. 5.2; Tarifvertrag für arbeitnehmerähnliche Personen der Deutschen Welle vom 1. Januar 1978 in der ab dem 1. Januar 1996 geltenden Fassung (TV DW) Ziff. 5.4; Durchführungs-Tarifvertrag Nr. 1 – Urlaubstarifvertrag vom 1. Januar 1978 – i.d.F. vom 1. Januar 1992 zum TV DW vom 1. Januar 1978 i.d.F. vom 1. Januar 1992 Ziff. 1

 

Verfahrensgang

LAG Köln (Urteil vom 21.02.2001; Aktenzeichen 7 Sa 1028/00)

ArbG Köln (Urteil vom 02.03.2000; Aktenzeichen 10 Ca 8166/99)

 

Tenor

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Der Kläger war von März 1990 bis März 1997 in freier Mitarbeit für die Beklagte als Aufnahmeleiter, Regisseur und redaktioneller Mitarbeiter tätig.

Mit der Klage macht der Kläger einen Anspruch auf eine Ausgleichszahlung nach Ziff. 5.4 des Tarifvertrags für arbeitnehmerähnliche Personen der Deutschen Welle vom 1. Januar 1978 in der ab dem 1. Januar 1996 geltenden Fassung (im folgenden: TV DW) geltend.

Im TV DW heißt es:

  • Geltungsbereich

    • Dieser Tarifvertrag findet Anwendung auf Rechtsverhältnisse, die zwischen arbeitnehmerähnlichen Personen im Sinne von § 12a Tarifvertragsgesetz und der Deutschen Welle durch Dienst- oder Werkverträge begründet werden. …
  • Beginn und Dauer der Arbeitnehmerähnlichkeit

    • Beabsichtigt die Deutsche Welle die Beendigung oder wesentliche Einschränkung der Tätigkeit des Mitarbeiters, so muß die Deutsche Welle ihm dies vorher schriftlich mitteilen, wenn der Mitarbeiter mindestens ein Kalenderjahr für die Deutsche Welle wiederkehrend tätig war und im laufenden oder vorausgegangenen Kalenderjahr einen vollen Jahresurlaubsanspruch (keinen Ergänzungsanspruch) gegen die Deutsche Welle berechtigt geltend gemacht hatte oder hätte geltend machen können. Eine wesentliche Einschränkung der Tätigkeit liegt dann vor, wenn hierdurch die Gesamtvergütung bei der Deutschen Welle in einem Kalenderjahr gegenüber dem vorausgehenden Kalenderjahr um mehr als 20 % gemindert wird. Bei der Errechnung findet Ziffer 5.5 Anwendung.

      Protokollnotiz zu Ziffer 5.2

      Unter wiederkehrend ist eine Tätigkeit von mindestens 72 Tagen einschließlich Urlaubstage im Kalenderjahr bei einer Beschäftigung von in der Regel mindestens 1 Tag in jedem Kalendermonat zu verstehen.

    • Innerhalb der Fristen nach Ziffer 5.3 hat der Mitarbeiter im Falle der Beendigung der Tätigkeit Anspruch auf die tariflichen Leistungen, hinsichtlich des Entgeltes auf das monatliche Durchschnittsentgelt des Kalendervorjahres, mit der Verpflichtung zur Ausübung entsprechender ihm zeitlich und fachlich zumutbarer Tätigkeit. Auf dieses Entgelt muß sich der Mitarbeiter anrechnen lassen, was er in dieser Zeit zur Verwertung des bei der Deutschen Welle nicht in Anspruch genommenen Teils seiner Arbeitskraft bei den ARD-Anstalten und beim ZDF zusätzlich verdient. Angerechnet werden auch Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung, soweit der Versicherungsfall während des Laufes der Fristen nach Ziffer 5.3 eintritt.

      …”

Der Durchführungs-Tarifvertrag Nr. 1 – Urlaubstarifvertrag vom 1. Januar 1978 – idF vom 1. Januar 1992 zum TV DW vom 1. Januar 1978 idF vom 1. Januar 1992 bestimmt:

  • Urlaubsanspruch

    • Die unter Ziffer 1 des Tarifvertrages für arbeitnehmerähnliche Personen der DW vom 01.01.1978 fallenden Mitarbeiter der DW – soweit nicht nach Ziffer 1.3 a.a.O. ausgeschlossen – haben unter den Voraussetzungen seiner Ziffer 2 Anspruch auf einen bezahlten Urlaub. Ziffer 3 ist nicht anzuwenden.
    • Soweit tarifvertraglich nichts anderes vereinbart, gelten die Bestimmungen des Bundesurlaubsgesetzes.
    • Der volle Urlaubsanspruch entsteht erstmalig 6 Monate nach Eintritt der Voraussetzungen der Ziffer 2 des Tarifvertrages für arbeitnehmerähnliche Personen.

    …”

Die Tätigkeit des Klägers für die Beklagte stellte sich wie folgt dar:

Jahr

Anzahl der Arbeitstage

Anzahl der Monate,

in denen der Kläger für die Bekl. gearbeitet hat

1990

76

4

1991

66

7

1992

76

7

1993

81

10

1994

48

5

1995

98

10

1996

82

8

1997

25

3

In den Jahren 1990 und 1991 machte der Kläger gegenüber der Beklagten keinen Anspruch auf Urlaub geltend. In den folgenden Jahren wurden ihm jeweils 30 Urlaubstage gewährt.

Mit Schreiben vom 18. März 1997 teilte die Beklagte dem Kläger mit, daß sie aus programmlichen bzw. redaktionellen Gründen voraussichtlich nicht mehr in der Lage sei, ihn nach dem 30. September 1997 im bisherigem Umfang in freier Mitarbeit im Hörfunk- und Fernsehbereich einzusetzen. Sie beabsichtige daher eine Beendigung oder wesentliche Einschränkung seiner Tätigkeit nach diesem Zeitpunkt.

Mit Schreiben vom 10. Januar 1998 beantragte der Kläger die tarifvertragliche Ausgleichszahlung. Mit Schreiben vom 7. April 1998 teilte die Beklagte dem Kläger mit, daß ihm dieser Anspruch nicht zustehe. Er sei nicht arbeitnehmerähnliche Person gewesen, weil er nicht wiederkehrend tätig gewesen sei. Nach erneuter Prüfung unterrichtete die Beklagte den Kläger am 6. Oktober 1998 darüber, daß sie eine Ausgleichszahlung in Höhe von 2.948,42 DM leisten werde. Anrechenbar seien nach den ihr vorliegenden Unterlagen fünf Jahre. Das erste komplette Jahr “für die Arbeitnehmerähnlichkeit” sei 1992.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, es sei ein Ausgleichszeitraum von sechs Monaten zugrunde zu legen. Sein Anspruch habe sich demnach ursprünglich auf 15.886,92 DM (= Einkommen 1996 in Höhe von 31.773,80 DM : 12 × 6) belaufen. Unter Abzug des von der Beklagten zugestandenen Betrags in Höhe von 2.948,42 DM stünden ihm 12.938,50 DM zu. Er sei im Tarifsinne “wiederkehrend” für die Beklagte tätig gewesen. Soweit der Tarifvertrag auf die Beschäftigung von in der Regel mindestens einem Tag in jedem Kalendermonat Bezug nehme, sei dies nicht als rechtsbegründendes Tatbestandsmerkmal zu verstehen. Zu berücksichtigen sei zudem, daß ihm die Nichtbeschäftigung in einzelnen Monaten nicht zuzurechnen sei. Der jeweils blockweise erfolgte Einsatz sei vielmehr auf Veranlassung der Beklagten erfolgt. Die Beklagte habe im Schreiben vom 6. Oktober 1998 anerkannt, daß er sich zumindest seit 1992 in einem arbeitnehmerähnlichen Rechtsverhältnis befinde.

Der Kläger hat zuletzt beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 12.938,50 DM nebst 4 % Zinsen hieraus seit dem 31. Januar 1999 zu zahlen.

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und die Auffassung vertreten, dem Kläger stehe der geltend gemachte Anspruch nicht zu, weil er in keinem der Kalenderjahre 1990 bis 1997 jeden Monat mindestens einen Tag für sie tätig gewesen sei. Die an den Kläger vorgenommene Ausgleichzahlung sei nicht als Anerkenntnis zu verstehen. Sie habe der Vermeidung weiterer gerichtlicher Auseinandersetzungen gedient.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Der in Höhe von 9.002,64 DM eingelegten Berufung der Beklagten hat das Landesarbeitsgericht stattgegeben und unter Abweisung der weitergehenden Klage das erstinstanzliche Urteil in Höhe von 3.935,86 DM aufrechterhalten. Mit der Revision verfolgt der Kläger den Klageanspruch, soweit das Landesarbeitsgericht diesen abgewiesen hat, weiter. Die Beklagte beantragt, die Revision des Klägers zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision hat keinen Erfolg. Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht die Klage, soweit sie Gegenstand der Revision ist, als unbegründet abgewiesen.

Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf die geforderte tarifliche Leistung. Er ist für die Beklagte nicht “wiederkehrend” tätig gewesen.

  • Nach Ziffer 5.4 Satz 1 iVm. Ziffer 5.2 TV DW kann der Mitarbeiter eine Ausgleichszahlung verlangen, wenn er ua. mindestens ein Kalenderjahr für die Deutsche Welle wiederkehrend tätig war. Unter wiederkehrend ist nach der Protokollnotiz zu Ziffer 5.2 TV DW eine Tätigkeit von mindestens 72 Tagen einschließlich Urlaubstage im Kalenderjahr bei einer Beschäftigung von in der Regel mindestens einem Tag in jedem Kalendermonat zu verstehen.

    • Die erste Voraussetzung ist nicht durchgängig erfüllt. Der Kläger war in den Jahren 1990 und 1992 bis 1996 an mindestens 72 Tagen einschließlich Urlaubstage für die Beklagte tätig. Im Jahre 1991 war der Kläger für die Beklagte nur an 66 Tagen tätig. In diesem Jahr war der Kläger daher schon aus diesem Grund nicht wiederkehrend für die Beklagte tätig. Ob ihm in diesem Jahr ein Urlaubsanspruch von 30 Tagen zustand, kann dahin stehen. Denn nach der tariflichen Regelung sind nur die Urlaubstage, dh. der in Anspruch genommene Urlaub, zu berücksichtigen. Der Kläger hat 1990 und 1991 keinen Urlaubsanspruch gegenüber der Beklagten geltend gemacht.
    • Auch die zweite Voraussetzung, die Beschäftigung an in der Regel mindestens einem Tag in jedem Kalendermonat, ist nicht erfüllt.

      • Die Tarifvertragsparteien haben den Tarifbegriff “in der Regel” nicht definiert. Daher ist der allgemeine Sprachgebrauch heranzuziehen (BAG 27. September 2000 – 10 ABR 48/99 – nv., zu II B 3c der Gründe). “In der Regel” bedeutet danach “normalerweise, im allgemeinen, üblicherweise, meist, fast immer, fast ausnahmslos” (Duden Das große Wörterbuch der deutschen Sprache 2. Aufl. S 2730; Brockhaus/Wahrig Deutsches Wörterbuch Fünfter Band S 324).

        Der Kläger ist nicht meist bzw. fast immer in jedem Kalendermonat bei der Beklagten beschäftigt gewesen. Vielmehr entsprach es im Vertragsverhältnis der Parteien der Regel, daß der Kläger nicht mindestens einen Tag in jedem Kalendermonat in den einzelnen Kalenderjahren bei der Beklagten beschäftigt war. In keinem der 8 Jahre seiner Tätigkeit war er in jedem Kalendermonat bei der Beklagten beschäftigt. In keinem Jahr “fehlt” lediglich ein Monat. Nur in zwei Jahren (1993 und 1995) ist eine Beschäftigung von zehn Monaten zu verzeichnen. In allen anderen Jahren ist der Kläger mehr als zwei Monate nicht bei der Beklagten beschäftigt gewesen.

      • Die Berücksichtigung des Sinns und Zwecks der tariflichen Bestimmungen führt zu keiner anderen Betrachtung. Den tariflichen Regelungen läßt sich der Wille der Tarifvertragsparteien entnehmen, mit der Ausgleichszahlung der besonderen Bindung des Mitarbeiters an die Deutsche Welle und der sich daraus ergebenden sozialen Schutzbedürftigkeit Rechnung zu tragen. Dieser Wille kommt in dem Begriff der “wiederkehrenden Tätigkeit” und dessen Definition zum Ausdruck. Sowohl das Bestehen als auch die Dauer der Mitteilungsfrist und damit die Höhe der Ausgleichszahlung hängen von der Anzahl der Jahre, in denen ein Mitarbeiter für die Beklagte wiederkehrend tätig war, ab. Hierfür verlangt der Tarifvertrag jährlich eine Mindesttätigkeit (72 Tage). Der Tätigkeitsumfang von 72 Tagen allein genügt jedoch nicht. Die Beschäftigung soll sich kontinuierlich über das gesamte Jahr erstrecken. Daraus läßt sich entnehmen, daß der Mitarbeiter begünstigt werden soll, der ausschließlich bzw. nahezu ausschließlich für die Beklagte tätig war und deshalb keine Möglichkeit hatte, bei anderen Rundfunkanstalten (oder anderweitig) Einnahmen zu erzielen. Für Mitarbeiter, die auf Grund der zeitlichen Gestaltung der Zusammenarbeit mit der Beklagten die Möglichkeit hatten, für andere Anbieter tätig zu werden, haben die Tarifvertragsparteien keine Notwendigkeit der sozialen Absicherung durch eine Ausgleichszahlung erkannt.

        Die nach dem Tarifvertrag erforderliche Bindung des Klägers an die Beklagte bestand nicht. Er hatte 1994 in sieben, 1991 und 1992 in jeweils fünf, 1996 in vier und in den Jahren 1993 und 1995 in jeweils zwei Monaten die Möglichkeit, einer anderweitigen Erwerbstätigkeit nachzugehen. Darauf, ob er diese Möglichkeit wahrgenommen hat, kommt es nach den tariflichen Bestimmungen nicht an.

        Der Kläger beruft sich ohne Erfolg darauf, daß die blockweise Beschäftigung von der Beklagten veranlaßt worden sei. Der Tarifvertrag enthält keinen Anhaltspunkt dafür, daß dieser Umstand für die Auslegung des Tatbestandsmerkmals der wiederkehrenden Tätigkeit von Bedeutung sein soll. Auch kann nicht davon ausgegangen werden, daß der blockweise Einsatz der Mitarbeiter bei der Beklagten unüblich ist. In dem Haustarifvertrag, der speziell für arbeitnehmerähnliche Mitarbeiter der Beklagten gilt, haben die Tarifvertragsparteien vielmehr die Besonderheiten, die mit einer Beschäftigung bei einer Rundfunkanstalt verbunden sind, berücksichtigt. Sie haben für den Ausgleichsanspruch daher nicht nur einen gewissen Tätigkeitsumfang (72 Tage), sondern gerade auch die regelmäßige Beschäftigung in jedem Kalendermonat verlangt.

      • Die Beklagte hat entgegen der Auffassung der Revision die wiederkehrende Tätigkeit für die Jahre 1992 bis 1996 nicht “anerkannt”. Sie hat in dem Schreiben vom 6. Oktober 1998 an den Kläger lediglich zum Ausdruck gebracht, auf Grundlage ihrer Rechtsauffassung 2.948,42 DM an den Kläger zahlen zu wollen. Ein weitergehender Verpflichtungswille ist dem Schreiben nicht zu entnehmen. Insbesondere kann aus der Mitteilung, daß nach den ihr vorliegenden Unterlagen fünf Jahre anrechenbar seien, nicht geschlossen werden, daß sie sich gegenüber einem höheren Zahlungsbegehren des Klägers des Einwandes begeben wollte, daß die Voraussetzungen der tariflichen Anspruchsnorm nicht gegeben seien.
  • Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 97 Abs. 1 ZPO.
 

Unterschriften

Dr. Peifer, Dr. Armbrüster, Dr. Brühler, Augat, Wendlandt

 

Fundstellen

AP, 0

EzA

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