Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialkassenverfahren im Baugewerbe bis 1998. Beitragspflicht für gezahlte Abfindungen

 

Leitsatz (redaktionell)

§ 4 des TV vom 1. Januar 1996 über das Verfahren für den Urlaub, den Lohnausgleich, das Überbrückungsgeld und die Zusatzverordnung im Berliner Baugewerbe (VTV-Berlin) in der Fassung vom 1. Dezember 1996 und § 74 Abs. 2 des TV über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe (VTV) in der Fassung vom 10. Dezember 1997 sind dahin auszulegen, dass auf gezahlte Sozialplanabfindungen keine Beiträge zu den Sozialkassen des Baugewerbes anfallen. Auch steuerrechtliche Vorschriften begründen kein anderes Ergebnis. Hätten die Tarifvertragsparteien mit dem “in die Lohnsteuerkarte oder die Lohnsteuerbescheinigung einzutragenden Bruttoarbeitslohn” auch den steuerpflichtigen Teil von Abfindungen erfassen wollen, hätten sie dies im VTV zum Ausdruck bringen müssen, wie sie es in § 24 Abs. 2b VTV in der seit 1. Januar 1990 geltenden Fassung und in § 74 Abs. 2b VTV 1998 für die bei der Bescheinigung des Bruttolohns gem Abschn. 135 Abs. 2 Nr. 2d der Lohnsteuer-Richtlinien 1996 ebenfalls nicht anzugebenden Bezüge iSv. §§ 40a, 40b EStG getan haben.

 

Normenkette

BGB § 133; TVG § 1; EStG § 3 Nr. 9, § 19 Abs. 1, § 41b Abs. 1, § 2 Abs. 1 Nr. 4, § 51 Abs. 4 Nr. 1, § 39 Abs. 1 S. 1

 

Verfahrensgang

LAG Berlin (Urteil vom 11.09.2002; Aktenzeichen 15 Sa 1233/02)

 

Tenor

1. Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin vom 11. September 2002 – 15 Sa 1233/02 – wird zurückgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten der Revision zu tragen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über restliche Sozialkassenbeiträge für gewerbliche Arbeitnehmer der Rechtsvorgängerin der Beklagten für die Monate Januar 1997 und Februar, April und Mai 1998 auf den steuerpflichtigen Teil der an diese Arbeitnehmer gezahlten Abfindungen.

Die Klägerin ist die Zusatzversorgungskasse des Baugewerbes (ZVK). Sie ist als gemeinsame Einrichtung der Tarifvertragsparteien des Baugewerbes nach näherer tariflicher Maßgabe die Einzugsstelle für die Beiträge zu den Sozialkassen des Baugewerbes.

Der im Januar 1997 die Beitragsverpflichtung regelnde § 4 des Tarifvertrages vom 1. Januar 1996 über das Verfahren für den Urlaub, den Lohnausgleich, das Überbrückungsgeld und die Zusatzversorgung im Berliner Baugewerbe (VTV-Berlin) idF vom 1. Dezember 1996 definierte den als Bemessungsgrundlage vorgesehenen Bruttolohn wie folgt:

„(2) Bruttolohn ist

  1. der für die Berechnung der Lohnsteuer zugrunde zu legende und in die Lohnsteuerkarte oder die Lohnsteuerbescheinigung einzutragende Bruttoarbeitslohn einschließlich der Sachbezüge, die nicht pauschal nach § 40 EStG versteuert werden,
  2. der nach §§ 40 a und 40 b EStG pauschal zu versteuernde Bruttoarbeitslohn mit Ausnahme des Beitrags für die tarifliche Zusatzversorgung der Arbeitnehmer sowie des Beitrags zu einer Gruppen-Unfallversicherung.

Zum Bruttolohn gehören nicht die Urlaubsabgeltungen gemäß § 3 Nr. 7.1 a, c und d des Ergänzungstarifvertrages Berlin zum Bundesrahmentarifvertrag für das Baugewerbe.”

1998 galt insoweit der Tarifvertrag über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe (VTV) vom 12. November 1986 idF vom 10. Dezember 1997, der für Berlin in § 74 Abs. 2 eine gleichlautende Regelung enthielt.

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, der Begriff „Bruttoarbeitslohn” habe bewußt durch die steuerrechtlichen Tatbestände eindeutig definiert werden sollen, ohne die Definition dieses Begriffes den Gerichten in einer Vielzahl von Prozessen zu überlassen. Damit hätten die Tarifvertragsparteien auf § 41b Abs. 1 Satz 2 und 3 EStG verwiesen, wonach unter Bruttoarbeitslohn die Summe aus dem laufenden Arbeitslohn und den sonstigen Bezügen, die dem Arbeitnehmer im Kalenderjahr zugeflossen sind, zu verstehen sei. Abfindungen, soweit sie die in § 3 Nr. 9 EStG festgesetzten Höchstbeträge überstiegen, seien steuerpflichtige Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Sie stellten Entschädigungen gem. § 24 Nr. 1 EStG dar, die gem. § 34 Abs. 1 und 2 Nr. 2 EStG als außerordentliche Einkünfte mit dem hälftigen durchschnittlichen Steuersatz besteuert würden. Diese würden zwar als sonstige Bezüge bezeichnet, seien aber definiert als Arbeitslohn, der nicht als laufender Arbeitslohn gezahlt werde. Ihre Beitragspflichtigkeit werde auch durch die Regelung in § 4 Abs. 2 letzter Satz des VTV-Berlin und in § 74 Abs. 2 letzter Satz des VTV 1998 gestützt. Wenn die Tarifvertragsparteien einkommenssteuerrechtliche Bestandteile des Arbeitslohns nicht als sozialkassenbeitragspflichtigen Bruttolohn hätten behandelt wissen wollen, hätten sie diese Bestandteile ausdrücklich ausgenommen, wie es in den Fällen des § 8 Nr. 7.1 a, c, d und i BRTV-Bau geschehen sei. Erst durch den Änderungstarifvertrag zum VTV vom 18. Dezember 1998 seien mit Wirkung ab 1. Januar 1999 Abfindungen iSv. § 3 Nr. 9 EStG aus dem beitragspflichtigen Bruttolohn herausgenommen worden. Die Beitragspflichtigkeit von Abfindungen bis 1998 komme auch in dem Schreiben der IG Bauen-Agrar-Umwelt an die Klägerin vom 11. September 1998 zum Ausdruck.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen an die Klägerin 12.787,64 Euro zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen, und über einen von der Klägerin bei ihrer Beitragsforderung für Januar 1997 bereits in Abzug gebrachten Betrag Widerklage erhoben.

Sie hat geltend gemacht, es sei darauf abzustellen, wie der Begriff des Arbeitslohns nach dem allgemeinen Sprachgebrauch zu verstehen sei. Unter Arbeitslohn würden regelmäßig nur solche Leistungen des Arbeitgebers verstanden, die im Gegenseitigkeitsverhältnis zur fortlaufend erbrachten Arbeit erfolgten. Aber auch wenn auf die Eintragung auf der Lohnsteuerbescheinigung abgestellt werde, fielen nur die unter der Zeile „Bruttoarbeitslohn” einzutragenden Beträge unter die Beitragspflicht, nicht aber die gemäß Abschn. 135 der Lohnsteuer-Richtlinien zu § 41b EStG gesondert zu bescheinigenden ermäßigt besteuerten Abfindungen. Die von der Klägerin geforderte Auslegung widerspreche auch der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts und der allgemeinen Auffassung in der Literatur, nach der Abfindungen nicht als Arbeitslohn anzusehen seien, weil diese nicht als Gegenleistung für geleistete Dienste, sondern ausschließlich als Entschädigung für den Verlust des Arbeitsplatzes erfolgten. Ein entsprechendes Rechtsverständnis zeige auch die von der Klägerin an die Beklagte versandte Informationsbroschüre, in der Abfindungen nicht als beitragspflichtig aufgeführt seien. Die Einbeziehung von Abfindungen in den Bruttoarbeitslohnbegriff des VTV würde dem Zweck der Finanzierung von Sozialkassenleistungen für bestehende Arbeitsverhältnisse widersprechen, da hierdurch das Gleichgewicht zwischen Beitragszahlungen des Unternehmens und hierfür an das Unternehmen bzw. seine Arbeitnehmer zurückfließenden Leistungen der Sozialkassen nicht mehr gegeben wäre.

Das Arbeitsgericht hat durch Teilurteil die Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin blieb erfolglos. Mit ihrer vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihren Klageantrag weiter.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision der Klägerin ist unbegründet.

I. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, die von der Beklagten gezahlten Abfindungen seien nicht als Bruttoarbeitslohn iSv. § 74 VTV zu werten. „Bruttoarbeitslohn” sei Lohn für Arbeit, nicht dagegen eine Entschädigung für den Verlust des Arbeitsplatzes. Dieser Begriff sei nicht mit dem der „Einkünfte” gleichzusetzen. § 74 VTV stelle keinen Bezug zur Regelung in § 41b Abs. 1 Satz 2 und 3 EStG her. Aus der Neufassung des VTV ab Januar 1999 und auch aus dem Schreiben der IG Bauen-Agrar-Umwelt vom 11. September 1998 könne entnommen werden, daß sich die Tarifvertragsparteien zuvor des Problems der Beitragspflicht von Abfindungen nicht bewußt gewesen seien. Demnach könne sich ihr „wahrer” Wille für frühere Regelungen auch nicht aus diesem späteren Schreiben ergeben.

II. Dem folgt der Senat im Ergebnis, allerdings nur teilweise auch in der Begründung.

1. Die Auslegung des normativen Teils von Tarifverträgen folgt nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln. Auszugehen ist vom Tarifwortlaut. Zu erforschen ist der maßgebliche Sinn der Erklärung, ohne am Wortlaut zu haften (§ 133 BGB). Der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien und damit der von ihnen beabsichtigte Sinn und Zweck der Tarifnorm sind mit zu berücksichtigen, soweit sie in den tariflichen Normen ihren Niederschlag gefunden haben. Auch auf den tariflichen Gesamtzusammenhang ist abzustellen. Verbleiben noch Zweifel, können weitere Kriterien wie Tarifgeschichte, praktische Tarifübung und Entstehungsgeschichte des jeweiligen Tarifvertrages ohne Bindung an eine bestimmte Reihenfolge berücksichtigt werden. Im Zweifel ist die Tarifauslegung zu wählen, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Lösung führt (BAG 31. Juli 2002 – 10 AZR 578/01 – AP TVG § 1 Tarifverträge: Wohnungswirtschaft Nr. 3 = EzA BGB § 611 Gratifikation, Prämie Nr. 167 mwN).

2. Hiervon ausgehend ist § 4 VTV-Berlin bzw. § 74 VTV nicht dahin auszulegen, daß auch auf gezahlte Sozialplanabfindungen Beiträge zu den Sozialkassen des Baugewerbes anfielen.

a) Zutreffend ist allerdings die Ansicht der Klägerin, aus dem Umstand, daß Abfindungen für die Zeit nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses gezahlt würden, könne nicht unbedingt darauf geschlossen werden, daß diese hinsichtlich ihres zu versteuernden Anteils nicht beitragspflichtig seien. Dies belegt das von der Klägerin angeführte Beispiel der zum Teil ohne Zweifel beitragspflichtigen Urlaubsabgeltungen.

b) Zutreffend ist auch der Einwand der Klägerin, der Begriff des „Bruttoarbeitslohns” in § 4 Abs. 2 VTV-Berlin bzw. § 74 Abs. 2 VTV 1998 dürfe nicht allein nach der arbeitsrechtlichen Wortbedeutung ausgelegt werden, ohne die steuerrechtlichen Regelungen zu berücksichtigen. Dies verbietet die in diesem Zusammenhang erfolgte Verweisung des VTV auf die lohnsteuerrechtlichen Vorgaben. Entgegen der Ansicht der Klägerin führt jedoch die Berücksichtigung der steuerrechtlichen Vorschriften zu keinem anderen Auslegungsergebnis.

aa) Zwar zählen den Freibetrag gem. § 3 Nr. 9 EStG übersteigende Abfindungen zu den steuerpflichtigen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit iSv. § 2 Abs. 1 Nr. 4, § 19 Abs. 1 EStG. Gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 4 LStDV gehören sie als Entschädigungen für entgehenden Arbeitslohn bzw. die Aufgabe der Tätigkeit zum Arbeitslohn. Den Begriff des „Bruttoarbeitslohns” verwenden jedoch weder das EStG noch die LStDV.

bb) Dem in § 4 Abs. 2 VTV-Berlin bzw. § 74 Abs. 2 VTV 1998 zur Definition des beitragspflichtigen Bruttolohns herangezogenen Begriff des „Bruttoarbeitslohns” kommt durchaus eigenständige Bedeutung zu. Die Tarifvorschriften verweisen gerade nicht auf die einschlägigen Vorschriften im EStG und der LStDV zur Besteuerung von Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit bzw. von Arbeitslohn, sondern stellen speziell auf den „in die Lohnsteuerkarte oder die Lohnsteuerbescheinigung einzutragenden Bruttoarbeitslohn” ab. In diesem Zusammenhang wird jedoch in Abschnitt 135 Abs. 2 und 3 der Lohnsteuer-Richtlinien 1996 (BStBl. Teil I Sondernr. 3/1995 S. 126) und in dem vom Bundesministerium der Finanzen gem. § 51 Abs. 4 Nr. 1 EStG bestimmten, gem. § 39 Abs. 1 Satz 1 EStG verbindlichen Muster der Lohnsteuerkarten (BStBl. 1996 Teil I S. 700 und 1997 Teil I S. 733) ausdrücklich zwischen dem einzutragenden „Bruttoarbeitslohn” einerseits und ermäßigt besteuerten Entschädigungen andererseits unterschieden. „Bruttoarbeitslohn” ist gem. Abschnitt 135 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 der Lohnsteuer-Richtlinien 1996 die Summe aus dem laufenden Arbeitslohn, der für Lohnzahlungszeiträume im abgelaufenen Kalenderjahr gezahlt wurde, und den sonstigen dem Arbeitnehmer im Kalenderjahr zugeflossenen Bezügen. Bei der Bescheinigung des Bruttoarbeitslohns sind aber nicht anzugeben „ermäßigt besteuerte Entschädigungen im Sinne des § 34 Abs. 1 und 2 Nr. 2 EStG” (Abschn. 135 Abs. 2 Nr. 2a der Lohnsteuer-Richtlinien 1996). Diese Unterscheidung wird so bereits seit dem Besteuerungsjahr 1990 getroffen (vgl. BStBl. 1989 Teil I S. 263 und Sondernr. 3/1989 S. 168). Hätten die Tarifvertragsparteien mit dem „in die Lohnsteuerkarte oder die Lohnsteuerbescheinigung einzutragenden Bruttoarbeitslohn” auch den steuerpflichtigen Teil von Abfindungen erfassen wollen, hätten sie dies im VTV zum Ausdruck bringen müssen, wie sie es in § 24 Abs. 2b VTV in der seit 1. Januar 1990 geltenden Fassung und in § 74 Abs. 2b VTV 1998 für die bei der Bescheinigung des Bruttoarbeitslohns gem. Abschn. 135 Abs. 2 Nr. 2d der Lohnsteuer-Richtlinien 1996 ebenfalls nicht anzugebenden Bezüge iSv. §§ 40a, 40b EStG getan haben. Dies ist nicht geschehen. Damit ergibt die vom Wortlaut ausgehende Auslegung von § 4 Abs. 2 VTV-Berlin bzw. von § 74 Abs. 2 VTV auch unter Berücksichtigung der einschlägigen lohnsteuerrechtlichen Vorgaben die Beitragsfreiheit von Abfindungen.

c) Entgegen der Ansicht der Klägerin wird durch eine solche Auslegung der vom Bundesarbeitsgericht im Urteil vom 20. Oktober 1982 – 4 AZR 1211/79 – (BAGE 40, 262, 266) hervorgehobene Zweck, eine rechnerisch leicht nachvollziehbare und im Streitfall leicht zu beweisende Grundlage für die Beitragsberechnung zu liefern, nicht beeinträchtigt. Im Gegenteil kann aus der Lohnsteuerkarte bzw. Lohnsteuerbescheinigung sofort entnommen werden, welcher Betrag dort als „Bruttoarbeitslohn” vermerkt ist, ohne daß noch Überlegungen anzustellen wären, ob in anderen Spalten unter gänzlich anderer Bezeichnung eingetragene Arbeitgeberleistungen hinzugerechnet werden müssen. Ob eine Hinzurechnung einer immerhin als „Arbeitslohn” bezeichneten Vergütung für eine mehrjährige Tätigkeit iSv. § 34 Abs. 3 EStG geboten ist, bedarf keiner Entscheidung.

d) Aus der Änderung von § 74 Abs. 2 VTV durch den Änderungstarifvertrag vom 18. Dezember 1998 und aus dem Schreiben der IG Bauen-Agrar-Umwelt an die Klägerin vom 11. September 1998 lässt sich kein gegenteiliges Auslegungsergebnis ableiten. Die Tarifvertragsänderung als solche kann auch als die bisherige Rechtslage bestätigende und klarstellende Regelung verstanden werden. Ein gegenteiliger Wille der Tarifvertragsparteien hat, wenn er denn bei den vor dem 18. Dezember 1998 abgeschlossenen Tarifverträgen vorgelegen haben sollte, im Wortlaut der einschlägigen Tarifnormen keinen Niederschlag gefunden. Dies gilt auch für den letzten Satz von § 74 Abs. 2 VTV 1998, denn im Gegensatz zu Abfindungen gehören Urlaubsabgeltungen sehr wohl zu dem nach den Lohnsteuer-Richtlinien in der Lohnsteuerkarte als „Bruttoarbeitslohn” zu bescheinigenden Betrag; der Wille der Tarifvertragsparteien zur teilweisen Ausklammerung der Urlaubsabgeltungen aus dem der Beitragszahlung zugrundezulegenden Bruttolohn erforderte somit eine gesonderte Regelung, während Abfindungen auf Grund der Verweisung auf die lohnsteuerrechtlichen Vorgaben von vornherein nicht erfasst waren.

e) Ob das Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 9. November 1988 – 4 AZR 433/88 – (BAGE 60, 127), wonach Abfindungen weder Arbeitsentgelt iSv. § 14 SGB IV noch Bruttoarbeitslohn iSv. § 74 Abs. 2 VTV sind, unmittelbar einschlägig ist, bedarf keiner Entscheidung. Jedenfalls steht es mit der vom Senat vertretenen Auslegung im Einklang.

f) Zur Einbeziehung von steuerpflichtigen Abfindungsbeträgen in die Berechnung der Ansprüche auf Urlaubsentgelt bzw. Urlaubsabgeltung gem. der wortgleichen Regelung in § 8 Ziff. 4.2a BRTV-Bau hat bereits das Arbeitsgericht deutlich gemacht, welch fragwürdige Ergebnisse diese nach sich ziehen könnte. Bei einer Einbeziehung von Abfindungen würden Urlaubsentgelt bzw. Urlaubsabgeltung in einem nicht vorhersehbaren Umfang von dem durchschnittlichen Arbeitsverdienst losgelöst, der nach der gesetzlichen, wenn auch gem. § 13 BUrlG tarifdispositiven, Regelung in § 11 Abs. 1 BUrlG die Bemessungsgrundlage bilden soll. Eine solche mangels Sachzusammenhangs höchst ungewöhnliche Abweichung von der gesetzlichen Grundregel hätten die Tarifvertragsparteien unmissverständlich oder jedenfalls hinreichend deutlich regeln müssen, wenn sie denn gewollt gewesen wäre. Dies ist nicht geschehen. Wenn aber in die Berechnung von Urlaubsentgelt bzw. Urlaubsabgeltung gezahlte Abfindungen nicht einfließen, kann im Hinblick auf die wortgleichen Regelungen der Bemessungsgrundlage in § 4 Abs. 2 VTV-Berlin und in § 74 Abs. 2 VTV für die Berechnung der zu zahlenden Beiträge nichts anderes gelten.

3. Die Kostenfolge ergibt sich aus § 97 Abs. 1 ZPO.

 

Unterschriften

Dr. Freitag, Fischermeier, Marquardt, Bacher, Böhlo

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1480099

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