Entscheidungsstichwort (Thema)

Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall: 80% oder 100%

 

Orientierungssatz

Parallelsache ohne Langtextwiedergabe zu Urteil des BAG vom 08.09.1999 5 AZR 763/98, das vollständig dokumentiert ist.

 

Tenor

1. Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des

Landesarbeitsgerichts Saarland vom 29. April 1998 - 2 Sa 180/97 -

wird zurückgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten der Revision zu tragen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Höhe der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall.

Die Klägerin ist bei der Beklagten seit Januar 1995 als Faltschachtelhelferin beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet kraft beiderseitiger Tarifbindung der Manteltarifvertrag für die gewerblichen Arbeitnehmer/Arbeitnehmerinnen in der Papier, Pappe und Kunststoffe verarbeitenden Industrie in der Bundesrepublik Deutschland Anwendung. Im Zeitraum vom 1. Juli 1991 bis zum 31. Dezember 1996 war die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall im Manteltarifvertrag wie folgt geregelt:

"§ 11. Die Lohnfortzahlung im Falle von Erkrankungen und Unfällen,

bei Kuren und Heilverfahren sowie bei solchen Schonungszeiten,

die mit Arbeitsunfähigkeit verbunden sind, richtet sich nach

dem Gesetz über die Fortzahlung des Arbeitsentgelts im

Krankheitsfalle (Lohnfortzahlungs-gesetz) in seiner jeweiligen

Fassung.

2. Gemäß § 2 Abs. 3 Lohnfortzahlungsgesetz gelten abweichend

von der gesetzlichen Regelung für die Berechnung des

fortzuzahlenden Arbeitsentgelts einheitlich für den ganzen

Betrieb die Bestimmungen des § 15 Abschnitt III Ziffern 1 und

2 dieses Manteltarifvertrages sinngemäß.

Durch Betriebsvereinbarung kann auch festgelegt werden, daß

für die Berechnundes fortzuzahlenden Arbeitsentgelts die

gesetzlichen Bestimmungen des § 2 Abs. 1 und 2

Lohnfortzahlungsgesetz zur Anwendung kommen.

§ 15 Urlaub, Urlaubsgeld

... III. Url1. Das Urlaubsentgelt wird nach dem

Durchschnittsverdienst der letzten drei abgerechneten

Lohnperioden, mindestens der letzten 13 Wochen,

berechnet. Durch Betriebsvereinbarung kann einheitlich

für den ganzen Betrieb ein längerer Bezugszeitraum bis

zu einem Jahr festgelegt werden.

Im Falle von Kurzarbeit, einer durch kassenärztliche

Bescheinigung nachgewiesenen Erkrankung, eines Heil-

oder Kurverfahrens, einer ärztlich verordneten

Schonzeit oder eines vereinbarten unbezahlten Urlaubs

wird an Stelle des in Abs. 1 genannten Zeitraums auf

vorhergehende volle Abrechnungszeiträume

zurückgegriffen.

Einmalige Zuwendungen, auch wenn sie in Teilbeträgen

ausgezahlt werden, bleiben bei der Berechnung des

Durchschnittsverdienstes außer Betracht.

Soweit eine Lohnerhöhung in der Berechnung des

Urlaubsentgelts noch keinen Niederschlag gefunden hat,

ist eine entsprechende Aufzahlung zu leisten.

2. Die Zahl der für den einzelnen Urlaubstag zu

vergütenden Stunden beträgt eFünftel der wöchentlichen

Arbeitszeit des Arbeitnehmers nach dem Durchschnitt

der letzten drei abgerechneten Lohnperioden,

mindestens der letzten 13 Wochen.

Ist die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit auf 6

Tage verteilt, so wird für die volle Wochen

überschreitenden Urlaubstage des

Gesamturlaubsanspruchs des Arbeitnehmers ein Sechstel

der nach Abs. 1 zu ermittelnden wöchentlichen

Arbeitszeit angesetzt. Diese Regelung gilt für

Arbeitnehmer in Betrieben, in denen abwechselnd 5 und

6 Tage wöchentlich gearbeitet wird, nur in solchen

angebrochenen Urlaubswochen, in denen der Arbeitnehmer

6 Tage arbeiten würde."

Im Oktober und Dezember 1996 war die Klägerin an einzelnen Tagen arbeitsunfähig krank. Die Beklagte leistete ihr Entgeltfortzahlung im Krankheitsfalle in Höhe von 80 %. Mit der Klage macht die Klägerin weitere 20 % in rechnerisch unstreitiger Höhe von 130,20 DM brutto geltend. Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, ihr stehe aufgrund der tarifvertraglichen Regelung ein Anspruch auf ungekürzte Entgeltfortzahlung zu.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 130,20 DM brutto

nebst 4 % Zinsen aus dem sich errechnenden Nettobetrag aus 21,84

DM brutto seit dem 20. Januar 1997 und aus 108,36 DM brutto seit

dem 29. Januar 1997 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat geltend gemacht, der Manteltarifvertrag stelle keine eigenständige Anspruchsgrundlage dar. Den gesetzlichen Entgeltfortzahlungsanspruch habe sie erfüllt.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision der Klägerin ist nicht begründet.

Die Vorinstanzen haben die Klage zu Recht als unbegründet abgewiesen. Die Beklagte schuldet der Klägerin keine weitere Entgeltfortzahlung für Oktober und Dezember 1996 in Höhe von zusammen 130,20 DM brutto. Den gesetzlichen Entgeltfortzahlungsanspruch hat die Beklagte erfüllt. Ein weitergehender tarifvertraglicher Entgeltfortzahlungsanspruch im Krankheitsfall ist nicht gegeben.

I. § 12 des Manteltarifvertrages für die gewerblichen Arbeitnehmer/Arbeit-nehmerinnen der Papier, Pappe und Kunststoffe verarbeitenden Industrie in der Bundesrepublik Deutschland hat in der im Oktober und Dezember 1996 geltenden Fassung keine konstitutive Regelung des Entgeltfortzahlungsanspruchs enthalten, sondern auf die jeweiligen gesetzlichen Vorschriften über die Fortzahlung des Arbeitsentgelts im Krankheitsfalle verwiesen. Die Tarifnorm besagt lediglich, daß im Falle von Erkrankungen und Unfällen, bei Kuren und Heilverfahren sowie bei solchen Schonungszeiten, die mit Arbeitsunfähigkeit verbunden sind, sich die Lohnfortzahlung nach dem Gesetz über die Fortzahlung des Arbeitsentgelts im Krankheitsfalle (Lohnfortzahlungsgesetz) in seiner jeweiligen Fassung richtet. Diese Tarifbestimmung gibt weder nach ihrem Wortlaut noch anhand anderer Auslegungsgesichtspunkte Anlaß zu der Annahme, damit sei tarifvertraglich ein Anspruch auf eine Entgeltfortzahlung in bestimmter Höhe geregelt worden. Vielmehr hat der Tarifvertrag, wie sich aus der Bezugnahme auf die jeweilige Fassung des Gesetzes ergibt, dynamisch auf die Gesetzeslage verwiesen. Damit ist ab 1. Juni 1994 das Entgeltfortzahlungsgesetz an die Stelle des dynamisch in Bezug genommenen Lohnfortzahlungsgesetzes getreten. Dieses Gesetz hat in der ab dem 1. Oktober 1996 geltenden Fassung nur noch eine Entgeltfortzahlung in Höhe von 80 % vorgesehen.

II. Auf eine konstitutive Regelung der Entgeltfortzahlung in voller Höhe kann auch nicht aus der in § 12 Nr. 2 enthaltenen Verweisung auf § 15 Abschnitt III Nr. 1 und 2 des Manteltarifvertrages geschlossen werden. Danach gelten für die "Berechnung des fortzuzahlenden Arbeitsentgelts", sofern es keine abweichende betriebliche Regelung gibt, statt der gesetzlichen Regelung die Vorschriften über die Bemessung der Urlaubsvergütung. Auch diese Bestimmungen des § 15 Abschnitt III regeln nicht einen Anspruch des Arbeitnehmers auf eine bestimmte Vergütungshöhe, sondern modifizieren im Rahmen der nach § 4 Abs. 4 EFZG gegebenen Möglichkeiten den Berechnungsweg des nach § 4 Abs. 1 EFZG maßgebenden Entgelts. So ordnet § 15 Abschnitt III Nr. 1 die Berechnung des Urlaubsentgelts nach dem Referenzperiodensystem an. In § 15 Abschnitt III Nr. 2 findet sich eine Berechnungsregel für die Zahl der zu berücksichtigenden Arbeitsstunden. Damit enthält der Tarifvertrag zwar Bestimmungen über einzelne Berechnungsfaktoren, gibt aber selbst die fortzuzahlende Entgelthöhe nicht vor. Die tarifliche Regelung gewährleistet keinen Zahlbetrag in bestimmter Höhe, wie es z.B. der Fall ist, wenn der Tarifvertrag die Fortzahlung der Vergütung in Höhe eines 1/22stel des Monatsgehaltes je Arbeitstag vorsieht (vgl. BAG Urteil vom 16. Juni 1998 - 5 AZR 728/97 - AP TVG § 1 Tarifverträge: Gaststätten Nr. 3).

Griebeling Müller-Glöge Kreft

Sappa Zorn

 

Fundstellen

Dokument-Index HI610973

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