Entscheidungsstichwort (Thema)

Überstundenanordnung. Anwendung falschen Tarifvertrags

 

Normenkette

BAT § 17 Abs. 1, 5, § 35 Abs. 3 Unterabs. 2, § 15 Abs. 1, § 70; BAT-O § 15 Abs. 1

 

Verfahrensgang

LAG Berlin (Urteil vom 24.01.1994; Aktenzeichen 16 Sa 76/93)

ArbG Berlin (Urteil vom 07.05.1993; Aktenzeichen 86 Ca 19093/92)

 

Tenor

1. Die Revision des beklagten Landes gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin vom 24. Januar 1994 – 16 Sa 76/93 – wird zurückgewiesen.

2. Das beklagte Land hat die Kosten der Revision zu tragen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die tarifgebundenen Parteien streiten über die Bezahlung von Überstunden.

Die Klägerin ist Angestellte im öffentlichen Dienst. Sie arbeitete vor der Wiedervereinigung in der (Ost-) Berliner Magistratsverwaltung für Bauwesen und ist jetzt in der Senatsverwaltung für Bau- und Wohnungswesen tätig. Seit 13. Dezember 1990 befindet sich ihr Arbeitsplatz auf Dauer im ehemaligen Westteil von Berlin. Im Arbeitsvertrag vom 19. Juli 1991 vereinbarten die Parteien die Anwendung des Tarifvertrags zur Anpassung des Tarifrechts – Manteltarif rechtliche Vorschriften – (BAT-O) vom 10. Dezember 1990. Bis zum 10. November 1992 arbeitete die Klägerin 40 Stunden in der Woche. Dies entsprach der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit nach § 15 Abs. 1 BAT-O. Nach Bekanntwerden der Entscheidungsgründe der Senatsurteile vom 30. Juli 1992 (– 6 AZR 11/92 – und – 6 AZR 12/92 –), machte die Klägerin mit Schreiben vom 29. Dezember 1992 für die Zeit vom 1. August 1991 bis zum 10. November 1992 Überstundenvergütung für jeweils 1,5 Stunden pro Woche geltend. Dies ist die Differenz zwischen der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit nach dem BAT (38,5 Stunden) und der Arbeitszeit, die die Klägerin bis zum 10. November 1992 tatsächlich geleistet hat. Mit der Klage hat die Klägerin Zahlung von Überstundenvergütung für den Zeitraum vom 1. Februar 1992 bis zum 10. November 1992 in unstreitiger Höhe von 1.776,69 DM verlangt.

Die Klägerin hat gemeint, ihre Arbeitszeit habe sich während dieser Zeit nach dem BAT gerichtet und nicht nach dem BAT-O. Stelle sich nachträglich heraus, daß in Wirklichkeit ein anderer Tarifvertrag gegolten habe, seien die über die tarifvertraglich geschuldete Arbeitszeit hinaus geleisteten Arbeitsstunden als Überstunden zu vergüten.

Die Klägerin hat beantragt,

das beklagte Land zu verurteilen, an sie 1.776,69 DM brutto zu zahlen.

Das beklagte Land hat Klageabweisung beantragt und die Auffassung vertreten, es habe gegenüber der Klägerin keine Leistung von Überstunden angeordnet, sondern nur die Erfüllung der Arbeitszeit nach BAT-O verlangt.

Das Arbeitsgericht hat der Klage in Höhe von 1.045,98 DM stattgegeben und sie im übrigen abgewiesen. Auf die Berufung des beklagten Landes hat das Landesarbeitsgericht das Urteil des Arbeitsgerichts teilweise abgeändert und das beklagte Land unter Zurückweisung der weitergehenden Berufung zur Zahlung von 849,30 DM verurteilt, was einer Überstundenvergütung für 1,5 Stunden wöchentlich in der Zeit vom 1. Juli 1992 bis zum 10. November 1992 bei einer Stundenvergütung von 29,80 DM entspricht. Mit der zugelassenen Revision verfolgt das beklagte Land seinen Klageabweisungsantrag weiter.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision hat keinen Erfolg. Zu Recht hat das Berufungsgericht der Klage in dem im Revisionsverfahren noch anhängigen Umfang stattgegeben.

I. Die Klägerin hat einen Anspruch auf Überstundenvergütung nach § 17 Abs. 1 und Abs. 5 letzter Satz BAT.

1. Auf das Arbeitsverhältnis ist der BAT und nicht der BAT-O anzuwenden, weil die Klägerin seit Dezember 1990 auf Dauer im räumlichen Geltungsbereich des BAT beschäftigt ist. Der erkennende Senat nimmt insoweit Bezug auf sein Urteil vom 30. Juli 1992 – 6 AZR 11/92 – AP Nr. 1 zu § 1 TVAng Bundespost, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen). Dort hat er entschieden, daß der TVAng Bundespost und nicht der TVAng Ost auf ein Arbeitsverhältnis Anwendung findet, das im Beitrittsgebiet begründet ist, aber auf nicht absehbare Zeit im Geltungsbereich des TVAng Bundespost fortgesetzt wird. Die Erwägungen, mit denen der Senat dies begründet hat, gelten in gleicher Weise für das Verhältnis zwischen BAT und BAT-O. Darüber streiten die Parteien nicht. Auch ist unstreitig, daß der Arbeitsplatz der Klägerin sich seit dem 13. Dezember 1990 im ehemaligen Westteil von Berlin befindet.

In der noch streitgegenständlichen Zeit vom 1. Juli 1992 bis zum 10. November 1992 betrug somit die regelmäßige Arbeitszeit der Klägerin durchschnittlich 38,5 Stunden wöchentlich (§ 15 Abs. 1 BAT). Die von der Klägerin darüberhinaus tatsächlich geleisteten 1,5 Arbeitsstunden pro Woche sind Überstunden, für die der Klägerin die begehrte Überstundenvergütung zusteht.

2. Nach § 17 Abs. 1 Satz 1 BAT sind Überstunden, die auf Anordnung geleisteten Arbeitsstunden, die über die im Rahmen der regelmäßigen Arbeitszeit für die Woche dienstplanmäßig festgesetzten Arbeitsstunden hinausgehen.

Das beklagte Land hatte die Arbeitsstunden, die die Klägerin über die von ihr zu erbringende Arbeitszeit von 38,5 Stunden wöchentlich hinaus erbracht hat (1,5 Stunden), angeordnet. Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht angenommen, daß es einer mündlichen, schriftlichen oder auch nur stillschweigenden Anordnung nicht bedarf, sondern daß es ausreicht, wenn der Arbeitgeber die vom Arbeitnehmer geleistete Arbeitszeit, die über die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit hinausgeht, kennt und sie duldet (BAG Urteil vom 27. Juni 1979 – 4 AZR 727/77 –, nicht veröffentlicht; Senatsurteil vom 24. Oktober 1990 – 6 AZR 37/89BAGE 66, 154, 163 = AP Nr. 7 zu § 3 BAT, zu B II 1 der Gründe; BAG Urteil vom 29. Januar 1992 – 4 AZR 294/91 – AP Nr. 12 zu § 3 TVG), und daß es für den Anspruch auf die Überstundenvergütung nicht darauf ankommt, ob die Mitarbeitervertretung ordnungsgemäß beteiligt wurde.

Das Landesarbeitsgericht hat bindend festgestellt, daß die Klägerin bis 10. November 1992 durch den Dienstplan ihrer Behörde zu der Arbeitszeit von 40 Stunden wöchentlich eingeteilt war, die sie erbracht hat. Damit war diese Arbeitszeit im Sinne von § 17 Abs. 1 Satz 1 BAT angeordnet (vgl. Senatsurteil vom 24. Oktober 1990, a.a.O.). Die Anordnung bezog sich somit auf die 1,5 Stunden wöchentlich, um die die Arbeitszeit der Klägerin über die dienstplanmäßig festgesetzte Arbeitszeit der Angestellten hinausging, auf die das beklagte Land den BAT anzuwenden hatte. Zu diesen gehörte die Klägerin.

3. Das beklagte Land kann nicht damit gehört werden, daß ihm bei der dienstplanmäßigen Einteilung der Klägerin nicht bewußt war. Überstunden anzuordnen. Insoweit unterlag es einem unbeachtlichen Rechtsirrtum.

4. Für die unstreitig nicht durch Arbeitsbefreiung ausgeglichenen Überstunden hat das beklagte Land die Überstundenvergütung nach § 35 Abs. 3 Unterabs. 2 BAT zu zahlen (§ 17 Abs. 5 letzter Satz BAT), deren Höhe rechnerisch unstreitig ist.

Der Anspruch für den Zeitraum vom 1. Juli 1992 bis zum 10. November 1992 ist wegen der rechtzeitigen Geltendmachung durch Schreiben der Klägerin vom 29. Dezember 1992 nicht verfallen (§ 70 Abs. 1 BAT), wie das Landesarbeitsgericht zutreffend angenommen hat.

II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

 

Unterschriften

Dr. Peifer, Dr. Jobs, Dr. Armbrüster, Bruse, Augat

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1093197

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