Entscheidungsstichwort (Thema)

Erschwerniszulage bei Lärm

 

Leitsatz (redaktionell)

Lärm ist eine "ähnliche" Erschwernis im Sinne von § 21 Ziffer 4 TVAL II in Verbindung mit Anhang S Ziffer II 1. Arbeitern an einer Ultra-Sonic-Maschine steht danach für die Arbeitsstunden an dieser Maschine eine Erschwerniszulage in Höhe von 10vH zu.

 

Normenkette

TVG § 1; ALTV § 21; ALTV 2 § 21

 

Verfahrensgang

LAG Rheinland-Pfalz (Entscheidung vom 09.10.1984; Aktenzeichen 9 Sa 489/84)

ArbG Kaiserslautern (Entscheidung vom 28.03.1984; Aktenzeichen 3 Ca 1724/83)

 

Tatbestand

Der Kläger ist seit 1. Februar 1977 als Munitionsarbeiter im US-Army Ammunition Depot M beschäftigt. Die Parteien haben die Anwendung des Tarifvertrags für die Arbeitnehmer bei den Stationierungsstreitkräften im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland (TVAL II) auf das Arbeitsverhältnis vereinbart. Der Kläger erhält neben seinem tariflichen Grundlohn für Arbeiten an einer Fertigungslinie eine Bandzulage von 10 % und darüber hinaus die Erschwerniszulage für Munitionsinstandhaltungspersonal nach Anhang S Ziff. V 1 d zum TVAL II.

Von März 1983 bis 30. April 1985 wurde der Kläger von den Streitkräften an einer Ultra-Sonic-Maschine eingesetzt. Diese Maschine ist ein Wirbelsturmtestgerät, mit dem Munition auf eventuelle Risse im Hülsenbereich untersucht wird. Beim Betrieb der Maschine entsteht ein Lärmpegel bis zu 94 Dezibel, nach Behauptung des Klägers bis zu 97 Dezibel. Bei der Arbeit an der Maschine müssen Schaumstoff-Ohrenstopfen getragen werden, durch die der Lärmpegel für das Ohr auf etwa 70 Dezibel herabgemindert wird. Wenn der Kläger an der Ultra-Sonic-Maschine eingesetzt wird, wird er nach etwa drei bis vier Stunden abgelöst und verrichtet dann eine andere Tätigkeit.

Mit der Klage macht der Kläger wegen seiner Tätigkeit an der Ultra-Sonic-Maschine die Erschwerniszulage nach Anhang S Ziff. II 1 zum TVAL II geltend. Er hat hierzu erklärt, daß er die Zulage nur für die Zeit verlange, die er effektiv an der Maschine arbeite.

Der Kläger hat vorgetragen, bei seiner Tätigkeit an der Ultra-Sonic-Maschine sei er in besonderer, das übliche Maß weit übersteigender Weise einer Belästigung durch Lärm und Vibration ausgesetzt. Das hölzerne Arbeitspodest, auf dem er während der Arbeit an der Maschine stehe, vibriere bei laufender Maschine ständig. Die Lärmbelästigung werde durch das Tragen von Gehörschutzmitteln nicht beseitigt. Mit der Zulage nach Ziff. V 1 d des Anhangs S zum TVAL II werde die Arbeitserschwernis wegen der Lärmbelästigung nicht abgegolten.

Mit der am 5. Dezember 1983 erhobenen Klage hat der Kläger beantragt

festzustellen, daß dem Kläger rückwirkend

ab 1. Juli 1983 die Erschwerniszulage ge-

mäß § 21 Ziff. 4 TVAL II in Verbindung

mit dem Anhang S, Abschnitt II, Ziff. 1

zusteht.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat vorgetragen, mit der Zulage nach Anhang S Ziff. V 1 d zum TVAL II für das Munitionsinstandhaltungspersonal würden die Arbeitserschwernisse im Rahmen der einschlägigen Tätigkeit abgegolten. Die Tätigkeit des Klägers an der Ultra-Sonic-Maschine gehöre zu den einschlägigen Aufgaben des Munitionsinstandhaltungspersonals. Deshalb könne er nicht für damit verbundene Belästigungen eine weitere Zulage verlangen, denn nach Ziff. I 4 b (6) des Anhangs S zum TVAL II seien mehrere Zulagen nicht nebeneinander zu zahlen, wenn Arbeitserschwernisse nach Ziff. V mit Arbeitserschwernissen nach Ziff. II 1 identisch seien. Im übrigen werde durch das Tragen des Gehörschutzes die Lärmbelästigung auf ein erträgliches Maß reduziert, so daß keine besondere Erschwernis der Arbeit mehr vorliege. Der Kläger sei auch nicht entgegen seiner Behauptung bei der Arbeit an der Ultra-Sonic-Maschine ständigen Vibrationen ausgesetzt. Darüber hinaus sei nach der tariflichen Regelung für eine Lärmbelästigung keine Erschwerniszulage zu zahlen. Lärm sei eine bekannte Arbeitserschwernis. Wenn die Tarifvertragsparteien gleichwohl den Lärm in Ziff. II 1 des Anhangs S zum TVAL II nicht als Erschwernis aufgeführt hätten, für die eine Zulage gezahlt werden solle, komme darin zum Ausdruck, daß Lärm am Arbeitsplatz keine Erschwerniszulage auslösen solle. Der Lärm sei auch mit den in Ziff. II 1 des Anhangs S zum TVAL II genannten Erschwernissen wie Rauch, Gasdämpfe, Säure, Ätzstoffe, Giftstoffe, Schmutz, Schlamm und Wasser nicht vergleichbar.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen.

Mit der vom erkennenden Senat zugelassenen Revision erstrebt die Beklagte weiterhin die Abweisung der Klage. Der Kläger beantragt Zurückweisung der Revision mit der Maßgabe, daß die Erschwerniszulage nur bis 30. April 1985 zu zahlen ist.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet. Die Vorinstanzen haben der Klage mit Recht stattgegeben. Dem Kläger steht - entsprechend seinem in der Revisionsinstanz beschränkten Klageantrag - für die Zeit vom 1. Juli 1983 bis 30. April 1985 für die Zeiten seines Einsatzes an der Ultra-Sonic-Maschine eine Erschwerniszulage nach Ziff. II 1 des Anhangs S zum TVAL II zu. Denn er ist in besonderem Maße ähnlichen Einflüssen wie Schmutz, Schlamm, Hitze, Kälte, Wasser, Rauch, Dämpfen, Gasen, Säuren, Ätzstoffen, Giftstoffen und Erschütterungen ausgesetzt.

Der Feststellungsantrag ist zulässig, bedarf aber der Auslegung. Nach seinem Klagevorbringen begehrt der Kläger die Erschwerniszulage nur für die Zeiten, in denen er an der Ultra- Sonic-Maschine eingesetzt war. Damit trägt er der tariflichen Regelung in Ziff. I 1 des Anhangs S zum TVAL II Rechnung, nach der Erschwerniszulagen für jede Arbeitsstunde gezahlt werden, in denen die im Anhang S genannten Arbeitserschwernisse auftreten. Demgemäß ist auch der Klageantrag dahin auszulegen, daß der Kläger die Feststellung begehrt, daß ihm für die Zeit vom 1. Juli 1983 bis 30. April 1985 die Erschwerniszulage nach Anhang S Ziff. II 1 zum TVAL II für die Arbeitsstunden zusteht, in denen er an der Ultra-Sonic-Maschine eingesetzt war. Dieser Klageantrag ist ausreichend bestimmt. Zur Klarstellung hat der Senat die Urteilsformel entsprechend neu gefaßt.

Für die Feststellungsklage besteht ein Rechtsschutzinteresse im Sinne von § 256 ZPO. Der Kläger konnte zwar in der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht am 9. Oktober 1984 die geltend gemachten und seit 1. Juli 1983 fälligen Erschwerniszulagen durch Leistungsklage geltend machen, so daß für eine Feststellungsklage grundsätzlich kein Raum war. Für die in der Zukunft liegenden Zeiträume war dem Kläger aber die Erhebung einer Leistungsklage wegen der ständig wechselnden Höhe der jeweiligen Tariflöhne, von denen die Höhe der Zulage abhängt, nicht möglich. Deshalb konnte er eine einheitliche Feststellungsklage erheben, die sowohl die Vergangenheit als auch künftige Zeiträume umfaßt (vgl. BAG Urteil vom 20. Juni 1984 - 4 AZR 208/82 -, AP Nr. 2 zu § 1 TVG Tarifverträge: Großhandel mit weiteren Nachweisen).

Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien finden die Vorschriften des TVAL II kraft einzelvertraglicher Vereinbarung als Vertragsrecht Anwendung. Danach ist für den Anspruch des Klägers auf die begehrte Erschwerniszulage die Vorschrift des Anhangs S Ziff. II 1 zum TVAL II heranzuziehen, die wie folgt lautet:

Tätigkeiten, die in besonderem Maße den

Einflüssen von Schmutz, Schlamm, Hitze,

Kälte, Wasser, Rauch, Dämpfen, Gasen,

Säuren, Ätzstoffen, Giftstoffen, Er-

schütterungen oder ähnlichem sowie Witte-

rungseinflüssen ausgesetzt sind 10 v.H.

Die vom Kläger geltend gemachte Lärmbelästigung bei der Arbeit an der Ultra-Sonic-Maschine ist unter den Erschwernissen der Ziff. II 1 des Anhangs S zum TVAL II zwar nicht ausdrücklich aufgeführt. Sie fällt aber unter den Begriff "oder ähnlichem" im Sinne der Ziff. II 1. Was unter ähnlichen Arbeitserschwernissen wie die in Ziff. II 1 des Anhangs S zum TVAL II ausdrücklich aufgeführten zu verstehen ist, läßt sich nach dem tariflichen Gesamtzusammenhang der Vorschrift des § 21 Ziff. 4 TVAL II entnehmen. Unter der Überschrift "Erschwerniszulagen" enthält diese Tarifnorm folgende Regelungen:

a) Arbeitserschwernisse - siehe Abschnitt b) -

sind grundsätzlich mit dem tarifvertraglich

vereinbarten Lohn oder Gehalt abgegolten,

soweit für sie nicht Erschwerniszulagen im

Anhang S besonders vereinbart sind.

b) Arbeitserschwernisse liegen vor, wenn die

Arbeiten

(1) den Körper oder die eigene Arbeits-

kleidung des Arbeitnehmers außer-

ordentlich beschmutzen, oder

(2) besonders gefährlich, ekelerregend

oder gesundheitsschädlich sind, oder

(3) die Körperkräfte außerordentlich be-

anspruchen, oder

(4) unter besonders erschwerenden Umstän-

den ausgeführt werden müssen.

§ 21 Ziff. 4 TVAL II verweist zwar für die Erschwerniszulagen auf den Anhang S, so daß nur dessen Vorschriften als Anspruchsgrundlage für einen Erschwerniszuschlag herangezogen werden können. Andererseits umschreibt aber § 21 Ziff. 4 b TVAL II, was unter Arbeitserschwernissen im tariflichen Sinne zu verstehen ist. Daher kann zur näheren Bestimmung des Begriffs der ähnlichen Arbeitserschwernisse in Ziff. II 1 des Anhangs S zum TVAL II auf die Bestimmungen des § 21 Ziff. 4 b TVAL II zurückgegriffen werden. Danach sind als Arbeitserschwernisse ausdrücklich genannt die außergewöhnliche Beschmutzung (Ziff. 1), die besondere Gefährlichkeit (Ziff. 2), die Gesundheitsschädlichkeit (Ziff. 2) und Arbeiten unter besonders erschwerenden Umständen (Ziff. 4). Daran knüpfen die Beispiele in Ziff. II 1 des Anhangs S zum TVAL II an. Die außergewöhnliche Beschmutzung ist angesprochen, wenn in Ziff. II 1 des Anhangs S zum TVAL II Tätigkeiten genannt werden, die in besonderem Maße den Einflüssen von Schmutz und Schlamm ausgesetzt sind. Die Gesundheitsschädlichkeit und Gefährlichkeit der Arbeit liegt nahe, wenn sie in besonderem Maße den Einflüssen von Rauch, Dämpfen, Gasen, Säuren, Ätzstoffen, Giftstoffen oder Erschütterungen ausgesetzt ist. Unter besonders erschwerenden Umständen wird die Arbeit ausgeführt, wenn sie in besonderem Maße den Einflüssen von Hitze, Kälte oder Wasser ausgesetzt ist. Danach können unter ähnlichen Erschwernissen wie die in Ziff. II 1 des Anhangs S zum TVAL II ausdrücklich genannten solche Arbeiten angesehen werden, die den Körper oder die eigene Arbeitskleidung des Arbeitnehmers außergewöhnlich beschmutzen oder gefährlich oder gesundheitsschädlich sind oder unter besonders erschwerenden Umständen ausgeführt werden müssen.

Unter besonders erschwerenden Umständen wird eine Arbeit auch dann ausgeführt, wenn der Arbeitnehmer hierbei einer Lärmbelästigung ausgesetzt ist, die den nach den einschlägigen Arbeitsschutzvorschriften höchstzulässigen Schallpegel übersteigt. In diesem Sinne hat der Senat Arbeiten mit hoher Lärmbelästigung als Arbeiten angesehen, die "unter besonders starken Umgebungseinflüssen auszuführen sind, die über die normalen Erschwernisse erheblich hinausgehen" (BAG Urteil vom 14. März 1984 - 4 AZR 433/81 -, AP Nr. 23 zu § 1 TVG Tarifverträge: Metallindustrie). Daran ist festzuhalten.

Entgegen der Auffassung der Beklagten kann aus der Tarifgeschichte nicht hergeleitet werden, daß die Tarifvertragsparteien für Lärmbelästigungen keine Erschwerniszulage nach Ziff. II 1 des Anhangs S zum TVAL II zahlen wollten. Es kann hierbei mit der Beklagten davon ausgegangen werden, daß den Tarifvertragsparteien bei der Vereinbarung des Anhangs S zum TVAL II bekannt war, daß viele Arbeiten in besonderem Maße Lärm ausgesetzt sind. Wenn sie dann gleichwohl den Lärm nicht als besondere Arbeitserschwernis in Ziff. II 1 des Anhangs S zum TVAL II ausdrücklich erwähnten, kann daraus ohne weiteren Anhaltspunkt jedoch nicht der Schluß gezogen werden, daß damit für Lärm keine Erschwerniszulage in Betracht kommen sollte. Die in Ziff. II 1 erwähnten besonderen Erschwernisse sind nur Beispiele. Gerade durch den Zusatz "oder ähnlichen" (Einflüssen) in Ziff. II 1 des Anhangs S zum TVAL II haben die Tarifvertragsparteien deutlich zum Ausdruck gebracht, daß bei allen ähnlichen Erschwernissen die Zulage gezahlt werden soll. Irgendwelche Einschränkungen enthält der TVAL II insoweit nicht. Die Tarifvertragsparteien konnten deshalb bei der Auswahl von Beispielen, die sie in Ziff. II 1 nannten, willkürlich verfahren, da durch die Einbeziehung von ähnlichen Erschwernissen die entsprechenden Erschwernisse miterfaßt waren. Zu diesen ähnlichen Erschwernissen gehören auch starke Lärmbelästigungen. Insoweit handelt es sich um einen besonders erschwerenden Umstand bei der Arbeitsausführung, der Hitze und Kälte vergleichbar ist. Entgegen der Auffassung der Beklagten werden von Ziff. II 1 des Anhangs S zum TVAL II auch nicht nur Arbeiten im Sinne von § 21 Ziff. 4 b (4) TVAL II erfaßt, bei denen die die Arbeit besonders erschwerenden Umstände nicht durch Hilfsmittel verringert werden können. Denn die Einflüsse von Hitze und Kälte, die in Ziff. II 1 ausdrücklich genannt sind, können auch durch entsprechende Kleidung verringert werden.

Die Arbeit des Klägers an der Ultra-Sonic-Maschine war in besonderem Maße den Einflüssen von Lärm ausgesetzt. Der Schallpegel bis zu 94 Dezibel, den die Beklagte selbst einräumt, überschreitet deutlich den nach § 15 Abs. 1 Nr. 3 Arbeitsstättenverordnung höchstzulässigen Schallpegel von 85 Dezibel. Entgegen der Auffassung der Beklagten änderte das Tragen von Schaumstoff- Ohrenstopfen durch den Kläger nichts daran, daß seine Tätigkeit einer starken Lärmbelästigung ausgesetzt ist. Dies hat das Landesarbeitsgericht zutreffend erkannt. Durch den Ohrenschutz wird zwar der Lärmpegel für das Ohr vermindert. Die Tarifnorm stellt aber auf die Tätigkeit ab. Diese ist nach wie vor in besonderem Maße der Lärmbelästigung ausgesetzt. Damit trägt die Tarifnorm auch dem Umstand Rechnung, daß starker Lärm durch das Tragen von Gehörschutzmitteln nur teilweise abgemildert wird und auch außerhalb der Ohren auf den ganzen menschlichen Organismus als Umgebungseinfluß einwirkt (vgl. BAG Urteil vom 14. März 1984 - 4 AZR 433/81 -, AP Nr. 23 zu § 1 TVG Tarifverträge: Metallindustrie). Diese Lärmbelästigung für den menschlichen Organismus ist entgegen der Auffassung der Beklagten auch nicht deshalb als nicht besonders erschwerend anzusehen, weil erst ab einem Lärmpegel von 130 Dezibel das Tragen von Schallschutzanzügen vorgeschrieben ist. Insoweit wird nur die Grenze festgelegt, ab der mit Gesundheitsschäden zu rechnen ist. Vorliegend kommt es aber nicht darauf an, ob die Tätigkeit des Klägers an der Ultra-Sonic- Maschine gesundheitsschädlich ist, sondern nur darauf, ob sie unter besonders erschwerenden Umständen ausgeführt wird. Das ist bei einem Lärmpegel von 94 Dezibel auch beim Tragen von Gehörschutzmitteln zu bejahen.

Entgegen der Auffassung der Beklagten wird der Anspruch des Klägers auf eine Zulage nach Ziff. II 1 des Anhangs S zum TVAL II nicht dadurch ausgeschlossen, daß er als Munitionsinstandhaltungsarbeiter im US-Army Ammunition Depot M eine Erschwerniszulage nach Ziff. V 1 d des Anhangs S zum TVAL II erhält. Nach Ziff. I 4 a des Anhangs S zum TVAL II werden beim Zusammentreffen mehrerer Arbeitserschwernisse des Anhangs S zum TVAL II die dort vereinbarten Zulagen grundsätzlich nebeneinander gezahlt. Von diesem Grundsatz enthält Ziff. I 4 b des Anhangs S zum TVAL II sechs Ausnahmen, von denen vorliegend allein Ziff. I 4 b (6) des Anhangs S zum TVAL II in Betracht kommt. Danach sind Zulagen nicht nebeneinander zu zahlen,

"wenn Arbeitserschwernisse nach Ziff. III, IV,

V oder X im Rahmen der einschlägigen Tätig-

keit des Arbeitnehmers mit Arbeitserschwernis-

sen nach Ziff. II 1 oder 2 identisch sind; in

diesen Fällen finden nur die Ziff. III, IV, V

und X Anwendung."

Entgegen der Auffassung der Beklagten sind vorliegend die Arbeitserschwernisse für die Zulage nach Ziff. V 1 d mit den Arbeitserschwernissen für die Zulage nach Ziff. II 1 nicht identisch. Die Zulage nach Ziff. V 1 wird nach ihrem Eingangssatz "Ist die Arbeit regelmäßig mit einer Gefährdung im Sinne des § 21 Ziff. 4 b verbunden, so erhält der Arbeitnehmer eine monatliche Pauschalzulage ..." für die besondere Gefährlichkeit der Arbeit gewährt. Die dem Kläger zustehende Zulage nach Ziff. II 1 wird hingegen für Arbeiten gewährt, die unter besonders erschwerenden Umständen ausgeführt werden müssen und damit für eine andere Arbeitserschwernis.

Entgegen der Auffassung der Beklagten wird die Zulage nach Ziff. V des Anhangs S zum TVAL II nicht für die Arbeitserschwernis als Munitionsarbeiter gewährt, so daß damit auch die Arbeitserschwernis der Lärmbelästigung bei der Bedienung der Ultra-Sonic-Maschine umfaßt wäre. Vielmehr wird die Zulage nach Ziff. V nach Wortlaut und Gesamtzusammenhang der tariflichen Regelungen, die für die Tarifauslegung maßgebend sind (BAG 46, 308 = AP Nr. 135 zu § 1 TVG Auslegung), wegen der Gefährlichkeit der Arbeit gewährt. Dies folgt aus dem Eingangssatz von Ziff. V 1, der die Gewährung der Zulage an die einzelnen Arbeitnehmer davon abhängig macht, daß die Arbeit "regelmäßig mit einer Gefährdung im Sinne des § 21 Ziff. 4 b verbunden" ist. Im Sinne von § 21 Ziff. 4 b TVAL II liegt eine Arbeitserschwernis vor, wenn Arbeiten "besonders gefährlich" sind. Damit ist nur die Auslegung möglich, daß durch Ziff. V 1 des Anhangs S zum TVAL II die besondere Gefährlichkeit der Arbeit abgegolten werden soll.

Entgegen der Auffassung der Beklagten führt diese Auslegung nicht dazu, daß damit eine Identität von Arbeitserschwernissen nach Ziff. V und Ziff. II 1 des Anhangs S zum TVAL II ausgeschlossen ist, obwohl Ziff. I 4 b (6) des Anhangs S zum TVAL II davon ausgeht, daß eine solche Identität vorliegen kann. Die Beklagte übersieht insoweit, daß in Ziff. II 1 auch die Arbeitserschwernis der gefährlichen Arbeit miterfaßt ist durch den Begriff der "ähnlichen" Einflüsse. Wenn also ein Munitionsarbeiter wegen der besonderen Gefährlichkeit einer bestimmten Arbeit eine Zulage nach Ziff. II 1 des Anhangs S zum TVAL II fordern würde, stände diesem Anspruch das Kumulierungsverbot der Ziff. I 4 b (6) des Anhangs S zum TVAL II entgegen. Insofern behält diese Vorschrift auch nach der Auslegung des Senats ihre Bedeutung.

Wenn die Auffassung der Beklagten richtig wäre, daß mit der Zulage nach Ziff. V 1 des Anhangs S zum TVAL II die bei den einzelnen Tätigkeiten auftretenden besonderen Erschwernisse abgegolten wären, kämen für diese Arbeitnehmer Zulagen nach Ziff. II 1 überhaupt nicht mehr in Betracht. Dann hätte es aber nahegelegen, daß die Tarifvertragsparteien dies in den Eingangssatz der Ziff. V auch aufgenommen hätten. Der Eingangssatz lautet: "Für diese Arbeitnehmer gelten die Bestimmungen der Ziff. I 1, 2, 3 sowie der Ziff. IV nicht". Wäre es der Wille der Tarifvertragsparteien gewesen, auch die Zulagen nach Ziff. II 1 für diese Arbeitnehmer auszuschließen, wäre dies hier durch Erwähnung der Ziff. II 1 zum Ausdruck gebracht worden. Weil dies unterblieben ist, muß daraus geschlossen werden, daß für die Arbeitnehmer außer der Zulage nach Ziff. V 1 auch noch die Zulage nach Ziff. II 1 in Betracht kommt, wenn eine andere Arbeitserschwernis als die Gefährlichkeit der Arbeit vorliegt.

Die weiteren Revisionsrügen sind unbegründet. Auf die Frage, ob § 21 Ziff. 4 b (4) TVAL II einen Auffangtatbestand bildet oder nicht, kommt es nicht an. § 21 Ziff. 4 b (4) TVAL II regelt einen besonderen Fall der Arbeitserschwernis, der gleichwertig neben den Arbeitserschwernissen steht, die in den Ziff. 1 bis 3 geregelt sind. Entgegen der Auffassung der Beklagten kann auch nicht aus der Höhe der nach Ziff. II des Anhangs S zum TVAL II gezahlten Zulage geschlossen werden, daß besonders strenge Anforderungen an die Voraussetzungen für die Gewährung einer Zulage zu stellen sind. Einmal ist die Höhe der gewährten Zulage in Höhe von 10 v.H. der Grundvergütung entgegen der Auffassung der Beklagten nicht besonders hoch. Zum anderen kann es auf die Auswirkungen einer Tarifauslegung nicht ankommen, wenn diese Auslegung nach Tarifwortlaut und Gesamtzusammenhang - wie im vorliegenden Fall - eindeutig ist.

Der Kläger hat mit der am 5. Dezember 1983 erhobenen Klage die Erschwerniszulage ab 1. Juli 1983 geltend gemacht und damit die Ausschlußfrist des § 49 TVAL II gewahrt, nach der Ansprüche aus dem Beschäftigungsverhältnis nur innerhalb von sechs Monaten nach Fälligkeit geltend gemacht werden können.

Die Beklagte hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten ihrer erfolglosen Revision zu tragen.

Dr. Neumann Dr. Feller hat Urlaub Dr. Etzel

Dr. Neumann

Jansen Lehmann

 

Fundstellen

Haufe-Index 439200

DB 1987, 391-392 (LT1)

RdA 1986, 408

AP § 21 TVAL II (LT1), Nr 3

AR-Blattei, Arbeitsschutz Entsch 1 (LT1)

AR-Blattei, ES 1500 Nr 38 (LT)

AR-Blattei, ES 200 Nr 1 (LT1)

AR-Blattei, Stationierungsstreitkräfte Entsch 38 (LT)

RiA 1987, 184-185 (T)

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