Entscheidungsstichwort (Thema)

Beteiligung der Stufenvertretung

 

Leitsatz (redaktionell)

Bei Personalangelegenheiten der in § 14 Abs 3 BPersVG genannten Beschäftigten einer Dienststelle wirkt auch die Stufenvertretung der übergeordneten Dienststelle, bei der diese Personalangelegenheiten entschieden werden, nur mit, wenn der betroffene Beschäftigte es beantragt (im Anschluß an BVerwG Beschluß vom 23. September 1966 - VII P 13.65 = BVerwGE 25, 118 = AP Nr 2 zu § 72 PersVG).

 

Normenkette

ZPO §§ 253, 256; NATOZAbkUnterzProt; BPersVG § 82 Abs. 4, § 14 Abs. 3, § 83 Abs. 2, § 77 Abs. 1 S. 1

 

Verfahrensgang

LAG Baden-Württemberg (Entscheidung vom 18.03.1986; Aktenzeichen 10 TaBV 3/85)

ArbG Mannheim (Entscheidung vom 06.03.1985; Aktenzeichen 8 BV 11/84)

 

Gründe

A. Die zivilen Bediensteten der in der Bundesrepublik Deutschland stationierten Streitkräfte der Vereinigten Staaten von Amerika haben in ca. 240 Verwaltungsstellen dieser Truppe Betriebsvertretungen gewählt. 60 dieser Dienststellen sind unmittelbar der obersten Dienstbehörde der Truppe unterstellt. Der Entsendestaat hat als oberste Dienstbehörde das gemeinsame Hauptquartier der US-Armee in Europa (USAREUR) und der 7. US-Armee in Heidelberg bestimmt. Dort ist eine Hauptbetriebsvertretung gebildet worden.

Diese Hauptbetriebsvertretung macht im vorliegenden Verfahren als Stufenvertretung für die unmittelbar unterstellten Dienststellen Mitwirkungsrechte in Personalangelegenheiten der deutschen Zivilbeschäftigten geltend.

Im Jahre 1984 übertrug die oberste Dienstbehörde dem Arbeitnehmer H die Leitung der Dienststelle CSG N, dem Arbeitnehmer W die Leitung der Dienststelle CSG G und dem Arbeitnehmer F die Leitung der Dienststelle CSG G. Als die Hauptbetriebsvertretung nach Vollzug dieser Maßnahmen davon erfuhr, forderte sie die oberste Dienstbehörde auf, künftig rechtzeitig das Mitwirkungsverfahren einzuleiten. Die oberste Dienstbehörde lehnte dies mit Schreiben vom 3. August 1984 ab.

Die Hauptbetriebsvertretung hat die Auffassung vertreten, das Mitwirkungsrecht der Stufenvertretung in Personalangelegenheiten angestellter Dienststellenleiter bestehe ohne jede Einschränkung. Für die Stufenvertretung sei der Leiter einer nachgeordneten Dienststelle nämlich nicht als Gegenspieler anzusehen. Es sei vielmehr Aufgabe der Stufenvertretung, auch ihn mitzuvertreten.

Die Hauptbetriebsvertretung hat beantragt:

Es wird festgestellt, daß die Hauptbetriebsvertretung

bei Personalangelegenheiten von

Dienststellenleitern, ihren Vertretern oder

anderen Beschäftigten, welche zu selbständigen

Entscheidungen in Personalangelegenheiten

der Dienststelle befugt sind und die dem

Hauptquartier USAREUR & 7th ARMY direkt unterstellt

sind, mitzuwirken hat.

Die Dienststelle, im Verfahren durch die Bundesrepublik Deutschland vertreten, hat beantragt, den Antrag abzuweisen.

Sie hat die Auffassung vertreten, nach den §§ 77 Abs. 1, 82 Abs. 4 BPersVG sei die Behörde nur zur Einleitung eines Mitwirkungsverfahrens verpflichtet, wenn dies der betroffene Dienststellenleiter selbst beantrage.

Das Arbeitsgericht hat den Antrag zurückgewiesen. Die Beschwerde der Hauptbetriebsvertretung blieb ohne Erfolg. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt die Hauptbetriebsvertretung ihren Antrag weiter.

B. Die Rechtsbeschwerde der Hauptbetriebsvertretung ist nicht begründet.

1. Der Antrag der Hauptbetriebsvertretung ist zulässig.

a) Das Beschlußverfahren vor den Arbeitsgerichten ist nach Absatz 1 und 9 des Unterzeichnungsprotokolls zu Art. 56 Abs. 9 des Zusatzabkommens zu dem Abkommen zwischen den Parteien des Nordatlantik-Vertrages über die Rechtsstellung ihrer in der Bundesrepublik Deutschland stationierten Truppen in der Fassung des Übereinkommens vom 18. Mai 1981 die zutreffende Verfahrensart. Danach ist im Beschlußverfahren zu entscheiden, soweit das Bundespersonalvertretungsgesetz eine gerichtliche Entscheidung vorsieht. Nach § 83 Abs. 1 Nr. 3 BPersVG haben die Gerichte über die Zuständigkeit der Personalvertretungen zu entscheiden.

b) Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats ist auch im arbeitsgerichtlichen Beschlußverfahren die Vorschrift des § 256 Abs. 1 ZP0 zu beachten, nach der zulässiges Verfahrensziel nur die Herbeiführung einer Entscheidung über das Bestehen eines Rechtsverhältnisses unter den Beteiligten sein kann (BAGE 41, 209, 216 = AP Nr. 76 zu Art. 9 GG Arbeitskampf, zu A I 1 a der Gründe; Beschluß vom 22. Oktober 1985 - 1 ABR 47/83 - AP Nr. 5 zu § 87 BetrVG 1972 Werkmietwohnungen; Beschluß vom 10. Juni 1986 - 1 ABR 61/84 - AP Nr. 18 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit, die letztgenannten Entscheidungen sind auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen). Die hier begehrte Feststellung eines Mitwirkungsrechts betrifft das Rechtsverhältnis zwischen der obersten Dienstbehörde und der Hauptbetriebsvertretung. Damit liegt ein zulässiger Streitgegenstand für einen Feststellungsantrag vor.

Das Landesarbeitsgericht hat mit zutreffender Begründung das für den Feststellungsantrag zu fordernde Rechtsschutzinteresse bejaht. Die Tatsache, daß der historische Anlaß des Streits der Beteiligten, die Übertragung höherwertiger Tätigkeiten im Jahre 1984 an die Arbeitnehmer H, W und F abgeschlossen ist, führt nicht zum Wegfall des Rechtsschutzinteresses. Da die Meinungsverschiedenheit über die Mitwirkung an der Entscheidung von Personalangelegenheiten, insbesondere an der Übertragung einer Dienststellenleitertätigkeit, bisher noch nicht beigelegt worden ist, sondern sich im Gegenteil auch auf alle übrigen Personalangelegenheiten von Dienststellenleitern und Beschäftigten, die zur selbständigen Entscheidung in Personalangelegenheiten der Dienststelle befugt sind, ausgeweitet hat, kann die Frage des Mitwirkungsrechts künftig wieder akut werden. Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts handelt es sich bei der Übertragung der Tätigkeit eines Dienststellenleiters nicht um einen einmaligen Vorfall, sondern um einen "Sachverhalt, der ständig wieder auftreten kann". Bei einer derartigen Fallkonstellation kann nur durch den notwendigerweise auf künftige Anlässe bezogenen Feststellungsantrag sichergestellt werden, daß die umstrittene Rechtsfrage nicht immer wieder zu Störungen des Betriebsfriedens führt, ohne daß eine gerichtliche Klärung im akuten Streitfall erfolgen kann, weil infolge der Kürze der für ein Mitwirkungsverfahren zur Verfügung stehenden Zeit der Rechtsstreit sich infolge Zeitablaufs erledigen würde (vgl. Beschluß des Senats vom 10. Juni 1986 - 1 ABR 61/84 - AP Nr. 18 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen).

c) Der Feststellungsantrag ist auch bestimmt genug im Sinne des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZP0. Wie das Landesarbeitsgericht bereits dargelegt hat, bezieht sich der Feststellungsantrag auf alle in § 75 BPersVG näher beschriebenen Personalangelegenheiten aus der Gruppe der Dienststellenleiter und der vergleichbaren Beschäftigten.

2. Der Antrag ist jedoch nicht begründet.

a) Das Landesarbeitsgericht hat den hier einschlägigen Beteiligungstatbestand des § 77 Abs. 1 Satz 1 BPersVG, der durch § 6 b des Unterzeichnungsprotokolls zu Art. 56 Abs. 9 Zusatzabkommen von einem Mitbestimmungsrecht auf ein Mitwirkungsrecht herabgestuft ist, rechtsfehlerfrei angewendet.

Nach § 77 Abs. 1 Satz 1 BPersVG besteht abweichend von der allgemeinen Regelung in § 75 BPersVG in den Personalangelegenheiten der im Antrag bezeichneten Personen nur dann die Pflicht des Arbeitgebers zur Beteiligung der Personalvertretung, wenn die Betroffenen dies ausdrücklich beantragen. Eine inhaltsgleiche Vorschrift bestand schon in § 72 Satz 1 PersVG ("die §§ 70 und 71 gelten für die in § 10 Abs. 3 bezeichneten Bediensteten ... nur, wenn sie es beantragen").

b) Der Wortlaut des § 77 Abs. 1 Satz 1 BPersVG spricht nur von der Beteiligung des "Personalrats". An dieser Stelle wird nichts über die Beteiligung der übrigen Personalvertretungsorgane auf der Stufe einer übergeordneten Dienststelle ausgesagt. Nach § 82 Abs. 4 BPersVG gelten jedoch für die Befugnisse der Stufenvertretung - hier der Hauptbetriebsvertretung - die §§ 69 ff. BPersVG "entsprechend". Der Gesetzgeber hat damit bei der Festlegung der Befugnisse der Stufenvertretung die in § 77 Abs. 1 Satz 1 BPersVG angeordnete Einschränkung der Beteiligungsbefugnisse nicht wieder aufgehoben. Wäre die Ansicht der Rechtsbeschwerde zutreffend, wonach die Ausnahme von der Beteiligungspflicht nach § 77 Abs. 1 Satz 1 BPersVG nur auf der Ebene der dem Personalrat zugeordneten Dienststelle gelte, so hätte für den Gesetzgeber anläßlich der Verabschiedung des Bundespersonalvertretungsgesetzes Anlaß für eine klarstellende Regelung bestanden. Schon zuvor hatte das Bundesverwaltungsgericht (Beschluß vom 23. September 1966 - VII P 13.65 - BVerwGE 25, 118 = AP Nr. 2 zu § 72 PersVG) entschieden, daß der § 77 Abs. 1 BPersVG inhaltsgleiche frühere § 72 PersVG ohne Rücksicht darauf Anwendung finde, welche Dienststelle entscheidungsbefugt ist. Dieser Rechtsprechung hatte sich das Schrifttum weitgehend angeschlossen (Grabendorff/Windscheid/Ilbertz/Widmaier, BPersVG, 6. Aufl., § 77 Rz 8; Fischer/Goeres, Personalvertretungsrecht des Bundes und der Länder, Teil 2, K § 77 Rz 7; Lorenzen/Eckstein/Haas/Schmitt, BPersVG, 4. Aufl., § 77 Rz 13; a.A. Dietz/Richardi, BPersVG, 2. Aufl., Stand April 1987, § 77 Rz 16; Altvater/Bacher/Sabottig/Schneider/Thiel, BPersVG, 2. Aufl., § 77 Rz 5).

c) Der Senat folgt der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts. Ihre Begründung überzeugt.

Träfe die von der Rechtsbeschwerde vertretene Auslegung zu, verbliebe der Vorschrift des § 77 Abs. 1 BPersVG kaum noch ein Anwendungsbereich. Personalangelegenheiten des Leiters einer Dienststelle und der weiteren in § 14 Abs. 3 BPersVG genannten Personen werden in der Regel von der übergeordneten Dienststelle entschieden, so daß der Personalrat der Dienststelle selbst nicht zu beteiligen ist. Für eine Einschränkung seiner Beteiligung dahin, daß diese nur auf Antrag der betroffenen Beschäftigten erfolgt, ist daher in diesen Fällen kein Raum.

Sinn und Zweck der Regelung in § 77 Abs. 1 Satz 1 BPersVG sprechen ebenfalls für die vom Bundesverwaltungsgericht und vom Landesarbeitsgericht vorgenommene Auslegung. Die eingeschränkte, an den Antrag des betroffenen Beschäftigten gebundene Mitwirkung der Personalvertretung zielt darauf ab, die Unabhängigkeit des Dienststellenleiters und der anderen vergleichbaren Beschäftigten gegenüber der Personalvertretung seiner Dienststelle sicherzustellen. Die Unabhängigkeit dieser Personen könnte schon dann gefährdet werden, wenn die Stufenvertretung gemäß § 82 Abs. 2 BPersVG den Personalrat der nachgeordneten Dienststelle anhören müßte, was hier nicht zu entscheiden ist. Nach den Vorstellungen des Gesetzgebers soll dieser Personenkreis, der in der Erfüllung seiner Dienstgeschäfte in einem natürlichen Interessengegensatz zum Personalrat seiner Dienststelle steht, selbst bestimmen, ob der Personalrat auf Entscheidungen in eigenen Personalangelegenheiten Einfluß nehmen darf oder nicht.

Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde steht dieser Auslegung auch nicht entgegen, daß der fragliche Personenkreis nach § 14 Abs. 3 BPersVG nur von der Wählbarkeit für den örtlichen Personalrat ausgeschlossen ist, gleichwohl aber in die Stufenvertretung selbst gewählt werden kann. Die Beteiligung der Stufenvertretung betrifft Angelegenheiten der nachgeordneten Dienststellen. An der Regelung dieser Angelegenheiten sind die in § 14 Abs. 3 BPersVG genannten Personen als Beschäftigte auch dieser Dienststellen interessiert. Von daher ist es sachgerecht, daß dieser Personenkreis auch in die Stufenvertretung wählbar ist. Mit dieser Regelung ist sehr wohl vereinbar, daß in Personalangelegenheiten, die diesen Personenkreis unmittelbar betreffen, die Stufenvertretung aus den genannten Gründen nur dann zu beteiligen ist, wenn der Beschäftigte es selbst beantragt und damit zum Ausdruck bringt, daß er sich durch eine solche Beteiligung in seiner Unabhängigkeit bei der Wahrnehmung seiner Dienstaufgaben nicht beeinträchtigt sieht.

Damit hat das Landesarbeitsgericht zu Recht das geltend gemachte Beteiligungsrecht der Hauptbetriebsvertretung verneint, so daß deren Rechtsbeschwerde unbegründet ist.

Dr. Kissel Dr. Heither Matthes

Koerner Mager

 

Fundstellen

Haufe-Index 436900

RdA 1988, 63

AP § 77 BPersVG (LT1), Nr 2

AR-Blattei, Personalvertretung IX Entsch 1 (LT1)

PersR 1988, 76-77 (LT)

PersV 1988, 459-460 (LT1)

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt TVöD Office Professional. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge