Entscheidungsstichwort (Thema)

Bindung an Verweisungsbeschluß

 

Normenkette

ZPO § 36 Nr. 6, § 281 Abs. 2 S. 2, § 11; ArbGG § 48 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Kaiserslautern (Beschluss vom 20.06.1990; Aktenzeichen 1 Ca 800/90)

 

Tenor

Als örtlich zuständiges Gericht wird das Arbeitsgericht Stuttgart bestimmt.

 

Tatbestand

I. Der Kläger war bei der Beklagten von Juli 1972 bis zum 31. Dezember 1989 als Außendienstmitarbeiter beschäftigt. Mit seiner Klage begehrt er die Feststellung, daß Gegenstand des Arbeitsverhältnisses eine Pensionsordnung von einem bestimmten Datum ist. Er hat die Klage zum Arbeitsgericht Kaiserslautern erhoben. Die Beklagte hat vorab die örtliche Unzuständigkeit des angerufenen Gerichts gerügt und den Standpunkt vertreten, Örtlich zuständig sei das Arbeitsgericht Stuttgart. Daraufhin hat der Kläger beantragt, den Rechtsstreit an das Arbeitsgericht Stuttgart zu verweisen.

Durch Beschluß vom 20. Juni 1990 hat das Arbeitsgericht Kaiserlautern sich für örtlich unzuständig erklärt und den Rechtsstreit auf Antrag des Klägers an das Arbeitsgericht Stuttgart verwiesen. Dieses verweigert die Übernahme, weil der Verweisungsbeschluß ohne mündliche Verhandlung durch den Vorsitzenden allein gefaßt worden ist.

Das Arbeitsgericht Kaiserslautern hat die Sache zur Entscheidung über das zuständige Gericht vorgelegt.

 

Entscheidungsgründe

II. Örtlich zuständiges Gericht ist das Arbeitsgericht Stuttgart.

1. Verweisungsbeschlüsse binden das Gericht, an das der Rechtsstreit verwiesen worden ist (§ 281 Abs. 2 Satz 2 ZPO). Lediglich eine offensichtlich gesetzwidrige Verweisung kann diese Bindungswirkung nicht erreichen (BAG Beschluß vom 29. September 1976 – 5 AR 232/76 – AP Nr. 20 zu § 36 ZPO, zu II 2 der Gründe, m.w.N.). Offensichtlich gesetzwidrig ist ein Verweisungsbeschluß dann, wenn er jeder Rechtsgrundlage entbehrt, willkürlich gefaßt ist oder auf der Versagung rechtlichen Gehörs gegenüber den Verfahrensbeteiligten oder einem von ihnen beruht (vgl. statt vieler BGHZ 71, 69, 72 f. = NJW 1978, 1163, 1164). Offensichtlich gesetzwidrig in diesem Sinne ist der Verweisungsbeschluß des Arbeitsgerichts Kaiserslautern jedoch nicht.

2. In erster Instanz erfolgt die Verweisung durch zu verkündenden Beschluß. Dieser Beschluß ergeht in der Regel durch die Kammer. Eine Verweisung durch Beschluß des Vorsitzenden allein setzt voraus, daß eine Güteverhandlung stattgefunden hat und die Parteien übereinstimmend eine Entscheidung durch den Vorsitzenden allein beantragt haben (§§ 54, 55 Abs. 3 ArbGG).

Die genannten Verfahrensvorschriften hat das Arbeitsgericht Kaiserslautern allerdings verletzt. Dieser Verfahrensfehler ist jedoch nicht so gravierend, daß man von der Rechtsunwirksamkeit des Verweisungsbeschlusses ausgehen müßte. Der Beschluß entbehrt auch nicht jeder Rechtsgrundlage, er ist inhaltlich nicht willkürlich und hat im übrigen das Erfordernis des rechtlichen Gehörs beachtet. Schließlich haben beide Parteien nachhaltig zum Ausdruck gebracht, daß sie die örtliche Zuständigkeit des Arbeitsgerichts Stuttgart annehmen und die Verhandlung vor diesem Gericht wünschen.

Die (örtliche oder sachliche) Zuständigkeit soll nur einmal geprüft werden, und zwar von dem zunächst angerufenen Gericht. Der Gesetzgeber will einen Zuständigkeitsstreit, der für die Parteien oder Beteiligten im Vergleich zur Sachentscheidung ohnehin keine erhebliche Bedeutung hat, nach Möglichkeit vermeiden. Deshalb kann das Gericht, an das der Rechtsstreit verwiesen worden ist, die Übernahme nicht mit der Begründung ablehnen, dem Verweisungsbeschluß hafte ein Verfahrensfehler an oder die Zuständigkeitsfrage müsse abweichend von der Auffassung des verweisenden Gerichts beurteilt werden.

 

Unterschriften

Dr. Thomas, Dr. Gehring, Dr. Olderog

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1073797

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