Ist der Erwerber tarifgebunden, so gestaltet sich die Abwicklung ohne große Schwierigkeiten. Der Flächen- oder Haustarifvertrag der übernehmenden Firma/Einrichtung als der speziellere Tarifvertrag gilt für alle Arbeitnehmer einheitlich.

Problematisch ist die Situation jedoch im Falle einer fehlenden Tarifbindung des Erwerbers.

3.6.1 Neu eingestellte Arbeitnehmer, Gleichbehandlung?

Mit den neu einzustellenden Arbeitnehmern kann der Betriebserwerber von Beginn an neugestaltete Arbeitsverträge ohne Tarifgeltung und ohne betriebliche Altersversorgung abschließen, wenn dies gewünscht ist.

Die Veränderungssperre von einem Jahr nach § 613a Abs. 1 S. 2 BGB gilt nur für die übernommenen Mitarbeiter, soweit sie in der alten Firma tarifgebunden waren.

Das Kollektivrecht, der beim Veräußerer bestehende Tarifvertrag und dessen Betriebsvereinbarungen, wird nur in bestehende, nicht dagegen in nach dem Übergang neu begründete Arbeitsverhältnisse transformiert.[1]

Eine Gleichbehandlung der neueingestellten mit den übernommenen Arbeitnehmern kann nicht aus dem Grundsatz betrieblicher Übung heraus gefolgert werden, da der Betriebsnachfolger gegenüber den übernommenen Arbeitnehmern nur die vertraglichen Grundlagen erfüllt, dagegen für Neueintretende keinen Zurechnungstatbestand begründet hat.[2]

Auch der Gleichbehandlungsgrundsatz aus Art. 3 GG führt zu keinem anderen Ergebnis: Zum einen ist eine Gruppenbildung zwischen übernommenen und neueingestellten Arbeitnehmern sehr wohl möglich. Zum anderen gibt es einen sachlichen Grund für die Ungleichbehandlung, da der Arbeitgeber für die übernommenen Arbeitnehmer nur seine gesetzliche Verpflichtung aus § 613a BGB erfüllt, während er für die neueingestellten Arbeitnehmer die Arbeitsverhältnisse nach seinen aktuellen wirtschaftlichen Bedürfnissen gestalten können muss. Es würde dem gesetzlichen Zweck des § 613a BGB – dem Schutz der übernommenen Arbeitnehmer – geradezu zuwiderlaufen, wenn die ehemaligen tarifvertraglichen Regelungen auch auf neueingestellte Arbeitnehmer angewendet werden müssten.[3]

Konsequenz der geschilderten Rechtslage ist es, dass beim Betriebserwerber ein Zwei-Klassen-System von Arbeitnehmern entsteht. Die Arbeitnehmer, die bereits vor dem Betriebsübergang beim Erwerber beschäftigt waren und die nach dem Betriebsübergang neu eingestellten Arbeitnehmer werden nach den arbeitsrechtlichen Konditionen des Erwerbers behandelt. Bei den übernommenen Arbeitnehmern dagegen werden die bisherigen Arbeitsverträge unter schuldrechtlicher Einbeziehung des Tarifvertrages des Veräußerers fortgeführt.

Dieses rechtlich zulässige "Zwei-Klassen-System" führt in der Folge unter Umständen zu erheblichem Unfrieden unter den Arbeitnehmern der Erwerberfirma.

[1] Schaub, Arbeitsrechts-Handbuch, § 119 II 1a.
[2] Schaub in Münchener Kommentar, § 613a Rdnr. 114.
[3] Zum Ganzen: Schaub, Arbeitsrechts-Handbuch, § 112.

3.6.2 Änderungskündigungen, einverständliche Vertragsänderungen

Da die Normen des früheren Tarifvertrages nur schuldrechtlich, also als Teil des Arbeitsvertrages, weitergelten, sind nach Ablauf eines Jahres Vertragsänderungen oder Änderungskündigungen – auch zum Nachteil des Arbeitnehmers – grundsätzlich zulässig.

  • Eine Modifizierung der bisherigen Arbeitsbedingungen durch eine betriebsbedingte Änderungskündigung ist nur gerechtfertigt, wenn

    • diese auf dringenden betrieblichen Erfordernissen beruht und
    • die vorgeschlagene Vertragsänderung für den Arbeitnehmer billigerweise hinnehmbar erscheint.[1]

    Allein auf das Argument, die übernommenen Mitarbeiter müssten mit den bisherigen oder neu eingestellten Mitarbeitern gleichbehandelt werden, kann die Kündigung nicht ­gestützt werden. Dies selbst dann nicht, wenn die übernommenen Mitarbeiter in der Minderheit sein sollten.[2]

    Die Voraussetzungen für eine Änderungskündigung liegen ausnahmsweise vor, wenn beim Erwerber eine andauernd schlechte Ertragslage gegeben ist und die Stilllegung des Betriebes oder Reduzierung der Belegschaft nur verhindert werden kann durch die angestrebte Senkung der Personalkosten.[3] Die Unrentabilität des Betriebes kann ein dringendes betriebliches Erfordernis für eine Änderungskündigung zur Entgeltreduzierung darstellen. Wegen der Einzelheiten (keine Möglichkeit, die Kosten durch andere Maßnahmen zu reduzieren, Notwendigkeit eines umfassenden Sanierungsplans usw.) wird auf die Ausführungen Option 2: Austritt aus dem Arbeitgeberverband verwiesen. Dem übernehmenden Arbeitgeber wird es selten gelingen, diese Erfordernisse zu beweisen.

  • Tatsächlich ist der Arbeitgeber auf das Einverständnis der Mitarbeiter angewiesen, wenn er sich von den Bedingungen des übernommenen Tarifvertrages lösen will. Einverständliche Vertragsänderungen, die die Leistungen des Tarifvertrages zum Nachteil des Arbeitnehmers verändern, sind nach Ablauf eines Jahres zulässig.

    Soweit der Tarifvertrag nur statisch, d. h. mit den zum Zeitpunkt des Betriebsübergangs gültigen Bestimmungen, weitergilt, erscheinen einverständliche Vertragsänderungen Erfolg versprechend. Denn die Arbeitnehmer nehmen an der künftigen Lohnentwicklung des Tarifvertrages nicht mehr teil. Verbreitet wird die...

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