2.3.1 Zulässigkeit und Wirkungen des Haus-/Firmentarifvertrages

Nach der Rechtsprechung des BAG ist im Falle des Abschlusses eines Firmentarifvertrages letzerer der speziellere gegenüber dem Flächentarifvertrag BAT[1] . Die gemeinsame Tarifzuständigkeit des einzelnen Arbeitgebers mit der Gewerkschaft für den Firmentarifvertrag hat einen stärkeren Bezug zu den Arbeitsverhältnissen und den betrieblichen Rechtsverhältnissen als die gemeinsame Tarifzuständigkeit der Gewerkschaft mit dem Arbeitgeberverband – Flächentarif.[2]

Konkret bedeutet dies, dass mit Abschluss des Firmentarifvertrages die Wirkung des Flächentarifvertrages entfällt (Grundsatz der Tarifeinheit).

Es kann jedoch ein Firmentarif nicht mit jeder beliebigen Gewerkschaft abgeschlossen werden. Die Gewerkschaft muss "tarifzuständig" sein.

Der neue Tarifvertrag wirkt jedoch nur dann unmittelbar auf das Arbeitsverhältnis ein, wenn Arbeitgeber und Arbeitnehmer bezüglich des neuen Tarifvertrages kongruent tarifgebunden sind.[3] In diesem Fall löst der neue Tarifvertrag den bisherigen Tarifvetrag ab ("Zeitkolli­sionsregel"[4]). Ein Günstigkeitsvergleich zwischen dem bisherigen und dem neuen Tarifvertrag findet nicht statt.

In der Rechtsprechung ist jedoch noch nicht abschließend geklärt, ob der Firmen-/Haustarifvertrag – z. B. über eine ergänzende Vertragsauslegung – auch für die nicht organisierten Arbeitnehmer gilt. Eine korrigierende bzw. ergänzende Vertragsauslegung wurde vom BAG jedoch angenommen, wenn der Arbeitgeber in der Nachwirkungsphase eines Tarifvertrages in einen anderen Arbeitgeberverband eintritt, der mit derselben Gewerkschaft einen Tarifvertrag abgeschlossen hat. Auch in einer Entscheidung zur Vergütung von Nichtgewerkschaftsmitgliedern nach einem Betriebsübergang hat das BAG betont, dass nichtorganisierte Arbeitnehmer – sofern lediglich eine Gleichstellungsabrede vereinbart wurde – keine Ansprüche geltend machen können, die über die Ansprüche der tarifgebundenen Kollegen hinausgehen würden.[5]

 
Praxis-Beispiel

Um eine Ablösung des BAT zu erzielen, muss der Firmentarifvertrag mit der Gewerkschaft "Ver.di" abgeschlossen werden.

Wird der Tarifvertrag dagegen mit einer konkurrierenden Gewerkschaft geschlossen, z. B. der Christlichen Gewerkschaft, so liegt ein Fall der "Tarifpluralität" vor: Der Arbeitgeber ist an mehrere Tarifverträge gebunden, der Arbeitnehmer, der nur Mitglied in einer Gewerkschaft ist, ist dagegen nur hinsichtlich eines Tarifvertrages gebunden.

Das BAG wendet zwar auch im letztgenannten Fall den Grundsatz der Tarifeinheit an mit der Folge, dass der speziellere Firmentarifvertrag den bisherigen Flächentarifvertrag grundsätzlich verdrängt.[6] Sind jedoch die bereits beschäftigten Mitarbeiter – aufgrund fehlender Mitgliedschaft in der den Firmentarifvertrag schließenden Gewerkschaft – nicht an den Tarifvertrag gebunden, so erfolgt keine Ablösung des BAT. Der neue Firmentarifvertrag gilt nur für die neu einzustellenden Mitarbeiter sowie Arbeitnehmer, die in der tarifschließenden Gewerkschaft (im letztgenannten Beispiel der "Christlichen Gewerkschaft") organisiert sind.

 
Wichtig

Nach den Satzungen der Kommunalen Arbeitgeberverbände sind die Mitglieder regelmäßig verpflichtet, auf den selbständigen Abschluss von Tarifverträgen zu verzichten. Abweichungen vom jeweils geltenden Tarifrecht sind unzulässig. Die Mitglieder des Arbeitgeberverbandes dürfen die geltenden Tarifverträge weder unterbieten noch mittelbar oder unmittelbar überschreiten.

 
Hinweis

Schließt der Arbeitgeber trotz der Verbandszugehörigkeit einen konkurrierenden oder ergänzenden Firmentarifvertrag, so ist dieser Firmentarifvertrag ungeachtet des Verstoßes gegen die Satzungsbestimmungen wirksam.[7]

Zwar verstößt der Arbeitgeber damit gegen seine Verbandspflichten und setzt sich u. U. einer Vertragsstrafe aus, die Wirksamkeit des Firmentarifvertrages wird dadurch aber nicht betroffen. Um Schwierigkeiten mit dem Arbeitgeberverband zu vermeiden, empfiehlt es sich,

  • entweder beim Arbeitgeberverband eine Ausnahmebewilligung zum Abschluss eines Firmentarifvertrages anzustreben
  • oder die Mitgliedschaft im Arbeitgeberverband zu kündigen und u. U. die Möglichkeit einer "Gastmitgliedschaft" im Arbeitgeberverband zu nutzen.
[1] BAG, Urt. v. 24.01.2001 – 4 AZR 655/99,

BAG, Urt. v. 20.03.1991 – AP Nr. 20 zu § 4 TVG Tarifkonkurrenz.

[2] Löwisch/Rieble; TVG § 4 Rdn. 306; im Ergebnis so auch: BAG 20.03.1991 – AP Nr. 20 zu § 4 TVG Tarifkonkurrenz.
[6] BAG, Urt. v. 05.09.1990 – BB 1991, 344; a. A. die h. M. in der Literatur; vgl. hierzu Schaub, in: Erfurter KOmmentare, Rdnr. 113 zu § 4 TVG.

2.3.2 Der "Tarifvertrag für die Versorgungsbetriebe" als Basis für einen Firmen-/Haustarifvertrag?

Am 5.10.2000 ist nach mehrjährigen Tarifverhandlungen der Tarifvertrag für die Versorgungsbetriebe (TV-V) abgeschlossen worden. Der TV-V ist zum 1.4.2002 in Kraft getreten; er konnte von den Versorgungsbetrieben bereits ab dem 1.4.2001 angewendet werden.

Der Tarifvertrag ...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt TVöD Office Professional. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge