Bei einer Weiterentwicklung herkömmlicher Gleitzeitregelungen in Richtung verlängerter Ansprechzeiten und größerer Kapazitätsorientierung der Arbeitszeitflexibilität stoßen die herkömmlichen Gleitzeitsysteme sehr schnell an ihre Grenzen, da sie erhebliche Restriktionen beinhalten, die überflüssig und bezogen auf die neue Zielsetzung hinderlich sind. Beispiele für solche Restriktionen sind:

Freie Tage auf Zeitkonto

Freie Tage auf Zeitkonto sind bei herkömmlichen Gleitzeitvereinbarungen in aller Regel nur bei positivem Gleitzeitsaldo möglich. Das bedeutet: Der Mitarbeiter muss auf seinem Gleitzeitkonto erst einige Stunden "erarbeitet" haben, bevor ein "Gleittag" genommen werden darf. Dadurch wird das Ansparen von Zeitguthaben zum Hauptinteresse der Mitarbeiter. Um dies wiederum zu vermeiden, wird meist nur ein Gleittag pro Monat zugelassen – mit einem anderen, aber keineswegs vernünftigeren Effekt: Das Ansammeln von Zeitguthaben wird immer noch honoriert, aber nur bis zu einem bestimmten Punkt, der seinerseits nicht den geringsten Bezug zu Arbeitsanfall oder Saisonverlauf aufweist. Gleichzeitig entstehtdurch die Monatsbindung des Gleittages ein großer Anreiz, diesen Tag, wenn möglich, auch tatsächlich jeden Monat zu nehmen – sonst verfällt er schließlich. Das wiederum setzt voraus, dass jeden Monat das entsprechende Zeitguthaben angespart wird. Dieser ganze Prozess vollzieht sich unabhängig von den betrieblichen Auslastungs- und Personalverfügbarkeitsschwankungen.

Übertragung von Zeitguthaben

Die übliche Regel, eine Übertragung von Zeitguthaben auf den Folgemonat nur bis zu einem bestimmten Höchstwert zuzulassen (meist 10 Stunden), schränkt die betrieblichen Flexibilitätsspielräume ein. Ein Effekt solcher Regelungen ist, dass zum Monatsende Mitarbeiter, die schon einige Guthabenstunden auf dem Zeitkonto haben, kaum mehr zu Zusatzarbeit (beispielsweise zu Vertretung erkrankter Kollegen) bereit sein werden, sie müssten ja dem Betrieb Arbeitsstunden schenken. Der unerwünschte Ausweg besteht in der Anordnung von Überstunden, die auf einem extra Überstundenkonto verrechnet werden und damit nicht der Übertragbarkeitsbegrenzung unterliegen. Manche Betriebe kennen allerdings auch die gesonderte Führung "wilder" Plusstundenkonten – etwa in einer speziellen Kartei beim jeweiligen Vorgesetzten. Dabei stellt sich dann aber das Problem der Gleichbehandlung, da eine einheitliche Linie aller Vorgesetzten in der Regel nicht besteht.

Übertragung von Zeitschulden

Meist dürfen Zeitschulden ab einer bestimmten Grenze (selten mehr, oft weniger als 10 Stunden) nicht mehr in den Folgemonat übertragen werden, ansonsten führen sie zu Entgeltabzügen. Dies führt dazu, dass die Mitarbeiter immer ein gewisses Zeitguthaben vorhalten. Auch wenn einmal weniger zu tun ist, wäre es schließlich riskant, allzuviel Minusstunden zu machen. Das bedeutet: letztlich werden die Mitarbeiter auch dann, wenn nichts zu tun ist und sie selbst lieber einen oder mehrere freie Tage nehmen würden, zum sinnlosen Absitzen ihrer Arbeitszeit gezwungen – mit häufig demotivierendem Effekt.

Lange Kernzeiten

Lange Kernzeiten erschweren das stundenweise Abbummeln von Zeitguthaben in Form von auch für die Mitarbeiter attraktiven mehrstündigen Freizeitblöcken (z.B. als halbe freie Tage). Gleichzeitig erzwingen lange Kernzeiten die Anwesenheit jedes einzelnen Mitarbeiters auch dann, wenn u. U. eine teilweise Besetzung der jeweiligen Funktion genügen würde. Und schließlich behindert eine lange Kernzeitspanne Gruppenabsprachen zur Sicherstellung einer verbesserten Ansprechbarkeit der jeweiligen Funktionen – etwa am späten (Freitag-)Nachmittag. Auch die Mitarbeiter, die dann länger bleiben müssen, dürfen ja nicht sehr viel später kommen als ihre Kollegen.

Folgerichtig beschränkt sich die Flexibilität vieler herkömmlicher Gleitzeitsysteme größtenteils auf die individuelle bedarfsgerechte Wahl des morgendlichen Arbeitsbeginns. Dieser liegt erfahrungsgemäß aus betrieblicher Sicht so gut wie nie zu spät, sehr oft aber zu früh. Genau umgekehrt verhält es sich beim Arbeitsende – bis hin zum Extrem des praktisch überhaupt nicht mehr besetzten Freitagnachmittags.

Überfrachtung der Kernzeiten

Da die Gleitzeitspannen "dem Arbeitnehmer gehören", der Arbeitgeber also insoweit kein Direktionsrecht hat, verlagert sich die betrieblich notwendige interne Kommunikation in die "Sphäre des Arbeitgebers", also in die Kernzeit. Angesichts der üblichen Gleitspannen-Nutzung ist es kaum möglich, beispielsweise Besprechungen außerhalb der Kernzeit anzusetzen. Damit ist aber die Ansprechbarkeit gegenüber den Kunden auch während der Kernzeit nicht mehr gewährleistet. Und qualifizierte Vertreter gibt es auch nur selten, weil ja die Kernzeit eine solche Abstimmung anscheinend unnötig macht.

Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass herkömmliche Gleitzeitregelungen als vornehmlich arbeitnehmerorientierte Arbeitszeitsysteme nicht mehr den modernen betrieblichen Anforderungen an flexible Arbeitszeitsysteme entspre...

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