2.1 Voraussetzungen

2.1.1 Bestehende Rechtsbeziehung

Der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz setzt voraus, dass zwischen Arbeitgeber und dem Arbeitnehmer, der sich auf den Gleichbehandlungsanspruch stützt, eine Rechtsbeziehung besteht, mithin regelmäßig ein bestehendes Arbeitsverhältnis. Vor Begründung und nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses besteht grundsätzlich kein Anspruch auf Gleichbehandlung. Eine Ausnahme besteht jedoch z. B. bei einem sog. Ruhestandsverhältnis. Dieses begründet eine Rechtsbeziehung. In Zeiten, in denen das Arbeitsverhältnis ruht, besteht es fort, sodass der Grundsatz prinzipiell weiterhin Anwendung findet.

 
Wichtig

Differenzierung nach Ruhenszeiten möglich

Damit ist die Frage, ob der Arbeitgeber eine Gruppenbildung nach dem Differenzierungsmerkmal "Ruhenszeiten" vornehmen kann, noch nicht entschieden. So verstößt es beispielsweise nicht gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz, wenn bei der Berechnung von Sozialabfindungen nach den Zeiten der tatsächlichen Arbeitsleistung differenziert und von der Beschäftigungszeit die Zeiten ausgenommen werden, in denen das Arbeitsverhältnis geruht hat.[1]

Das relativ einfache Kriterium "bestehende Rechtsbeziehung" wirft Probleme auf, wenn es um die räumliche Geltung des Gleichbehandlungsgrundsatzes geht: Die exakte Reichweite des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes ist aufgrund seiner fehlenden positivrechtlichen Verankerung bislang nicht abschließend geklärt. Das betrifft insbesondere die Frage, ob sich dieser auf die in dem Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer beschränkt oder wegen der Anknüpfung an die Arbeitgeberstellung auf das gesamte Unternehmen erstreckt, sodass auch unterschiedliche Behandlungen der Arbeitnehmer in verschiedenen Betrieben den Rechtfertigungskriterien des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes genügen müssen. Die ältere Auffassung wandte den Gleichbehandlungsgrundsatz lediglich betriebsbezogen an.[2] Die h. M. geht heute allerdings von einer unternehmensbezogenen Reichweite aus.[3] Dem folgt auch das BAG seit der Grundsatzentscheidung vom 17.11.1998. Jedenfalls dann, wenn eine verteilende Entscheidung des Arbeitgebers nicht auf einen einzelnen Betrieb beschränkt ist, sondern sich auf alle oder mehrere Betriebe des Unternehmens bezieht, ist auch die Gleichbehandlung betriebsübergreifend zu gewährleisten. Eine Unterscheidung zwischen den einzelnen Betrieben ist nur zulässig, wenn es hierfür sachliche Gründe gibt.[4] Eine Pflicht zur Gleichbehandlung im Konzern wird hingegen nach wie vor überwiegend abgelehnt.[5]

 
Praxis-Beispiel

Betriebsübergang, Gemeinschaftsbetrieb, mehrere Betriebe im Unternehmen

Gleichbehandlung nach Betriebsübergang: Kommt es zur Veräußerung eines Betriebs und Eingliederung der Neubelegschaft in einen bestehenden Betrieb, greift der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz. Ungleichbehandlungen bleiben jedoch auch wegen § 613a BGB sachlich gerechtfertigt[6], jedenfalls so lange, bis eine neue allgemeine Regel (etwa für Neueingestellte) aufgestellt wird. So ist es beispielsweise zulässig, nur denjenigen Mitarbeitern des Veräußerers eine Lohnerhöhung zu gewähren, die einen neuen Standardvertrag unterschrieben haben.[7]

Gleichbehandlung im Gemeinschaftsbetrieb mehrerer Unternehmen: Hier hängt die Pflicht zur Gleichbehandlung von der Reichweite der Regelungskompetenz der gemeinsamen Betriebsleitung ab. Alles, was die gemeinsame Betriebsleitung für die Belegschaft beider Unternehmen faktisch regeln kann, muss sich an der Gleichbehandlung orientieren.

Gleichbehandlung im Unternehmen: Hat ein Unternehmen mehrere Betriebe, besteht nach der heute h. M. die Pflicht zur Gleichbehandlung aller Arbeitnehmer. Allerdings wird man hier besonderes Augenmerk auf die sachliche Rechtfertigung von Unterschieden legen müssen. Das BAG erkennt an, dass die räumliche Entfernung zwischen verschiedenen Betrieben desselben Unternehmens, deren mögliche Zugehörigkeit zu unterschiedlichen Branchen sowie die zwischen ihnen bestehenden organisatorischen Trennlinien, Differenzierungen aus der Sicht des Arbeitgebers eher erforderlich und aus der Sicht der Arbeitnehmer eher erträglich machen können.[8] Solche Elemente können je nach den Gegebenheiten erhebliches Gewicht haben und eine betriebsbezogene Gruppenbildung rechtfertigen.

[2] MüHdbAR/Fischinger, Band 1, § 14, Rz. 12.
[3] Für die vorherrschende Auffassung im Schrifttum stellvertretend: ErfK/Preis, 24. Aufl. 2024, § 611a BGB Rz. 677 f. m. w. N.; vermittelnder Ansatz s. Bepler, Beil. zu NZA Heft 18/2004, S. 3 ff.
[5] Sehr umstritten s. die Nw. bei ErfK/Preis, 24. Aufl. 2024, BGB § 611a, Rz. 681.
[6] Bei Übernahme von Belegschaften dürfen diese Beschäftigten im Sinne einer Besitzstandswahrung besser als die Stammbelegschaft behandelt werden, BAG, Urteil v. 29.8.2001, 4 AZR 352/00.

2.1.2 Gruppenbildung

Die Anwendbarkeit des arbeitsrechtlichen Gleic...

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