Der Kläger hat gegen den Beklagten einen Anspruch auf Zahlung von 1.647,00 DM (= 842,10 Euro) brutto aus § 10 Abs. 1 Satz 1 BBiG. Nach dieser Vorschrift hat der Ausbildende dem Auszubildenden eine angemessene Vergütung zu gewähren. Dieser Anspruch ist nach § 18 BBiG unabdingbar. Die dem Kläger gezahlte Ausbildungsvergütung war nicht angemessen. Der Ausbildungsvertrag ist insoweit, als eine niedrigere Vergütung vereinbart wurde, nach § 134 BGB unwirksam. Geschuldet ist anstelle der vereinbarten Vergütung die angemessene Vergütung. Diese liegt bei 1.269,00 DM (648,83 Euro) brutto monatlich.
1. Die Ausbildungsvergütung hat nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts regelmäßig drei Funktionen. Sie soll zum einen dem Auszubildenden bzw. seinen Eltern zur Durchführung der Berufsausbildung eine finanzielle Hilfe sein, zum anderen die Heranbildung eines ausreichenden Nachwuchses an qualifizierten Fachkräften gewährleisten und schließlich eine Entlohnung darstellen (schriftlicher Bericht des Ausschusses für Arbeit, BT-Drucks. V/4260 S 9; BAG 8. Dezember 1982 – 5 AZR 474/80 – BAGE 41, 142, zu II 6a der Gründe; 11. Oktober 1995 – 5 AZR 258/94 – BAGE 81, 139, zu II 1 der Gründe; 30. September 1998 – 5 AZR 690/97 – AP BBiG § 10 Nr. 8 = EzA BBiG § 10 Nr. 4, zu II 1 der Gründe; 15. November 2000 – 5 AZR 296/99 – BAGE 96, 237, zu IV 3a der Gründe). Danach ist eine Vergütung angemessen, wenn sie hilft, die Lebenshaltungskosten zu bestreiten und zugleich eine Mindestentlohnung für die in dem jeweiligen Gewerbezweig bestimmbare Leistung des Auszubildenden darstellt (BAG 30. September 1998 – 5 AZR 690/97 – aaO, zu II 1 der Gründe; 8. Dezember 1982 – 5 AZR 474/80 – aaO, zu II 6a der Gründe; BVerwG 26. März 1981 – 5 C 50/80 – BVerwGE 62, 117; 20. Mai 1986 – 1 C 12/86 – EzB BBiG § 10 Abs. 1 Nr. 48).
§ 10 Abs. 1 Satz 1 BBiG enthält jedoch nur eine Rahmenvorschrift (BT-Drucks. V/4260 S 9). Es ist zunächst Sache der Vertragsparteien, die Höhe der Vergütung festzulegen, sofern nicht bei Tarifgebundenheit beider Parteien oder bei Allgemeinverbindlichkeit die tariflichen Sätze maßgebend sind. Die Vertragsparteien haben einen Spielraum. Daraus folgt, daß sich die Überprüfung nur darauf erstreckt, ob die vereinbarte Vergütung die Mindesthöhe erreicht, die noch als angemessen anzusehen ist (BAG 10. April 1991 – 5 AZR 226/90 – BAGE 68, 10, zu II 2 und 3 der Gründe; 11. Oktober 1995 – 5 AZR 258/94 – aaO, zu II 1 der Gründe und 30. September 1998 – 5 AZR 690/97 – aaO, zu II 2 der Gründe). Dabei kommt dem Revisionsgericht – ebenso wie bei § 315 BGB (BAG 26. Juli 2001 – 6 AZR 434/99 – EZBAT BAT § 8 Direktionsrecht Nr. 50, zu IV 1 der Gründe; 7. Dezember 2000 – 6 AZR 444/99 – AP BGB § 611 Direktionsrecht Nr. 61 = EzA BGB § 611 Direktionsrecht Nr. 23, zu IV 1 der Gründe; 29. August 1991 – 6 AZR 593/88 – AP BGB § 611 Direktionsrecht Nr. 38 = EzA BGB § 611 Direktionsrecht Nr. 6, zu III 1a der Gründe) – ein unbeschränktes Überprüfungsrecht zu (BAG 30. September 1998 – 5 AZR 690/97 – aaO, zu II 2 der Gründe).
Die Angemessenheit der Vergütung wird unter Abwägung der Interessen beider Vertragspartner und unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalls festgestellt (BAG 15. November 2000 – 5 AZR 296/99 – aaO, zu IV 3a der Gründe). Hierbei ist auf die Verkehrsanschauung abzustellen. Wichtigster Anhaltspunkt dafür sind die einschlägigen Tarifverträge, da sie von den Tarifvertragsparteien ausgehandelt sind und anzunehmen ist, daß die Interessen beider Seiten hinreichend berücksichtigt sind. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist eine Ausbildungsvergütung, die sich an einem entsprechenden Tarifvertrag ausrichtet, stets als angemessen anzusehen (18. Juni 1980 – 4 AZR 545/78 – BAGE 33, 213, 219; 8. Dezember 1982 – 5 AZR 474/80 – aaO, zu II 6a der Gründe; 11. Oktober 1995 – 5 AZR 258/94 – aaO, zu II 3 der Gründe; 30. September 1998 – 5 AZR 690/97 – aaO, zu II 3 der Gründe). Vertraglich vereinbarte Ausbildungsvergütungen sind dann nicht mehr angemessen iSv. § 10 Abs. 1 Satz 1 BBiG, wenn sie die in einem einschlägigen Tarifvertrag enthaltenen Vergütungen um mehr als 20 % unterschreiten (BAG 10. April 1991 – 5 AZR 226/90 – aaO, zu II 4b der Gründe).
2. Nur wenn eine tarifliche Regelung fehlt, kann auf branchenübliche Sätze abgestellt oder eine der Verkehrsauffassung des betreffenden Industriezweiges entsprechende Vergütung zugrunde gelegt werden. In diesem Fall kann auf die Empfehlungen der Kammern oder Handwerksinnungen zurückgegriffen werden. Derartige Empfehlungen sind zwar nicht verbindlich. Sie sind jedoch ein wichtiges Indiz für die Angemessenheit der empfohlenen Sätze. Allerdings kann die angemessene Vergütung im Einzelfall auch darunter – oder insbesondere bei lange Zeit nicht geänderten Empfehlungen – auch darüber liegen (BAG 30. September 1998 – 5 AZR 690/97 – aaO, zu II 3 der Gründe; 25. April 1984 – 5 AZR 540/82 – EzB BBiG § 10 Abs. 1 Nr. 45, zu II 1 der Gründe).
3. Die Vergütung muß während der gesamten Ausbildungszeit angemessen sein. Das ergibt sich bereits aus dem Wortlaut des § 10 Abs. 1 Satz 1 BBiG, aber auch aus dem Sinn und Zweck der Bestimmung. Diese stellt nicht auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses ab. Es ist eine jeweils angemessene Vergütung zu gewähren. Was angemessen ist, kann sich ändern. Bei Dauerschuldverhältnissen, wie dem Berufsausbildungsverhältnis, kann sich die Prüfung der Angemessenheit sinnvollerweise nur auf die jeweiligen Zeitabschnitte und nicht auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses beziehen (BAG 30. September 1998 – 5 AZR 690/97 – aaO, zu II 4 der Gründe).
4. Der Auszubildende trägt die Darlegungs- und Beweislast dafür, daß die vereinbarte Vergütung nicht angemessen iSv. § 10 Abs. 1 Satz 1 BBiG ist. Er genügt seiner Darlegungslast im Regelfall damit, daß er sich auf einschlägige tarifliche Vergütungssätze – oder, falls es solche nicht gibt, – auf Empfehlungen von Kammern und Innungen stützt und darlegt, daß die ihm gezahlte Vergütung um mehr als 20 % darunter liegt. Der Ausbildende kann sich dann nicht auf den Vortrag beschränken, die von ihm gezahlte Vergütung sei angemessen. Er hat im einzelnen zu begründen, warum dies der Fall sein soll. Zu einem substantiierten Bestreiten des Ausbildenden gehört auch die Darlegung, warum im Einzelfall ein von den geschilderten Grundsätzen abweichender Maßstab gelten soll (BAG 30. September 1998 – 5 AZR 690/97 – aaO, zu II 5 und 6 der Gründe).
5. Es ist sachgerecht, als Vergleichsmaßstab auch für die nicht tarifgebundenen Parteien Tarifverträge heranzuziehen, weil sie von Tarifvertragsparteien ausgehandelt worden sind und anzunehmen ist, daß die Interessen beider Seiten hinreichend berücksichtigt worden sind. Dem Umstand, daß die Parteien nicht tarifgebunden sind und eine Allgemeinverbindlichkeit der tariflichen Ausbildungsvereinbarungen nicht generell vorgesehen ist, trägt die Rechtsprechung Rechnung. Zum einen nimmt das Bundesarbeitsgericht eine zu weitreichende Abweichung im Regelfall erst bei einer Unterschreitung der in einem einschlägigen Tarifvertrag enthaltenen Vergütungen um mehr als 20 % an. Zum anderen hat der Arbeitgeber auch in einem solchen Fall die Möglichkeit, unter Darlegung eines abweichenden Maßstabes zu begründen, warum die Vergütung im Einzelfall doch als angemessen erscheint. Dies ist nicht erfolgt. Ein anderer Vergleichsmaßstab steht nicht zur Verfügung. Es ist nicht angezeigt, den Empfehlungen der Kammern und Innungen ein größeres Gewicht beizumessen. Auf diese Empfehlungen kann zurückgegriffen werden, wenn einschlägige Tarifverträge nicht bestehen. Bestehen einschlägige Tarifverträge, sind die Empfehlungen nicht zugrunde zu legen, weil sie nicht von Vertretern der Arbeitgeber und der Arbeitnehmerseite ausgehandelt worden sind und damit nicht die gleiche Gewähr wie Tarifverträge für die angemessene Berücksichtigung der Interessen beider Seiten bieten.
Der Hinweis der Revision, tarifvertraglich ausgehandelte Ausbildungsvergütungen seien nicht heranzuziehen, überzeugt demgegenüber nicht. Es ist nicht ersichtlich, warum statt dessen auf die Empfehlung des Landesfachverbandes Berlin-Brandenburg Grüstbau-Innung e.V. vom 18. August 1997 für Auszubildende unter 18 Jahren abzustellen sein soll. Die Argumentation ist zudem widersprüchlich. Während einerseits Tarifverträgen die Funktion abgesprochen wird, als Vergleichsmaßstab zur Bestimmung der Angemessenheit der Vergütung zu dienen, will der Beklagte andererseits auf eine Empfehlung zurückgreifen, die im Ergebnis zu der Zahlung einer Ausbildungsvergütung eines branchenfremden Tarifvertrages führt. Es läßt sich nicht begründen, den einschlägigen Tarifvertrag außer Acht zu lassen, um dann einem nicht einschlägigen Tarifvertrag entscheidendes Gewicht beizumessen.
Soweit die Revision darauf hinweist, die tariflichen Ausbildungsvergütungen seien abgesenkt worden, übersieht sie, daß es auf die Angemessenheit für den jeweiligen Zeitabschnitt ankommt. Dieser Grundsatz wird für den Fall, daß die tariflichen Ausbildungsvergütungen später angehoben werden, nicht in Frage gestellt. Für den hier gegebenen (seltenen) Fall der Reduzierung der tariflichen Ausbildungsvergütung kann nichts anderes gelten.
Schließlich beruft sich der Beklagte ohne Erfolg darauf, daß der einschlägige Tarifvertrag nicht berücksichtigt werden könne, weil er jedenfalls für kleine und mittelständische Betriebe zu hohe Ausbildungsvergütungen vorsehe. Tarifverträge können für ihren Bereich die Angemessenheit nicht von den persönlichen Verhältnissen des Auszubildenden oder von der Größe eines Ausbildungsbetriebes abhängig machen (BAG 25. April 1984 – 5 AZR 540/82 – aaO, zu II 4 der Gründe).
6. Danach erweist sich die vereinbarte Ausbildungsvergütung als unangemessen, weil sie die tarifliche Ausbildungsvergütung um mehr als 40 % unterschreitet. Es hätte einer eingehenden Begründung des Beklagten bedurft, warum die Höhe der Ausbildungsvergütung dennoch als angemessen anzusehen sei. Wie das Landesarbeitsgericht zutreffend ausgeführt hat, ist dies vom Beklagten nicht dargelegt worden.
7. Die vom Beklagten erhobene Verfahrensrüge führt zu keinem anderen Ergebnis.
Unterbleibt ein nach § 139 ZPO gebotener Hinweis, so begründet dies einen Verfahrensmangel (§ 551 Abs. 3 Nr. 2b ZPO), der gleichzeitig eine Verletzung des Rechts auf rechtliches Gehör oder des Willkürverbots darstellen kann. Die Revisionsrüge setzt voraus, daß die Partei im einzelnen vorträgt, wie sie auf den unterbliebenen rechtlichen Hinweis hin reagiert hätte. Darüber hinaus muß entweder offenkundig sein oder vom Revisionskläger im einzelnen die Möglichkeit dargelegt werden, daß ohne die gerügte Verfahrensverletzung anders entschieden worden wäre (BAG 11. Dezember 1975 – 2 AZR 426/74 – AP KSchG 1969 § 15 Nr. 1, zu II 3a der Gründe; 14. Dezember 2000 – 8 AZR 220/00 – nv., zu II 2b der Gründe; Stadler in Musielak ZPO 3. Aufl. § 139 Rn. 4).
Die vom Beklagten erhobene Rüge ist bereits unzulässig. Die Revision hat nicht dargelegt, daß ohne die gerügte Verfahrensverletzung anders entschieden worden wäre. Die Rüge ist darüber hinaus unbegründet. Die Revisionsbegründung hat nicht dargelegt, welcher neuer Sachvortrag zu der Frage der Angemessenheit der Vergütung iSv. § 10 Abs. 1 Satz 1 BBiG bei einem Hinweis gemäß § 139 ZPO erfolgt wäre, der zu einer anderen rechtlichen Beurteilung hätte Anlaß geben können.
8. Da die vereinbarte Ausbildungsvergütung des Klägers nicht angemessen iSv. § 10 Abs. 1 Satz 1 BBiG war, ist die getroffene Abrede nach § 134 BGB rechtsunwirksam. Anstelle der unwirksamen vertraglichen Regelung hat der Kläger Anspruch auf die nach § 10 Abs. 1 Satz 1 BBiG zu bemessende angemessene Vergütung. Mangels anderer Anhaltspunkte ist dabei auf die tarifliche Vergütung abzustellen.
Eine geltungserhaltende Reduktion der vertraglichen Vereinbarung bis zur Grenze dessen, was noch als angemessen anzusehen ist, kommt nicht in Betracht. Dies würde zu einer mit dem Schutzzweck des § 10 BBiG nicht zu vereinbarenden Begünstigung des Ausbildenden, der eine möglichst niedrige, sich weit von den tariflichen Regelungen entfernende Ausbildungsvergütung zahlt, führen. Ob hiervon auf Grund besonderer Umstände eine Abweichung im Einzelfall möglich ist, bedarf keiner Vertiefung. Derartige besondere Umstände sind vorliegend nicht ersichtlich.