Sozialversicherungspflicht von Honorarärzten in Krankenhäusern

Ärzte, die als Honorarärzte in einem Krankenhaus tätig sind, sind in dieser Tätigkeit regelmäßig nicht als Selbstständige anzusehen, sondern unterliegen als Beschäftigte des Krankenhauses der Sozialversicherungspflicht. Dies hat der 12. Senat des Bundessozialgerichts (BSG) entschieden.

Unter Honorarärzten versteht man Mediziner, die häufig nebenberuflich und zeitlich befristet auf Basis individueller Einsätze für mehrere Auftraggeber tätig sind. Dafür erhalten sie ein Honorar, das über dem Entgelt der angestellten Ärzte liegt. Bis ins Jahr 2015 soll laut der Deutschen Krankenhausgesellschaft jedes zweite Krankenhaus solche Mediziner beauftragt haben. Der Bundesverband der Honorarärzte selbst spricht von aktuell 5.000 Medizinern in Deutschland.

BSG: Honorarärzte-Modell zum Schließen von Personallücken ungeeignet

Kliniken dürfen Ärzte nur im Ausnahmefall als freie Mitarbeiter beschäftigen. Bisher griffen vor allem Kliniken im ländlichen Raum gern auf freiberufliche Mediziner zurück, um Personallücken zu schließen. Doch Honorarärzte seien keine Lösung für einen etwaigen Fachkräftemangel: «Krankenhäuser und Ärzte können die soweit bestehenden Probleme nicht dadurch lösen, dass sie einen Honorarvertrag vereinbaren», sagte BSG-Präsident Rainer Schlegel.

Merkmale abhängiger Beschäftigung bei Honorarärzten in der Regel gegeben

Gegenstand des Verfahren war die Statusfeststellung nach § 7a Sozialgesetzbuch IV (SGB IV):

Beschäftigung ist die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers.

Bei einer Tätigkeit als Arzt ist eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung nicht von vornherein wegen der besonderen Qualität der ärztlichen Heilkunde als Dienst "höherer Art" ausgeschlossen, so die BSG-Richter. Entscheidend ist, ob die Betroffenen weisungsgebunden beziehungsweise in eine Arbeitsorganisation eingegliedert sind.

Letzteres ist bei Ärzten in einem Krankenhaus regelmäßig gegeben, weil dort ein hoher Grad der Organisation herrscht, auf die die Betroffenen keinen eigenen, unternehmerischen Einfluss haben. So sind Anästhesisten - wie die Ärztin im Leitfall - bei einer Operation in der Regel Teil eines Teams, das arbeitsteilig unter der Leitung eines Verantwortlichen zusammenarbeiten muss. Die Fachärztin für Anästhesie hatte im Tag- und Bereitschaftsdienst in zwei Kliniken des Landkreises Aichach-Friedberg gearbeitet.

Auch die Tätigkeit als Stationsarzt setzt regelmäßig voraus, dass sich die Betroffenen in die vorgegebenen Strukturen und Abläufe einfügen.

Im Leitfall war die Ärztin wiederholt im Tag- und Bereitschaftsdienst und überwiegend im OP tätig. Auch im Fall eines Arztes aus Rheinland-Pfalz, der im Nebenverdienst Bereitschaftsdienste in einer geriatrischen Fachklinik abdeckte, bejahten die Bundesrichter die Sozialversicherungspflicht.

Honorarärzte nutzen Ressourcen des Krankenhauses

Hinzu kommt, dass Honorarärzte ganz überwiegend personelle und sachliche Ressourcen des Krankenhauses bei ihrer Tätigkeit nutzen. So war die Ärztin hier nicht anders als beim Krankenhaus angestellte Ärzte vollständig eingegliedert in den Betriebsablauf. Unternehmerische Entscheidungsspielräume sind bei einer Tätigkeit als Honorararzt im Krankenhaus regelmäßig nicht gegeben.

Die Honorarhöhe ist nur eines von vielen in der Gesamtwürdigung zu berücksichtigenden Indizien und vorliegend nicht ausschlaggebend.

Fachkräftemangel kann kein Grund für abweichende Beurteilung sein

Ein etwaiger Fachkräftemangel im Gesundheitswesen hat keinen Einfluss auf die rechtliche Beurteilung des Vorliegens von Versicherungspflicht. Sozialrechtliche Regelungen zur Versicherungs- und Beitragspflicht können nicht außer Kraft gesetzt werden, um eine Steigerung der Attraktivität des Berufs durch eine von Sozialversicherungsbeiträgen "entlastete" und deshalb höhere Entlohnung zu ermöglichen (BSG, Urteile v. 4.6.2019, B 12 R 11/18 R als Leitfall).

Folgen für die Krankenhäuser

Kliniken, die zur Überbrückung von Personalengpässen auf Honorarärzte zurückgriffen haben, die nun als sozialversicherungspflichtig Beschäftigte angesehen wurden, kann es passieren, dass sie Sozialversicherungsbeiträge an die Deutsche Rentenversicherung nachzahlen müssen. Die Ansprüche auf Sozialversicherungsbeiträge gegen die Arbeitgeber verjähren in 4 Jahren nach Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Beiträge fällig geworden sind. Die Beschäftigten selbst können nur bis zu drei Monate in Anspruch genommen werden.

Juristen und Mediziner erwarten erhebliche Auswirkungen des Urteils: «Das aktuelle BSG-Urteil verschärft die Personalsituation deutscher Krankenhäuser und wird die Versorgungsrealität im deutschen Gesundheitswesen spürbar ändern», sagte Sören Langner, Fachanwalt für Arbeitsrecht und Partner der Wirtschaftskanzlei CMS Deutschland. Ähnliches erwartet Nicolai Schäfer, Vorsitzender des Bundesverbands der Honorarärzte. Das Urteil werde die Zeitarbeit als Alternative zum Honorararzt fördern und Kosten erhöhen.

Schon am kommenden Freitag urteilt der 12. Senat Freitag über weitere vier Revisionen von Honorarkräften in stationären Pflegeeinrichtungen. Dass die Bundesrichter in diesen Fällen zu einem grundsätzlichen anderen Ergebnis kommen, ist äußerst unwahrscheinlich (Az.: B 12 R 11/18 R u.a.).

Pressemitteilung BSG / dpa