Kopftuchverbot für Rechtsreferendarinnen verfassungsgemäß

Darf der Gesetzgeber Rechtsreferendarinnen verbieten, ein Kopftuch zu tragen? Zu dieser Frage hat das Bundesverfassungsgericht aktuell entschieden - und dies bejaht. Die Entscheidung des Gesetzgebers, sich im Rechtsreferendariat in weltanschaulich-religiöser Hinsicht neutral zu verhalten, sei aus verfassungsrechtlicher Sicht zu respektieren. 

Die Beschwerdeführerin war Rechtsreferendarin im Land Hessen und trägt ein Kopftuch in der Öffentlichkeit. Bereits vor Aufnahme der Ausbildung wurde sie durch das Oberlandesgericht darüber belehrt, dass sich nach hessischer Gesetzeslage Rechtsreferendare im juristischen Vorbereitungsdienst religiös neutral gegenüber Bürgerinnen und Bürgern zu verhalten haben. Sie dürfe daher bei Tragen eines Kopftuchs keine Tätigkeiten ausüben, bei denen sie als Repräsentantin der Justiz oder des Staates wahrgenommen werden könnte.

Gegen die entsprechende Verwaltungspraxis stellte die Beschwerdeführerin beim Verwaltungsgericht einen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz, den der Hessische Verwaltungsgerichtshof in der Beschwerdeinstanz zurückwies. Das von der Beschwerdeführerin beim Verwaltungsgericht ebenfalls angestrengte Klageverfahren ruht derzeit.

Eingriff in Glaubensfreiheit gerechtfertigt

Nun hat das Bundesverfassungsgericht in der Sache entschieden: Das Verbot greife zwar in die Glaubensfreiheit der Klägerin ein, entschieden die Richter. Dies sei aber durch andere Verfassungsgüter gerechtfertigt - etwa die Verpflichtung des Staates zu religiöser Neutralität und die Funktionsfähigkeit der Rechtspflege. 

Neutralität des Staates

Als rechtfertigendes Verfassungsgut kämen zum einen der Grundsatz der weltanschaulich-religiösen Neutralität des Staates in Betracht. Die Verpflichtung des Staates auf Neutralität kann keine andere sein als die Verpflichtung seiner Amtsträger auf Neutralität, denn der Staat kann nur durch Personen handeln. Allerdings muss sich der Staat nicht jede bei Gelegenheit der Amtsausübung getätigte private Grundrechtsausübung seiner Amtsträger als eigene zurechnen lassen. Eine Zurechnung kommt aber insbesondere dann in Betracht, wenn der Staat – wie im Bereich der Justiz – auf das äußere Gepräge einer Amtshandlung besonderen Einfluss nimmt. 

Funktionsfähigkeit der Rechtspflege

Als weiteres Verfassungsgut verwies das Gericht auf die Funktionsfähigkeit der Rechtspflege, die zu den Grundbedingungen des Rechtsstaats zählt und im Wertesystem des Grundgesetzes fest verankert ist, da jede Rechtsprechung letztlich der Wahrung der Grundrechte dient. Funktionsfähigkeit setzt voraus, dass gesellschaftliches Vertrauen nicht nur in die einzelne Richterpersönlichkeit, sondern in die Justiz insgesamt existiert. Für die Rechtfertigung eines Kopftuchverbots streitet im vorliegenden Zusammenhang letztlich auch die negative Religionsfreiheit der Verfahrensbeteiligten. Anders als im Bereich der bekenntnisoffenen Gemeinschaftsschule, in der sich gerade die religiös-pluralistische Gesellschaft widerspiegeln soll, tritt der Staat dem Bürger in der Justiz klassisch-hoheitlich und daher mit größerer Beeinträchtigungswirkung gegenüber.

Keine der kollidierenden Rechtspositionen überwiegt

Das Gericht entschied: Angesichts der konkreten Ausgestaltung des verfahrensgegenständlichen Verbots käme keiner der kollidierenden Rechtspositionen ein derart überwiegendes Gewicht zu, das verfassungsrechtlich dazu zwänge, der Beschwerdeführerin das Tragen religiöser Symbole im Gerichtssaal zu verbieten oder zu erlauben. Die Entscheidung des Gesetzgebers für eine Pflicht, sich im Rechtsreferendariat in weltanschaulich-religiöser Hinsicht neutral zu verhalten, sei daher aus verfassungsrechtlicher Sicht zu respektieren.

(BVerfG, Beschluss v. 14.1.2020, 2 BvR 1333/17)

BVerfG PM Nr. 13/2020 v. 27. Februar 2020
Schlagworte zum Thema:  Bundesverfassungsgericht, Diskriminierung