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Zentrales digitales Postsystem: Fraunhofer-Studie zeigt konkreten Mehrwert am Beispiel des Wohngelds


Zentrales digitales Postsystem Wohngeld

Ein im Juli 2025 erschienenes Whitepaper zeigt, wie digitale Postsysteme die Kommunikation zwischen Behörden und Bürgern verbessern können. Am Beispiel der Wohngeldbeantragung in Bayern berechnen die Studienmacher die Zeit- und Personal- und Ressourceneinsparungen, von denen öffentliche Verwaltungen und Antragsteller profitieren könnten.

Das Zukunftsszenario für die deutsche Verwaltung wurde vom neuen Bundesdigitalminister, Karsten Wildberger, bereits klar benannt: Beim sogenannten „Push-Government“, der antragslosen Verwaltung, bedarf es nur noch in Einzelfällen einer schriftlichen Zwei-Wege-Kommunikation zwischen Behörde und Bürger. Bis dieses Idealstadium erreicht ist, soll in der Zwischenzeit schon einmal ein zentrales digitales Postsystem eine sichere, strukturierte und schnelle Kommunikation auf Augenhöhe zwischen Verwaltung und Gesellschaft ermöglichen. Eine neue Studie und ein darauf basierendes Whitepaper mit dem Titel „Zentrales digitales Postsystem. Dreh- und Angelpunkt einer modernen öffentlichen Verwaltung“ des Fraunhofer FIT, des FIM Forschungsinstituts für Informationsmanagement, der Bayerischen Agentur für Digitales (byte) sowie der Universität Bayreuth demonstrieren, welchen Mehrwert ein funktionierendes zentrales Postfach haben kann.

Gute Erfahrungen, schlechte Erfahrungen

In dem Whitepaper sehen die Forscher in den Erfahrungen mit der De-Mail in Deutschland ein warnendes Beispiel, wie es nicht laufen soll. Denn sie blieb in der Breite aus teilweise nachvollziehbaren Gründen ungenutzt. Im Gegensatz dazu sind digitale Postsysteme in Ländern wie Dänemark, Estland und Australien längst Teil des Alltags. Dort erzielen sie eine hohe Akzeptanz und echte Effizienzgewinne für Verwaltungsprozesse. An diesen Vorbildern sollten sich auch die deutschen Verwaltungen orientieren.

Beispiel Wohngeld

Die Studie analysiert am Beispiel der Wohngeldbeantragung in Bayern den Mehrwert eines durchgängig digitalen Postwegs. Die Situation der Antragstellung hierfür ist bisher: Wohngeld wird auf Antrag in der Regel für zwölf Monate geleistet. Für die Weiterbewilligung ist ein neuer Antrag zu stellen. Nach der Berechnung der Höhe des Zuschusses wird ein Bescheid per Post an die antragstellende Person versandt. Durch die 2023 in Kraft getretene Wohngeld-Plus-Reform erhöhten sich neben den Wohngeldsätzen auch die Zahl der Wohngeldberechtigten und damit das Verwaltungsaufkommen in den zuständigen Behörden enorm. Während 2022 bundesweit noch 65.800 Haushalte wohngeldberechtigt waren, stieg die Zahl im Folgejahr um 80 Prozent auf 1,2 Mio. Haushalte. Während Antragstellende zuvor im Schnitt wenige Wochen auf ihren Bescheid warten mussten, liegt die Wartezeit nach der Wohngeld-Plus-Reform bei bis zu einem Jahr.

Langwieriges Verfahren

Die Antragstellung ist postalisch oder digital über ein Online-Verfahren möglich. Egal auf welchem Weg der Antrag eingeht, kann es aufgrund des Rückstaus insbesondere seit der Wohngeld-Plus-Reform sein, dass der Antrag mehrere Wochen überhaupt nicht bearbeitet wird. Während der Prüfung kommt es dann zu Abstimmungen zwischen Sachbearbeitung und Antragstellenden, weil bspw. Unterlagen nicht vollständig sind oder sich anspruchsrelevante Angaben im Laufe der Zeit verändert haben. Zudem sind bei der Berechnung diverse Absprachen mit anderen Behörden, bspw. dem Jobcenter, oder dem Grundsicherungsamt, nötig, um sicherzustellen, dass die antragstellende Person die Leistung erhält, bei der sie die größte finanzielle Unterstützung erfährt.

Mehrwert für Behörden und Bürger

Was wären nun die Vorteile eins zentralen digitalen Postsystems? Dazu werteten die Studienmacher neben amtlichen Dokumenten auch die Aussagen und Meinungen von zahlreichen Verwaltungsexperten aus. Die Ergebnisse: Aus Behördensicht können durch ein digitales Postsystem im Durchschnitt ca. 35 Minuten Bearbeitungszeit pro Antrag eingespart werden. Da die reine Bearbeitungszeit für einen Antrag auf durchschnittlich rund zwei Stunden geschätzt wurde, könne die Bearbeitungszeit um ein Viertel reduziert werden. Oder anders ausgedrückt: Dadurch könnten fünf Anträge anstatt bislang vier pro Tag und Sachbearbeitung bearbeitet werden. Die Antragstellenden müssten durch ein digitales Postsystem pro Antrag ungefähr zwei Wochen weniger warten. Ein Abbau des Rückstaus auf Behördenseite bewirke zudem weitere Kürzungen der Wartezeit.

Einsparungen bei Personal und Ressourcen

Für Bayern schätzen die Forscher, dass in der öffentlichen Verwaltung Kapazitäten von ca. 100 Vollzeitäquivalenten pro Jahr gewonnen werden könnten. Dies entspräche Personalkosten in Höhe von etwa 7,2 Millionen Euro jährlich. Hinzu kämen sogar nicht unerhebliche ökologische Pluspunkte: Allein für den Wohngeldprozess in Bayern könnten 35 Tonnen Papier pro Jahr eingespart werden. Wenn man bedenke, so schließen die Studienmacher, dass nur die Situation in Bayern betrachtet wurde und Wohngeld nur eine von ca. 575 Verwaltungsleistungen für Bürger in Deutschland darstellt, läge das Gesamteinsparungspotenzial sogar deutlich höher.


Die Studie kann hier heruntergeladen werden.


Schlagworte zum Thema:  Digitalisierung , Öffentliche Verwaltung
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