HR-Management: Die Aufgaben nach der Pandemie

Aktuell stehen Kurzarbeit, Homeoffice und die dafür notwendige Digitalisierung sowie in Dienstvereinbarungen gegossene Hygienekonzepte auf der To Do – Liste der Personalabteilungen. Aber die Pandemie wird irgendwann vorbei sein. Was wird dann wichtig werden?

Der Pflexit und andere Verschärfung des Fachkräftemangels

In Krisenzeiten ist für viele Arbeitgeber die Personalgewinnung kein Thema. Parallel zur Kurzarbeit stellt niemand ein. Im öffentlichen Sektor liegt es eher an den wegbrechenden Steuereinnahmen, die den Personalhaushalt mit Wucht treffen. Gerade in den Kommunen werden Stellen gestrichen und es besteht flächendeckend Einstellungsstopp. Darauf sollte sich aber niemand ausruhen – aus zwei Gründen.

Es lässt sich erstens ziemlich sicher sagen, dass die Wirtschaft wieder anlaufen wird, sobald es das Infektionsgeschehen zulässt. Nicht gleich, dafür aber rasant. Meine Prognose ist, dass Arbeitgeber nach einigen Monaten der Orientierung daher wieder massiv neues Personal einstellen werden – auf allen Ebenen. Die Konkurrenz um die wenigen Fachkräfte war schon vor der Pandemie hart, hat sich aktuell etwas gelegt und wird umso schärfer zurückkommen.

Wettbewerb um Talente wird wiederkommen

Zweitens werden sich viele Menschen in den so genannten systemrelevanten Berufen umorientieren. Aktuell zeigt sich deutlich, dass es sowohl an adäquaten Arbeitsbedingungen als auch an Wertschätzung mangelt: zu wenig Personal in den Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen, massiv belastende Arbeitssituationen und nicht angemessene Bezahlung. Was Experten seit Jahren prognostizieren, ist mit der Pandemie eingetreten: Der eine Notfall, der das dem Wettbewerb ausgelieferte und auf Kante genähte Gesundheitssystem ins Wanken bringt.

Nicht viel besser sieht es im Kita-Bereich, an Schulen und Gesundheitsämtern aus. Viele Kollegen fühlen sich an vorderster Front verheizt. Aktuell hält man durch, weil man sich seinem Beruf und den Kollegen verpflichtet fühlt. Aber bereits jetzt lässt sich kaum ignorieren, dass Viele nach Ende der Pandemie nur noch eines wollen: Nicht noch einmal. Nie wieder. Raus aus dem Beruf. Für die Flucht aus den Pflegeberufen finde ich den Begriff „Pflexit“ durchaus passend. 

Beide Entwicklungen ergänzen sich und werden den Fachkräftemangel massiv anheizen. Jetzt rächt sich der schlechte Umgang mit dem eigenen Personal. Nicht nur, dass die Leute in Scharen Alternativen suchen. Es wird auch niemand nachkommen.

Jetzt als attraktiver Arbeitgeber sichtbar sein

In dieser Situation wird sich zeigen, wer in der Pandemie fair mit seinen Beschäftigten umgegangen ist und sich als attraktiver Arbeitgeber bewährt hat. Keine Kündigungen, wo Kurzarbeit möglich war, Homeoffice aus Überzeugung und nicht nur unter Zwang, weil man Angst hatte, die Kontrolle zu verlieren, Großzügigkeit für die Eltern, die Zuhause Job, Schule und Freizeit der Kinder managen mussten.

Aber auch diese Arbeitgeber müssen JETZT beginnen, über das Personalmarketing nachzudenken. Heute müssen Zielgruppen definiert, Kanäle erprobt und Botschaften formuliert werden, um morgen durchstarten zu können. Es ist wichtig, die aktuell erlebbare besondere Wertschätzung und das Zusammengehörigkeitsgefühl zeitnah zu transportieren. Die Fachkräfte, die morgen nach Alternativen suchen, werden sich erinnern. Erst mit dem Personalmarketing zu beginnen, wenn erste Stellen nicht zu besetzen sind, ist zu spät! Die eigenen Botschaften werden dann in der Masse untergehen.

Personalerhalt als Herausforderung von morgen

„Unser Personal ist das Wichtigste“. Dieser Satz steht so oder so ähnlich sicherlich auch in den Grundsätzen oder der Arbeitgebermarke Ihrer Organisation. Aber ist das wirklich so? Ich glaube nicht, denn anders wäre es kaum zu erklären, dass bei den aller meisten Arbeitgebern so wenig für den Personalerhalt getan wird.

Den Meisten ist nicht einmal klar, wer die Leistungsträger und Fachkräfte sind, die es zu halten gilt. Mehr noch: Die Innovatoren, Infragesteller und Querdenker, die die Organisation voranbringen, werden sogar als störend betrachtet. Gut, wenn die weg sind.

Und selbst wenn man ihren Wert richtig einschätzt, fehlt ein Risikomanagement in Bezug auf Träger von Wissen, das es sonst in der Organisation nicht noch einmal gibt. Was, wenn diese Person morgen weg ist? Darauf wissen viele Personalabteilungen keine Antwort. Ich kann auch keine Vorbereitungen erkennen, um den Pflexit irgendwie zu verhindern.

Bringt man diese Bestandsaufahme mit dem oben skizzierten Trends zusammen, lässt sich sagen: Ist dieses (unsichtbare) Spitzenpersonal weg, kommt so schnell nichts mehr nach! Das kann existenzgefährdend für viele Organisationen werden – auch im öffentlichen Sektor.

Wertschätzung und Perspektiven

Eine Prämie von ein paar hundert Euro wird niemanden angesichts der seit Jahren ignorierten Rufe nach der notwendigen Veränderung zufriedenstellen. Im Gegenteil: Viele empfinden das als ein Schlag ins Gesicht. Was können Personaler also sonst tun, um die Fachkräfte zum Bleiben zu motivieren?

Wie so oft, ist das ehrliche Interesse wichtig. Wie geht es dir? Kann ich etwas tun? Brauchst du Unterstützung? Dies sind Fragen, die Führungskräfte nicht nur in Pandemiezeiten stellen sollten. Für solche Gespräche braucht es Vertrauen. Nur so erfährt man frühzeitig etwas über die Unzufriedenheit oder den Wechselwillen der Mitarbeiter. Liegt die Kündigung erst auf dem Tisch, ist es für den Versuch, etwas zu ändern, zu spät.

Mehr Flexibilität

Dann braucht es den echten Willen, aber auch der Macht bei Personalern und Führungskräften, etwas zu ändern. Viele Organisationen bieten dafür zu wenig Optionen wie (nicht nur berufliche) Fortbildung, Karriere auch ohne Führung, interessante Projekte, Sabbatical, Unterstützung bei der Pflege im Alter, interne Wechselmöglichkeiten. Auch wird in Behörden viel zu wenig mit Zulagen gearbeitet. Manchmal erhöht es schon die Zufriedenheit, wenn man mit der eigenen Leistung sichtbar wird. Also lassen Sie doch die Menschen das Projektergebnis selber vorstellen, an statt dass die Führungskraft sich den fremden Schuh selber anzieht.

Diese Wertschätzung ist wichtig. Aber auch andere Maßnahmen können die Bindung zum Arbeitgeber erhöhen: Flexible Arbeitszeiten oder auch Betriebs-Wohnung und Kindergartenplätze zum Beispiel. Vertrauen, ein gesundes Wir-Gefühl und gute Stimmung können diese Maßnahmen aber nicht aufwiegen.

Willkommen zurück!

Dennoch wird sich die Kündigung nicht immer verhindern lassen. Umso wichtiger ist es, den Weg zurück zu ebnen und sich nicht beleidigt mit einem „Dann geh doch!“ zu verabschieden.

Ein fairer Abschied zum Beispiel mit einem Check der Bewerbungsunterlagen oder der Unterstützung bei der Jobsuche im eigenen Netzwerk, regelmäßige Informationen per Newsletter, Einladungen zur Firmen- und Weihnachtsfeier und vieles mehr erhalten den Kontakt. Wer weiß, in wenigen Jahren zieht es den ehemaligen Mitarbeiter ja wieder zurück!

Wissen Sie, wie teuer es ist, eine Stelle für eine Fachkraft neu zu besetzten? Etwa ein Jahresgehalt: Überstunden der den Ausfall kompensierenden Kollegen, Ausschreibungskosten, Stundensätze der Personaler und Beteiligten an den Gesprächen, Einarbeitung, Schulung und vieles mehr. Erfolg ungewiss.

Wiedereinstellung lohnt sich also, denn Einarbeitung und Sozialisation im Sinne der Organisationskultur fallen weg. Man weiß halt, worauf man sich einlässt. Noch besser ist es, wenn die Leistungsträger gar nicht erst gehen. Grund genug, jetzt Personalmarketing und Personalerhalt als eine Einheit zu begreifen und sich bereits in der Krise auf den Fachkräftemangel von morgen vorzubereiten.

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