Haus fast ohne Heizung

"Wir sind mit dem Gebäude in die Gebäudeklasse E gerutscht"


Haus ohne Heizung im Gebäudetyp E: So wird es gebaut

Ein Haus fast ohne Heizung, das durch eine besondere Bauweise Energie spart, und das zum Sahnehäubchenpreis – alles machbar. Man muss sich nur trauen, neu zu denken. Was Architekt und GWG-Geschäftsführer Alexander Bedzko anderen Wohnungsgesellschaften mit auf den Weg gibt.

Herr Bendzko, was hat die GWG Ingolstadt bewogen, dass Experiment "Haus fast ohne Heizung" zu wagen? 

Alexander Bendzko: Wir sind seit Jahrzehnten bemüht, einfach zu bauen. Ich mag keine DIN-Normen. Weil wir Bestandshalter sind, können wir etwas anders damit umgehen. Wenn wir das eine oder andere anders machen und dabei einmal etwas nicht in Ordnung sein sollte, können wir es selbst wieder richten. Die Idee zum "Haus fast ohne Heizung" ist nach der Lektüre eines Artikels über das Architekturbüro Baumschlager aus Vorarlberg entstanden.

Baumschlager hat ein Bürogebäude gebaut, in dem das Architekturbüro seinen Sitz hat, aber auch ein Fitnessstudio und weitere Unternehmen. Das Gebäude ist mittlerweile zwölf Jahre alt – und es hat keine Heizung. Die nötige Wärmeenergie entsteht durch die Menschen, die dort arbeiten, durch die elektrischen Geräte, die sie nutzen, die Server und so weiter. Die Fenster sind so ausgerichtet, dass sie im Winter die Sonne hereinlassen, die die Zimmer aufheizt, und im Sommer sorgen tiefe Laibungen dafür, dass es nicht zu heiß wird. Die Belüftung erfolgt automatisch, dafür sorgen ein CO2-Messgerät, ein Feuchtemelder und ein Thermometer. In den Fenstern liegen kleine Lüftungsflügel seitlich bei den Fenstern, die sich bei Bedarf öffnen und wieder schließen. Alle Räume im Gebäude liegen das ganze Jahr über zwischen 22 bis 26 Grad. 

Wohungsbau – einfach und nachhaltig

Nachdem wir über dieses Projekt gelesen hatten, haben wir uns das vor Ort angeschaut und mit den Erbauern gesprochen. Baumschlager hatte in der Zwischenzeit auch eine Beratungstochter namens 2226 gegründet. Nachdem wir mit den Machern gesprochen hatten, haben wir gesagt "Lasst es uns probieren". Zu der Zeit hat die Stadt Ingolstadt eine Konzeptvergabe gemacht, für ein Grundstück mit gefördertem Wohnungsbau. Wir haben uns mit einem Ingolstädter Architekturbüro und der Beratung von 2226 beworben und die Konzeptvorgabe gewonnen. Nun steht das Haus und wir sind mitten in der Vermarktung. 

Bei den Debatten ums Heizen ein Haus fast ohne Heizung zu bauen, ist das durchaus mutig. 

Der Mieter hat jederzeit die Möglichkeit, einzugreifen und das Ganze manuell zu steuern. Er kann verhindern, dass sich die Lüftungsklappen automatisch öffnen oder schließen, er kann Fenster selbst öffnen. Und wir haben auch eine Art Notfallheizung in Form einer Papierheizung eingebaut, deswegen auch das "fast" im Titel. Denn wir wollen sicherstellen, dass die Wohnung warm bleibt, wenn die Mieter im Winter zwei Wochen im Urlaub sind und die Wohnung leer ist. Die Herausforderung für Mieter ist also gar nicht so groß. Wir suchen für diese 15 Wohnungen Menschen, die bereit sind, den Weg mitzugehen. Denn es gibt keinen Heizkessel, keine Fußbodenheizung und natürlich auch keine Heizkörper. 

Stoßen Sie denn auf Interesse mit dem Angebot? 

Die ersten Wohnungen sind vermietet, und wir hoffen, dass wir alle Wohnungen belegen können. Es handelt sich um geförderten Wohnungsbau. Im Moment ist es bei den großen Wohnungen mit dem höheren Wohnberechtigungsschein etwas schwierig, Mieter zu finden. Viele wissen gar nicht, dass sie ein Anrecht auf den höheren Berechtigungsschein haben.

Pilotprojekt GWG Ingolstadt Haus ohne konventionelle Heizung

Neben der Faszination für das Projekt in Österreich: Was hat Sie sonst zur Umsetzung in Ingolstadt bewegt? 

Wir sind mit dem Gebäude in die Gebäudeklasse E gerutscht. Wir waren mit der Planung für das Projekt schon sehr weit, als die Bayerische Staatsregierung auf uns zugekommen ist. Bayern will die Gebäudeklasse E pushen, und weil wir auch früher für alle Experimente offen waren, dachten sie, das wäre etwas für uns. Wir hatten die Pläne schon fertig auf dem Tisch, also haben wir ja gesagt. Das gab dem Ganzen dann noch einmal Schwung, deswegen sind wir jetzt auch bereits fertig und in der Vermarktung.  

Sie haben den Gebäudetyp E angesprochen. Spart das denn wirklich Zeit und Geld, wie von der Politik erhofft? 

Zeit gespart haben wir nicht. Aber wir sind bei diesem Projekt mit Rückendeckung des Aufsichtsrats anders vorgegangen als sonst. Normalerweise holen wir uns Angebote der unterschiedlichen Gewerke ein, wir haben auch schon GU-Ausschreibungen gemacht, also Generalunternehmer gesucht. Dieses Mal wollten wir einen anderen Weg gehen. Ich bin selbst Architekt, wir Architekten wollen schöne Gebäude mit schönen Details bauen.

Gebäudetyp E könnte zum Standard werden

Aber das kostet alles Geld. Bei der Gebäudeklasse E geht es um Einfachheit. Wir haben uns gefragt, wie wir diese erreichen und haben uns entschieden, mit einem Bauunternehmer zusammenzuarbeiten, auf den wir uns im Vorfeld festgelegt hatten. Der hat mit Partnern den erweiterten Rohbau erstellt, also alles bis auf die technischen Gewerke. Als das entschieden war, haben sich der Bauunternehmer, die Architekten, der Statiker und die Techniker der GWG zusammengesetzt und diskutiert, wie sie den Bau stemmen wollen und zu welchem Preis. Scherzeshalber habe ich gesagt "Ihr kommt erst wieder raus, wenn Ihr Euch geeinigt habt". Und es hat funktioniert. Im Ernst: Wir wollten das Know-how von allen Beteiligten, auch von der Baufirma. Die kann Betonbau und Mauern, weswegen am Ende die Wohnungstrennwände aus Beton sind. Und die Zwischenwände zwischen den Zimmern der einzelnen Wohnungen sowie das Außenmauerwerk sind aus Ziegeln. So ist das Gebäude entstanden, und zwar deutlich günstiger als unsere bisherigen Bauvorhaben.  

Bei der Ausführung haben wir an unterschiedlichen Stellen gemerkt, dass es noch kostengünstiger hätte laufen können. Das sind Erfahrungen, die wir in kommende Projekte mitnehmen. Auch das Vergabeverfahren wollen wir weiter verfeinern. Ich will den eingeschlagenen Weg unbedingt weitergehen. Darin, dass das Bauunternehmen Wissen einbringt über Marktentwicklungen, Preise, etcetera – und auch das eigene Können wirklich transparent macht, sehe ich großes Potenzial für Kosteneinsparungen. Wir liegen derzeit ungefähr zehn Prozent unter den Kostenberechnungskosten. Das heißt, mit etwas Glück liegen wir bei dem Gebäude inklusive Haustechnik bei weniger als 2.800 Euro brutto pro Quadratmeter. Unter 3.000 Euro landen wir auf jeden Fall. Damit wäre ich schon zufrieden, aber die 2.800 Euro wären das Sahnehäubchen.

Welche Tipps haben Sie nach den Erfahrungen mit dem "Haus fast ohne Heizung" für andere Wohnungsgesellschaften? 

Am wichtigsten: Trauen Sie sich, etwas anderes zu machen als in der Vergangenheit. Suchen Sie sich ein gutes Planungsteam, das bereit ist, über manche Aspekte anders und neu nachzudenken. Und, ganz entscheidend: Alle Beteiligten müssen sich vertrauen. Der Bauherr darf am Ende nicht sagen "Das ist jetzt aber nicht schön". Ein Beispiel: Bei Wänden, die nicht zugbelastet, sondern nur tragende Wände sind, nutzen wir keinen Stahlbeton. Schon seit 20 Jahren. Der Verzicht auf die Bewehrung spart viel Geld. Aber: Es kann dann kleine Risse geben, die wir im Bedarfsfall vom Maler übermalen lassen. Nur muss man im Ernstfall bereit sein, mögliche Konflikte auszuhalten. 

Der Gebäudetyp E soll es richten, die Politik sieht darin den Schlüssel zur Lösung der Wohnungsknappheit. Wird das einfache Bauen zum Standard?

Es kann zum Standard werden. Aber nur, wenn sich die Rechtsprechung ändert. Wir brauchen eine Klärung, was ein Mangel ist und was ein Schaden. Nicht jeder Mangel ist auch ein Schaden. Aber ich beobachte schon, dass ein Mangel oft als Schaden beziffert wird, um dann einen Ausgleich zu schaffen. Damit sind Architekten derart in der Pflicht, mangelfrei zu bauen, damit sie nicht haften müssen, dass es die Kosten in schwindelnde Höhen treibt. Und mangelfrei bauen ist trotzdem heutzutage kaum mehr möglich.  

Das alles macht das Bauen immer komplizierter. Genauso wie die Ansprüche. Allein, wie viele Steckdosen in einem Raum verteilt werden müssen, damit es der DIN-Norm entspricht … Ich wohne in einem Altbau mit wenigen Steckdosen. Und nutze ein Dreifach-Verlängerungskabel. Funktioniert wunderbar.  

Das Problem sind die Ansprüche der Nutzer und die Rechtsprechung. Nehmen wir den Schallschutz. Da heißt es immer, die Nutzer erwarteten den erhöhten Schallschutz, also investiert der Bauträger in den erhöhten Schallschutz. Das macht alles gleich viel teurer. Dabei reicht der normale Schallschutz. Es gibt so viele vermeintliche Kleinigkeiten, die unnötig sind und die sich am Ende aufsummieren. In unseren Mietverträgen steht zum Beispiel drin, dass sich in der Tiefgarage nach dem Regen Pfützen bilden können, weil wir kein Gefälle einbauen. Diese Pfützen sind kein Schaden. Das lassen wir uns unterschreiben.Das sind keine Abstriche, die die das Bauwerk mindern. Aber sie machen es möglich, günstiger zu bauen und zu vermieten.


Das könnte Sie auch interessieren:

Gebäudetyp E: rechtliche Einordnung

"Baurechtliche Lösung im Mietrecht spiegeln"


Schlagworte zum Thema:  Wohnungsbau
0 Kommentare
Das Eingabefeld enthält noch keinen Text oder nicht erlaubte Sonderzeichen. Bitte überprüfen Sie Ihre Eingabe, um den Kommentar veröffentlichen zu können.
Noch keine Kommentare - teilen Sie Ihre Sicht und starten Sie die Diskussion