Einstweilige Verfügung gegen Beschlussdurchführung

Nur in Ausnahmefällen kann die Durchführung eines von Wohnungseigentümern gefassten Beschlusses per einstweiliger Verfügung gestoppt werden.

Hintergrund

Die Eigentümer einer Wohnung verlangen, die Durchführung eines angefochtenen Beschlusses per einstweiliger Verfügung zu untersagen.

In einer außerordentlichen Eigentümerversammlung hatten die Wohnungseigentümer mehrheitlich beschlossen, Sanierungsarbeiten an der Gebäudeabdichtung ausführen zu lassen, beginnend mit der Überprüfung der Drainage. Vorausgegangen war ein jahrelanger Streit über die richtigen Abdichtungsmaßnahmen im Bereich einer Wohnung.

Deren Eigentümer haben den Sanierungsbeschluss angefochten. Sie beanstanden unter anderem, es fehle an der umfassenden Gesamtplanung eines fachgerechten Abdichtungskonzepts. Auch entspreche die Planung nicht den Regeln der Technik und sei unvollständig und fehlerhaft.

Die Kläger beantragen, die Vollziehung des Beschlusses per einstweiliger Verfügung außer Kraft zu setzen, bis endgültig über die Anfechtungsklage entschieden ist.

Entscheidung

Der Antrag, die Vollziehung des Beschlusses durch einstweilige Verfügung zu stoppen, hat keinen Erfolg, denn es fehlt jedenfalls ein Verfügungsgrund. Es ist nicht zu befürchten, dass ohne Erlass einer einstweiligen Verfügung („Baustopp“) durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes Rechte der Kläger vereitelt werden oder deren Durchsetzung wesentlich erschwert wird.

Ob ein Verfügungsgrund vorliegt, ist durch eine umfassende Abwägung der schutzwürdigen Interessen beider Seiten zu beurteilen. Ausgangspunkt ist dabei, dass auch fehlerhafte Beschlüsse einer Eigentümerversammlung bis zu ihrer Ungültigkeitserklärung durch ein Gericht grundsätzlich wirksam und vollziehbar sind. Dem Vollziehungsinteresse wird danach grundsätzlich größeres Gewicht beigemessen als dem Aussetzungsinteresse.

Die Vollziehung eines Beschlusses für die Zeit eines schwebenden Anfechtungsverfahrens kann daher nur dann per einstweiliger Verfügung ausgesetzt werden, wenn glaubhaft gemacht wird, dass im konkreten Einzelfall ausnahmsweise die Interessen der anfechtenden Eigentümer überwiegen. Das kann der Fall sein, wenn ihnen ein weiteres Zuwarten wegen drohender irreversibler Schäden nicht mehr zugemutet werden kann oder wenn die Rechtswidrigkeit des Beschlusses derart offenkundig ist, dass es hierfür nicht erst der umfassenden Prüfung durch ein Hauptsacheverfahren bedarf. Daran fehlt es hier.

Der angegriffene Beschluss ist nicht derart offenkundig rechtswidrig, dass es keiner Überprüfung durch ein Hauptsacheverfahren bedürfte. Zwischen den Parteien ist seit langem und in vielfacher Hinsicht streitig, welche Maßnahmen fachgerecht und erforderlich sind, um eine „DIN-gerechte“ Abdichtung zu erzielen. Auch weitere Fragen bedürfen einer umfassenden Prüfung durch ein Hauptsacheverfahren.

Auch ist es den Klägern nicht unzumutbar, den Ausgang des Hauptsacheprozesses abzuwarten. Durch die Ausführung der beschlossenen Sanierungsarbeiten entstehen keine irreversiblen Schäden am Gebäude. Soweit die Kläger wirtschaftliche Gesichtspunkte anführen, begründen diese nicht die Gefahr irreversibler Schäden, denn wirtschaftliche Einbußen können auch nach der Sanierung kompensiert werden.

Da zudem unstreitig dringender Handlungsbedarf besteht, überwiegt vorliegend das Vollziehungsinteresse.

(LG Hamburg, Urteil v. 1.9.2014, 318 O 156/14)

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