BGH: Zwangsräumung nach Hausbesetzung bleibt schwierig

Auch nach der rechtswidrigen Besetzung eines Hauses oder Grundstücks muss der Eigentümer die Räumungsschuldner für eine Zwangsräumung namentlich oder sicher identifizierbar benennen. Ein „Titel gegen Unbekannt“ oder ein grundstücksbezogener Titel ist nach geltendem Recht nicht möglich, so der BGH.

Hintergrund: Personengruppe besetzt Grundstück

Im Juni 2016 besetzte eine Reihe von Personen ein Grundstück der Deutschen Bahn in Leipzig. Das Areal, auf dem sich ein ehemaliges Umspannwerk befindet, ist etwa 10.000 Quadratmeter groß.

Am 25.7.2016 erließ das Landgericht Leipzig eine einstweilige Verfügung, in der den Besetzern aufgegeben wurde, das Grundstück zu räumen. In dem Beschluss sind die Besetzer wie folgt bezeichnet:

„Eine Anzahl von 40 männlichen und weiblichen Personen, die sich als 'Kulturkollektiv Arno-Nitzsche' bezeichnen und sich zum Zeitpunkt der Zustellung auf der im Grundbuch des Amtsgerichts Leipzig eingetragenen Fläche, Gemarkung ..., Blatt ..., Flurstück Nr. ... dauerhaft aufhalten.“

Die daraufhin beauftragte Gerichtsvollzieherin lehnte den Räumungsauftrag ab, weil die Räumungsschuldner nicht identifizierbar seien und auch eine Zustellung der einstweiligen Verfügung mangels Bestimmtheit der Schuldner nicht möglich sei. Amts- und Landgericht teilten diese Auffassung. Die Bahn hat Rechtsbeschwerde beim BGH eingelegt.

Entscheidung: Schuldner muss eindeutig identifizierbar sein

Die Gerichtsvollzieherin hat die Räumung zurecht abgelehnt. Die Räumungsschuldner sind in der einstweiligen Verfügung nicht so bezeichnet, dass sie hinreichend sicher identifiziert werden können.

Nach § 750 Abs. 1 Satz 1 ZPO muss der Schuldner im Vollstreckungstitel namentlich bezeichnet sein, damit die Zwangsvollstreckung erfolgen kann. Es genügt allerdings, wenn durch eine Auslegung des Titels ohne weiteres festgestellt werden kann, wer Schuldner ist. Das ist hier nicht der Fall. Es ist nicht sicher feststellbar, ob auf dem Gelände angetroffene Personen zur Gruppe der im Titel genannten Schuldner gehören.

Diese Anforderung an die Bezeichnung des Schuldners ist nicht zu streng. Hierdurch wird gewährleistet, dass staatlicher Zwang nur zur Durchsetzung eines urkundlich ausgewiesenen Anspruchs gegen die im Titel genannten Personen ausgeübt wird.

Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass sich die auf dem Grundstück anzutreffenden Personen dort eindeutig unerlaubt aufhalten. Die Anforderungen an die Zulässigkeit der Zwangsvollstreckung können nicht durch materiell-rechtliche Erwägungen oder Billigkeitsgesichtspunkte außer Kraft gesetzt werden. Gegen andere als im Titel genannte Personen darf die Zwangsvollstreckung auch dann nicht erfolgen, wenn zweifelsfrei feststeht, dass sie Schuldner sind.

Von dem Erfordernis, den Schuldner anhand des Vollstreckungstitels sicher identifizieren zu können, kann hier auch nicht deshalb abgesehen werden, weil die Bahn die Besetzer des Grundstücks nicht hinreichend genau bezeichnen kann. Die Zulassung eines „Titels gegen Unbekannt“, eines „Titels gegen den, den es angeht“ oder eines lediglich auf die Räumlichkeit bezogenen Räumungstitels ist mit der geltenden Rechtslage nicht vereinbar.

Bei Hausbesetzung ist Räumung nach Polizeirecht möglich

Der Eigentümer eines besetzten Hauses oder Grundstücks ist durch das Erfordernis einer sicheren Identifizierung des Schuldners auch nicht völlig rechtlos gestellt. Eine Räumung gegenüber Hausbesetzern kann vielmehr nach dem Polizei- und Ordnungsrecht erfolgen. Das widerrechtliche Eindringen und Verweilen in Wohnungen, Geschäftsräumen oder befriedetem Besitztum ist gemäß § 123 Abs. 1 StGB als Hausfriedensbruch strafbar; die Verletzung strafrechtlicher Normen stellt stets eine Störung der öffentlichen Sicherheit im Sinne der polizei- und ordnungsrechtlichen Eingriffsermächtigungen der Bundesländer dar. Die Beseitigung dieser Störung fällt in die polizeiliche Aufgabenzuständigkeit. Das Polizei- und Ordnungsrecht stellt insoweit auch die zur Durchsetzung erforderlichen Eingriffsbefugnisse zur Verfügung.

Nur der Gesetzgeber kann gesetzliches Defizit beheben

Das gesetzliche Defizit, das sich bei der Durchsetzung zivilrechtlicher Räumungsansprüche in Fällen illegaler Haus- und Grundstücksbesetzungen zeigt, kann nicht durch richterliche Gesetzesauslegung behoben werden. Ein Verzicht auf die gesetzliche Vorgabe der namentlichen Bezeichnung des Schuldners im Vollstreckungstitel oder in der Vollstreckungsklausel kann für solche besonders gelagerten Fälle vielmehr unter umfassender Abwägung der betroffenen Rechte und Interessen allein der Gesetzgeber regeln.

(BGH, Beschluss v. 13.7.2017, I ZB 103/16)

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