BGH: Nachbar haftet für Abriss-Schäden an Grenzwand

Wird eine Grenzwand, an die vom Nachbargrundstück aus ein anderes Gebäude angebaut ist, beim Abriss des Anbaus beschädigt, muss der Nachbar für Schäden an der Grenzwand aufkommen. Dies auch dann, wenn die Schäden unvermeidbare Folge des Abrisses sind.

Hintergrund: Grenzwand bei Abriss beschädigt

Der Eigentümer eines Grundstücks verlangt von den Eigentümern des Nachbargrundstücks Schadensersatz.

Auf dem Grundstück des Klägers befindet sich ein Gebäude, dessen Außenwand entlang der Grundstücksgrenze verläuft, ohne diese zu überschreiten. An dieser Wand befand sich auf dem Nachbargrundstück ein Anbau ohne eigene Grenzwand. Die Eigentümer des Nachbargrundstücks ließen diesen Anbau von einem Abrissunternehmen abreißen, ohne die Bodenplatte zu entfernen. Nach dem Abriss wies das verbliebene Gebäude an der Außenwand, an der sich der Anbau befand, Putz- und Mauerschäden sowie Feuchtigkeitsschäden im Keller auf. Der Eigentümer des Gebäudes verlangt von den Nachbarn Schadensersatz.

Entscheidung: Nachbar muss Schäden an Grenzwand ersetzen

Die Nachbarn müssen für die Schäden an der Außenwand und die Feuchtigkeitsschäden aufkommen.

Bei der beschädigten Außenwand handelt es sich um eine Grenzwand, d. h. eine Wand, deren Außenkante auf der Grundstücksgrenze verläuft, ohne diese zu überschreiten. Sie steht im alleinigen Eigentum des jeweiligen Grundstückseigentümers. Hieran ändert sich durch einen Anbau von dem angrenzenden Grundstück aus nichts.

Für die Putz- und Mauerschäden an dieser Wand haften die Nachbarn nach § 823 Abs. 1 BGB.

Die Schäden an der Grenzwand sind im Auftrag der Nachbarn verursacht worden. Die Eigentumsbeeinträchtigung ist ihnen zuzurechnen. Unmittelbar sind die Schäden zwar von dem Abrissunternehmen herbeigeführt worden. Dies beruhte aber nicht auf einem Fehlverhalten dieses Unternehmens, sondern war aufgrund der baulichen Verbindung der Gebäude unvermeidliche Folge des Abrisses.

Die Eigentumsbeeinträchtigung war auch rechtswidrig. Zwar war es den Nachbarn unbenommen, den in ihrem Eigentum stehenden Anbau abzureißen zu lassen. Die Grenzwand durften sie aber jedenfalls nicht dauerhaft beschädigen, selbst wenn es sich um eine unvermeidliche Folge des Abrisses handelt.

Die Nachbarn haben die Eigentumsbeeinträchtigung zumindest fahrlässig verursacht. Dass es zu solchen Schäden kommen würde, drängte sich angesichts der baulichen Verbindung auf und war zumindest vorhersehbar.

Infolgedessen kann der Eigentümer der beschädigten Grenzwand den Geldbetrag verlangen, der erforderlich ist, um die Wand als funktionsfähige Außenwand wieder herzustellen.

Auch für die Feuchtigkeitsschäden im Keller müssen die Nachbarn aufkommen. Insoweit besteht ein verschuldensunabhängiger nachbarrechtlicher Ausgleichsanspruch. Ein solcher ist gegeben, wenn von einem Grundstück im Rahmen privatwirtschaftlicher Benutzung rechtswidrige Einwirkungen auf ein anderes Grundstück ausgehen, die der Eigentümer oder Besitzer des betroffenen Grundstücks nicht dulden muss, aus besonderen Gründen jedoch nicht unterbinden kann, sofern er hierdurch Nachteile erleidet, die das zumutbare Maß einer entschädigungslos hinzunehmenden Beeinträchtigung übersteigen. Zu den rechtswidrigen Einwirkungen gehört auch Wasser.

Weil nach dem Abriss die Bodenplatte auf dem Nachbargrundstück verblieben war, hatte sich dort Niederschlagswasser gesammelt, das nicht abfließen konnte und in die Grenzwand eingesickert war. Der Eigentümer der Grenzwand hatte keine Möglichkeit, diese Einwirkung rechtzeitig abzuwehren.

(BGH, Urteil v. 18.12.2015, V ZR 55/15)

Rechtslage bei anderen Konstellationen

Bereits in früheren Entscheidungen hat der BGH zu anderen Konstellationen im Zusammenhang mit Grenzwänden Stellung genommen:

  • Der Eigentümer einer Grenzwand ist grundsätzlich berechtigt, diese abzureißen. Für eine nach dem Abriss erforderliche Außenisolierung des Nachbargebäudes ist der Eigentümer der Grenzwand nicht verantwortlich. Da eine Grenzwand die Grenze nicht überschreitet, ist sie nämlich keine Grenzanlage. Infolgedessen ist ihr Eigentümer im Verhältnis zu seinem Nachbarn nicht verpflichtet, die Funktionsfähigkeit der Grenzwand zu erhalten.
    Anders ist dies bei einer auf der Grenze errichteten halbscheidigen Giebelwand. Hierbei handelt es sich um eine Grenzanlage, die nicht ohne weiteres abgerissen werden darf.
  • Verlaufen entlang der Grundstücksgrenze parallel zwei Grenzwände, ist jeder Grundstückseigentümer für seine Wand verantwortlich. Der Vorteil, der sich daraus ergibt, dass eine Außenwand so lange keines oder keines vollständigen Witterungsschutzes bedarf, wie dieser Schutz von der Grenzwand des Nachbargrundstücks geboten wird, wird nicht geschützt.

Lesen Sie auch:

BGH: Nutzung des Nachbargrundstücks nur nach genauer Ankündigung

Schlagworte zum Thema:  Schadensersatz