BGH: Eigentumsentziehung wegen missbräuchlicher Rechtsausübung

Die Wahrnehmung von Eigentümerrechten kann eine Entziehung des Wohnungseigentums nur ausnahmsweise und nur dann rechtfertigen, wenn sie ausschließlich wohnungseigentumsfremden oder -feindlichen Zielen dient. Querulatorisches Verhalten allein reicht nicht aus.

Hintergrund: Eigentümer greifen jahrelang grundlos die Verwaltung an

In einer Wohnungseigentümergemeinschaft wandten sich die beiden Miteigentümer einer Wohnung über mehrere Jahre mit zahlreichen Anfragen an die Verwaltung. Immer wieder wurde der jeweilige Verwalter zum Rücktritt aufgefordert beziehungsweise dessen Abwahl angekündigt, selbst wenn dieser den Anliegen der Eigentümer nachgekommen war. Außerdem erhoben die beiden Eigentümer im Laufe der Zeit zahlreiche Beschlussanfechtungsklagen. Aufgrund des Verhaltens der Eigentümer stand einer der Verwalter für eine weitere Amtszeit nicht mehr zur Verfügung.

An einer Eigentümerversammlung am 31.8.2016 nahmen die beiden Eigentümer wie bereits an den vorangegangenen Versammlungen nicht teil. Am Morgen nach der Versammlung forderten sie den Verwalter per E-Mail auf, ihnen bis zum 5.9.2016 eine Kopie der Sammlung der Beschlüsse vom Vortag zu übersenden und drohten eine Abberufung aus wichtigem Grund an, wenn der Verwalter diesem Wunsch nicht entspreche. Der Verwalter übersandte die angeforderten Unterlagen innerhalb der gesetzten Frist. Dennoch bestanden die beiden Eigentümer auf der Einberufung einer außerordentlichen Eigentümerversammlung, auf der über die Abberufung des Verwalters wegen mangelhafter Führung der Beschluss-Sammlung abgestimmt werden sollte.

Auf dieser außerordentlichen Eigentümerversammlung beschlossen die Wohnungseigentümer einstimmig folgende Abmahnung gegenüber den beiden Eigentümern:

"Die Wohnungseigentümer ... haben bereits in den vergangenen Jahren mehrfach gegen die ihnen gegenüber den übrigen Wohnungseigentümern und gegenüber der Gemeinschaft bestehenden Verpflichtungen verstoßen. Insbesondere legen sie es seit Jahren darauf an, die jeweiligen Verwalter durch permanente Aufforderung zum Rücktritt und Ankündigung der Abwahl zu zermürben. Sie legen es so darauf an, die Gemeinschaft in einen verwalterlosen Zustand zu treiben. Die Hausverwaltung ... hat ihren Vertrag mit der Gemeinschaft aus diesem Grund nicht mehr verlängert. Dies wiederholt sich jetzt in Bezug auf die erst seit dem 1.1.2016 amtierende ... Auch hier droht die Zerrüttung. Unter diesen Umständen wird die Gemeinschaft nötigenfalls keinen neuen Verwalter mehr finden. Dadurch entsteht allen Miteigentümern und der Gemeinschaft ein nicht unerheblicher Schaden.

Die Eigentümergemeinschaft respektiert, dass die Eheleute ... seit Jahren nicht mehr zu Eigentümerversammlungen erscheinen. Sie wurden aber zeitnah und zutreffend auch über die Beschlüsse der ETV vom 31.8.2016 informiert. Sie haben auch fristgerecht eine umfangreiche Beschlussanfechtungsklage diesbezüglich erhoben, was ebenfalls den Respekt der Eigentümergemeinschaft erhält. Gleichwohl haben die Eheleute ... nun unter Berufung auf eine nicht ordnungsgemäße Beschlusssammlung für den 30.11.2016 eine außerordentliche Eigentümerversammlung erzwungen.

Nach ihrem hierzu eingereichten Beschlussantrag soll nun wegen ungenügender Beschlusssammlung beschlossen werden, den Vertrag mit der ... zum Ende des Probejahres zum 31.12.2016 zu beenden, falls die Verwalterin ihr Amt nicht ... freiwillig niederlegen sollte.

Derartiges Vorgehen der Eheleute ... ist ausschließlich destruktiv und für die Gemeinschaft schädlich. Nach dem Willen der Eheleute ... soll die Eigentümergemeinschaft also ohne Verwalter sein.

Die Eheleute ... werden aufgefordert, sich im Rahmen der Ausübung ihrer Eigentümerrechte zu mäßigen. Bei Fortsetzung dieses missbilligten Verhaltens wird die Eigentümergemeinschaft in Bezug auf die Eheleute ... über die Einleitung des Verfahrens auf die Entziehung ihres Wohnungseigentums nach §§ 18 f. WEG entscheiden. 
Die übrigen Eigentümer missbilligen dieses für die Gemeinschaft schädliche Verhalten und beschließen vor diesem Hintergrund, gegen die Wohnungseigentümer ... eine Abmahnung auszusprechen."

Gegen diesen Abmahnungsbeschluss haben die beiden Eigentümer Anfechtungsklage erhoben. Sie halten den Beschluss nicht nur für ordnungswidrig, sondern auch für nichtig, weil in ihre elementaren Rechte als Wohnungseigentümer eingegriffen werde.

Entscheidung: Rechtsmissbrauch kann Eigentumsentziehung rechtfertigen

Die Anfechtungsklage hat keinen Erfolg.

Im Verfahren über die Anfechtung eines Abmahnungsbeschlusses wird nur geprüft, ob die formellen Voraussetzungen der Beschlussfassung eingehalten sind, ob das abgemahnte Verhalten einen Entziehungsbeschluss rechtfertigen kann und ob die Abmahnung hinreichend bestimmt ist. Ob die Abmahnung inhaltlich gerechtfertigt ist, wird erst im auf den Entziehungsbeschluss folgenden Entziehungsprozess geprüft.

In diesem eingeschränkten Prüfungsumfang ist der angefochtene Abmahnungsbeschluss nicht zu beanstanden.

Zwar kann die Entziehung des Wohnungseigentums nach §§ 18 und 19 WEG grundsätzlich nicht auf die Ausübung von Eigentümerrechten durch den betroffenen Wohnungseigentümer gestützt werden. Ein Wohnungseigentümer wird weder dadurch, dass er Eigentümerrechte geltend macht, die ihm aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen nicht zustehen, noch dadurch, dass er von seinen Rechten nicht wie ein "besonnen und vernünftig denkender Miteigentümer" Gebrauch macht, zum untragbaren "Störenfried", dessen Entfernung aus der Gemeinschaft das Entziehungsverfahren nach § 18 WEG dient.

Grenze für Rechtsausübung: Rechtsmissbrauch

Die Geltendmachung von Eigentümerrechten durch einen Wohnungseigentümer kann aber rechtsmissbräuchlich sein und auch die Entziehung des Wohnungseigentums rechtfertigen, wenn das rechtsmissbräuchliche Verhalten ein entsprechendes Gewicht hat.

An das Vorliegen eines Rechtsmissbrauchs bei der Geltendmachung von Antrags-, Beschlussanfechtungs- und anderen Eigentümerrechten durch einen Wohnungseigentümer sind aber strenge Anforderungen zu stellen, weil es um einen Eingriff in den Kernbereich elementarer Mitgliedschaftsrechte des betroffenen Wohnungseigentümers geht. Für die Annahme eines Rechtsmissbrauchs genügt es deshalb nicht, wenn der Wohnungseigentümer Beschlussanfechtungsklagen nicht oder nicht nachvollziehbar begründet oder viele Anfechtungsklagen erhebt. Auch "bloß" querulatorische Beschlussanfechtungsklagen in größerem Umfang begründen keinen Rechtsmissbrauch.

Rechtsmissbräuchlich ist die Wahrnehmung von Antrags-, Beschlussanfechtungs- und sonstigen Eigentümerrechten nur, wenn sie ausschließlich einem wohnungseigentumsfremden oder -feindlichen Ziel dient und nach Intensität und Umfang ihrer Instrumentalisierung für solche Ziele den übrigen Wohnungseigentümern nicht mehr zuzumuten ist.

Um einen solchen Rechtsmissbrauch geht es hier. Zwar werden die beiden Eigentümer in der Abmahnung aufgefordert, sich "im Rahmen der Ausübung ihrer Eigentümerrechte zu mäßigen". Den übrigen Eigentümern geht es aber erkennbar nicht um die Einschränkung der Eigentümerrechte, sondern darum zu verhindern, dass die beiden Eigentümer ihre Rechte missbrauchen, um die Gemeinschaft zu destabilisieren.

Destabilisierung schadet der WEG

Die Destabilisierung einer Wohnungseigentümergemeinschaft widerspricht den Kernanliegen des Wohnungseigentumsgesetzes, nämlich der Sicherstellung einer ordnungsmäßigen Verwaltung und der Absicherung eines geordneten Zusammenlebens. Diese Ziele sind jedenfalls in größeren Gemeinschaften nur durch die Bestellung eines Verwalters erreichbar. Wenn der jeweilige Verwalter durch das Verhalten einzelner Eigentümer jeweils vergrault wird, findet sich letztlich kein Verwalter mehr, der diese Aufgabe übernehmen möchte. Im Ergebnis wären dann die kontinuierliche Pflege, Instandhaltung und Instandsetzung des gemeinschaftlichen Eigentums, die geordnete Aufbringung der benötigten Mittel, die Erfüllung der gemeinschaftlichen Verpflichtungen und das Zustandekommen der für die Verwaltung erforderlichen Beschlüsse der Wohnungseigentümer nicht mehr gewährleistet. 

Ein Wohnungseigentümer, der es bei der Wahrnehmung seiner Eigentümerrechte darauf anlegt, die Gemeinschaft in einen solchen Zustand zu führen, missbraucht seine Rechte für einen wohnungseigentumsfeindlichen Zweck und verletzt durch diese Instrumentalisierung seiner Rechte die ihm gegenüber den übrigen Wohnungseigentümern und der Gemeinschaft obliegenden Pflichten gröblich. Ein solches Verhalten ist den anderen Wohnungseigentümern nicht zumutbar. Es kann deshalb die Entziehung des Wohnungseigentums rechtfertigen.

Der angefochtene Abmahnungsbeschluss ist auch hinreichend bestimmt. Die Wohnungseigentümer haben das den Gemeinschaftsfrieden störende Verhalten im Abmahnungsbeschluss hinreichend deutlich benannt. Sie sehen es darin, dass die beiden Eigentümer seit Jahren die jeweilige Verwaltung durch permanente Rücktrittsaufforderungen und Abberufungsankündigungen zermürben, ihnen die Verwaltung der Anlage verleiden und es darauf anlegen, die Anlage in einen verwalterlosen Zustand zu führen. 

Sie haben ausdrücklich klargestellt, dass sie das Rechtsmissbräuchliche nicht darin sehen, dass sich die beiden Eigentümer überhaupt mit begründeten oder nicht begründeten Anträgen an die Verwaltung wenden, Anträge zur Tagesordnung anmelden, ohne dann an den Versammlungen teilzunehmen, oder die auf den Versammlungen gefassten Beschlüsse (in großem Umfang) anfechten. Sie sehen den Rechtsmissbrauch vielmehr darin, dass die beiden Eigentümer immer wieder ohne nachvollziehbaren oder auch nur erkennbaren Anlass Anliegen, die sie an den jeweiligen Verwalter herantragen, mit Abberufungsankündigungen versehen, die jeweiligen Verwalter selbst dann zum Rücktritt auffordern, deren Abberufung beantragen und eine Beschlussfassung hierüber notfalls erzwingen, wenn ihre Anliegen seitens der Verwaltung erfüllt worden sind. In der Abmahnung zeigen sie auf, dass dieses Verhalten letztlich nur dazu führt, dass die jeweilige Verwaltung fortwährend ohne erkennbaren Anlass massiv und in einem Ausmaß kritisiert wird, welches einer Verwaltung nicht zugemutet werden kann. Durch die Schilderung zweier Vorgänge wird dieser Vorwurf in der Abmahnung zudem illustriert.

Ob die der Abmahnung zugrundeliegenden Vorwürfe zutreffen, ist nicht im Verfahren über die Anfechtung des Abmahnungs- oder des weiter erforderlichen Entziehungsbeschlusses gemäß § 18 Abs. 3 WEG, sondern im gerichtlichen Entziehungsverfahren zu prüfen. 

(BGH, Urteil v. 5.4.2019, V ZR 339/17)


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