Das Gesetz regelt erstmals ausdrücklich die sog. "Beschlussersetzungsklage", die zwar bereits in § 21 Abs. 8 WEG a. F. geregelt war, nach den Intentionen des Gesetzgebers des WEG-Änderungsgesetzes im Jahr 2007 aber in erster Linie eine Ermessensentscheidung des Gerichts sein sollte. Die Beschlussersetzungsklage auf Grundlage von § 21 Abs. 8 WEG a. F. war längst anerkannt und der Terminus vom BGH geprägt worden.[1] Das bislang geltende System der erweiterten Anwendung des § 21 Abs. 8 WEG a. F. wird von der künftigen Beschlussersetzungsklage des § 44 Abs. 1 Satz 2 WEG n. F. nicht unverändert übernommen.

Was bisher galt, gilt zunächst weiter

Bislang regelt die Bestimmung des § 21 Abs. 8 WEG a. F. die richterliche Ermessensentscheidung, soweit die Wohnungseigentümer eine nach dem Gesetz erforderliche Maßnahme nicht treffen und sich die Maßnahme nicht aus dem Gesetz, einer Vereinbarung oder einem Beschluss der Wohnungseigentümer ergibt. Demgegenüber verleiht § 44 Abs. 1 Satz 2 WEG n. F. dem Wohnungseigentümer eine Klagebefugnis, wenn eine notwendige Beschlussfassung unterbleibt. Das Gericht kann dann auf die entsprechende Klage hin den Beschluss fassen. Entsprechend der derzeitigen Rechtslage zu § 21 Abs. 8 WEG a. F. handelt es sich auch bei der Klage nach § 44 Abs. 1 WEG n. F. um eine Gestaltungsklage. Beiden Klagearten ist gemeinsam, dass das Gericht anstelle der Wohnungseigentümer einen Beschluss fasst. Beiden Klagearten ist ebenso gemeinsam, dass die jeweiligen Klagen dann begründet sind, wenn ein Anspruch auf den begehrten Beschluss besteht. Anders als nach derzeitiger Rechtslage, entscheidet das Gericht nicht mehr nach billigem Ermessen. Das Gericht kann eine tatsächliche Ermessensentscheidung treffen oder aber sein Ermessen ist auf Null reduziert, sodass lediglich eine Beschlussersetzung, wie vom klagenden Wohnungseigentümer begehrt, in Frage kommt.

Rechtsschutzbedürfnis

Auch in Zukunft kann sich ein Wohnungseigentümer bezüglich einer von ihm begehrten Maßnahme nicht unmittelbar an das Gericht wenden, sondern muss zuvor für eine Beschlussfassung in der Wohnungseigentümerversammlung sorgen. Auch künftig wird einer Beschlussersetzungsklage das Rechtsschutzbedürfnis fehlen, wenn der Wohnungseigentümer nicht im Vorfeld eine Vorbefassung der übrigen Wohnungseigentümer mit seinem Begehren initiiert hat oder die entsprechende Vorbefassung entbehrlich war, weil sie etwa angesichts der Mehrheitsverhältnisse reine Förmelei wäre.

Ermessen

Im Gegensatz zur derzeit noch geltenden Bestimmung des § 21 Abs. 8 WEG a. F., bei der das Gericht noch nach billigem Ermessen entscheidet, übt das Gericht künftig das den Wohnungseigentümern durch Gesetz eingeräumte Ermessen aus. Mit Blick etwa auf Beschlüsse nach § 18 Abs. 2 WEG n. F. über Regelungen der Verwaltung und Benutzung des gemeinschaftlichen Eigentums, ist den Wohnungseigentümern ein weiter Ermessensspielraum eingeräumt. Anders ist dies etwa bei einem abgelehnten Beschlussantrag auf Grundlage des § 20 Abs. 2 Nr. 1 WEG n. F. Nach dieser Vorschrift ist bereits den Wohnungseigentümern kein Ermessensspielraum über das "Ob" einer Maßnahme der Barrierefreiheit eingeräumt.

Hat im Übrigen der Verwalter einen Beschluss als nicht zustande gekommen verkündet, handelt es sich hierbei nicht um einen Nichtbeschluss, da auch einem negativen Abstimmungsergebnis Beschlussqualität zukommt.[2]

Zunächst enthalten Negativbeschlüsse keine sachliche Regelung, sondern bringen nur zum Ausdruck, dass die Mehrheit der Eigentümer im Zeitpunkt der Beschlussfassung einem bestimmten Regelungsgegenstand nicht zustimmen möchte. Negativbeschlüsse lassen aus diesem Grund die Rechtslage unverändert. Aus der Ablehnung eines Beschlussantrags kann überdies regelmäßig nicht auf den Willen der Mehrheit der Eigentümer geschlossen werden, das Gegenteil des Beschlussantrags zu wollen.[3]

Hiervon ausgehend würde die Erhebung einer Anfechtungsklage gegen den Negativbeschluss die Rechtslage nicht ändern und insbesondere nicht dazu führen, dass das, was der klagende Wohnungseigentümer begehrt, nun auch zugesprochen wird.

 
Praxis-Beispiel

Treppenlift

Der gehbehinderte Wohnungseigentümer kann seine im 3. Obergeschoss gelegene Wohnung über das gemeinschaftliche Treppenhaus kaum noch erreichen. Er begehrt daher von den anderen Wohnungseigentümern die Zustimmung zum Einbau eines Treppenlifts im gemeinschaftlichen Treppenhaus auf seine Kosten. Der Beschlussantrag wird mehrheitlich abgelehnt.

Mit der Ablehnung des Beschlussantrags bringen die Wohnungseigentümer zum Ausdruck, zumindest zum Zeitpunkt des Beschlussantrags mit dem Einbau eines Treppenlifts nicht einverstanden zu sein. Werden Beschlussanträge über Maßnahmen ordnungsmäßiger Verwaltung, wie etwa erforderliche Erhaltungsmaßnahmen, abgelehnt, kann Beschlussersetzungsklage erhoben werden, obwohl der klagende Wohnungseigentümer im Einzelfall gar nicht über die Details der Maßnahme in Kenntnis ist und er im Klageantrag noch nicht präzisieren kann, welche Maßnahme er genau begehrt. I...

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