Eine sittenwidrige Härte liegt insbesondere dann vor, wenn die Vollstreckung mit einer erheblichen Gesundheits- oder gar Lebensgefahr für den Schuldner verbunden ist. Die mit der Vollstreckung verbundenen physischen oder psychischen Belastungen des Schuldners oder seiner Angehörigen genügen nicht. Auch das Bestehen einer lebensbedrohlichen Erkrankung wie einer Krebserkrankung reicht für sich genommen nicht aus.

 
Wichtig

Verschlimmern der Krankheit und Drohen von Lebensgefahr zu erwarten

Es genügt aber, wenn der Schuldner an einer Erkrankung leidet und die Zwangsräumung eine Verschlechterung seines Gesundheitszustands und als deren Folge eine Gefahr für das Leben des Schuldners oder schwerwiegende gesundheitliche Risiken erwarten lässt.[1]

Die Belange der nahen Angehörigen des Schuldners sind ebenfalls zu berücksichtigen.

 
Praxis-Beispiel

Härtegrund: Suizidgefahr der Schwester

Deshalb kann ein Härtegrund vorliegen, wenn die Schwester des Räumungsschuldners bei einer Räumung suizidgefährdet ist.[2]

Die Prüfung darf sich nicht darauf beschränken, ob die Zwangsräumung als solche ohne Gefahr für das Leben oder die Gesundheit durchgeführt werden kann. Vielmehr sind auch eventuelle weitere Beeinträchtigungen, die sich insbesondere aus der Anpassung an eine fremde Umgebung ergeben können, zu berücksichtigen.[3]

 
Praxis-Beispiel

Härtegrund: Krebserkrankung

Es genügt jedoch, wenn durch die Räumungsvollstreckung die Behandlung einer lebensbedrohlichen Erkrankung verhindert oder gefährdet wird.[4]

Körperliche Unversehrtheit

Das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit[5] hat gegenüber dem Räumungsinteresse des Gläubigers Vorrang.[6]

Gibt es andere Möglichkeiten als die Verfahrenseinstellung?

Dies bedeutet nicht, dass die Zwangsräumung bei jeder konkreten Möglichkeit einer Lebens- oder Gesundheitsgefahr eingestellt werden müsste; die Interessen des Gläubigers sind auch hier zu berücksichtigen.[7] Generell setzt Vollstreckungsschutz voraus, dass die Gefahr nicht auf andere Weise als durch die Einstellung der Vollstreckung abgewendet werden kann.

 
Hinweis

Darlegungslast des Schuldners (= Mieters)

Darlegungspflichtig ist der Schuldner.[8]

Jedoch haben die Belange des Schuldners hier einen so hohen Stellenwert, dass die Interessen des Gläubigers, wenn sie nicht ganz besonders schwer wiegen, zurücktreten müssen.[9] Es kommt dabei nicht darauf an, ob die Gefahr, z. B. die Drohung mit einem Suizid, auf einer psychischen Erkrankung oder auf anderen persönlichkeitsbedingten Ursachen beruht. Maßgeblich ist allein, dass der Mieter unfähig ist, auf eine Konfliktsituation angemessen zu reagieren.[10] Der Schuldner muss allerdings aktiv daran mitwirken, dass sich das geltend gemachte Risiko nicht realisiert. Vom Schuldner kann jedes zumutbare Bemühen um eine Verringerung des Risikos verlangt werden.

 
Praxis-Beispiel

Aktives Mitwirken des Schuldners (= Mieters)

Insbesondere muss er sich in ärztliche Behandlung begeben. Ist eine stationäre Behandlung notwendig, muss sich der Schuldner auch einer solchen Behandlung unterziehen. Bricht der Schuldner entgegen ärztlichem Rat eine stationäre Behandlung ab, so ist dies entsprechend zu würdigen.[11]

Dasselbe gilt für einen Angehörigen des Schuldners.[12]

Gerichtliche Auflagen möglich

Das Gericht kann die Durchführung der Vollstreckung von bestimmten Auflagen abhängig machen.[13]

 
Praxis-Beispiel

Gerichtliche Auflagen bei Gesundheits- oder Lebensgefahr

In Betracht kommt die Auflage, dass zu der Zwangsräumung ein Beamter des Gesundheitsamts oder ein Facharzt für Neurologie und Psychiatrie zugezogen wird. Ebenso kann die Unterbringung in einer psychiatrischen Klinik nach den Unterbringungsgesetzen der Länder angeordnet werden.[14]

Scheidet eine Unterbringung nach öffentlichem Recht aus, weil die danach erforderlichen Voraussetzungen (eine akute, unmittelbar bevorstehende Gefahr) nicht gegeben sind, muss das Gericht die Möglichkeit einer Unterbringung nach dem Betreuungsrecht[15] prüfen. Danach ist eine Unterbringung zulässig, solange sie zum Wohl des Betreuten erforderlich ist, weil aufgrund einer psychischen Krankheit oder geistigen oder seelischen Behinderung des Betreuten die Gefahr besteht, dass er sich selbst tötet oder erheblichen gesundheitlichen Schaden zufügt. Eine solche Unterbringung setzt im Gegensatz zu einer öffentlich-rechtlichen Unterbringung keine akute, unmittelbar bevorstehende Gefahr für den Betreuten voraus.

 
Hinweis

Keine akute Gefährdung des Betreuten erforderlich

Notwendig, aber auch ausreichend ist vielmehr nur eine ernstliche und konkrete Gefahr für Leib und Leben, wobei die Anforderungen an die Voraussehbarkeit einer Selbsttötung oder einer erheblichen Eigenschädigung nicht überspannt werden dürfen.[16]

Suizidgefahr bei nahem Angehörigen?

Besteht im Fall einer Zwangsräumung bei einem nahen Angehörigen des Schuldners eine Suizidgefahr, ist diese bei der Anwendung des § 765 a ZPO in gleicher Weise wie eine beim Schuldner selbst bestehende Gefahr zu berücksichtigen.[17]

 
Wichtig

Keine Vorlage von ärzt...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt VerwalterPraxis. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge