1 Leitsatz

Ein an dem Grundstück bestehendes Erbbaurecht hindert nicht den Vollzug einer Teilungserklärung nach § 8 Abs. 1 WEG.

2 Normenkette

§ 8 Abs. 1 WEG; § 93 BGB

3 Das Problem

An dem Grundstück X wird im Jahr 1959 ein Erbbaurecht für die Dauer von 75 Jahren bestellt. Das Grundstück ist mit Mehrfamilienhäusern bebaut. An den einzelnen "Einheiten" bestehen nach der Aufteilung des Erbbaurechts im Jahr 1961 jeweils ein Wohnungs- oder Teilerbbaurecht. A und B sind im Grundbuch gemeinschaftlich als Eigentümer sämtlicher Wohnungs- und Teilerbbaurechte zu Bruchteilen eingetragen. Im Jahr 2022 veräußern A und B ihre Miteigentumsanteile an dem Grundstück unter weiterer Aufspaltung an verschiedene Wohnungs- und Teilerbbauberechtigte. Außerdem erklären sie die Begründung von Wohnungs- und Teileigentum. Dabei wird jedem künftigen Miteigentümer mit seinem Miteigentumsanteil am bisherigen Wohnungs- und Teilerbbaurecht das Sondereigentum an der Einheit verbunden, die er bis dahin als Wohnungs- und Teilerbbauberechtigter innehatte; hinsichtlich der Wohnungs- und Teilerbbaurechte, deren Inhaber keinen Miteigentumsanteil am Grundstück erwerben wollen, sondern bei denen der Anteil anderweitig veräußert werden soll, erfolgt die Einräumung von entsprechendem Sondereigentum mit dem betreffenden Miteigentumsanteil des Erwerbers. Das Grundbuchamt will diesen Antrag nicht vollziehen. Der Eigentümer eines mit einem Erbbaurecht belasteten Grundstücks sei nicht befugt, über das Bauwerk zu verfügen, da dieses gem. § 12 Abs. 1 Satz 1 ErbbauRG als wesentlicher Bestandteil des Erbbaurechts gelte.

4 Die Entscheidung

Dies sieht das OLG München anders! Die Eintragung habe nicht mit der angegebenen Begründung verweigert werden dürfen. Gem. § 8 Abs. 1 WEG könne der Eigentümer eines Grundstücks durch Erklärung gegenüber dem Grundbuchamt das Eigentum an einem Grundstück in Miteigentumsanteile in der Weise teilen, dass mit jedem Anteil Sondereigentum verbunden sei. Die an den Gebäuden begründeten Wohnungs- und Teilerbbaurechte stünden der Aufteilung nicht entgegen. Gem. § 93 BGB könnten Bestandteile einer Sache, die sich voneinander nicht trennen lassen, ohne dass der eine oder der andere zerstört oder in seinem Wesen verändert wird (wesentliche Bestandteile), zwar nicht Gegenstand besonderer Rechte sein. Ein aufgrund eines Erbbaurechts errichtetes Bauwerk gelte aber gem. § 12 Abs. 1 Satz 1 ErbbauRG als wesentlicher Bestandteil des Erbbaurechts. Letzteres wiederum könne nach § 10 Abs. 1 Satz 1 ErbbauRG zwar zur ausschließlich ersten Rangstelle bestellt werden. Darin sei aber kein Vollzugsproblem zu sehen. Bereits aus § 3 Abs. 1 Satz 1 WEG, der auch ein erst zu errichtendes Gebäude erfasse, ergebe sich, dass die Begründung substanzlosen Sondereigentums möglich sei. In der Praxis stelle die Aufteilung vor Errichtung des Gebäudes insbesondere im Bauträgerwesen sogar einen häufigen Fall dar. In dieser Konstellation sei die Teilung aber nicht einmal dann unwirksam, wenn sich nachträglich herausstelle, dass das Gebäude überhaupt nicht errichtet werde. Warum der Fall insofern anders behandelt werden solle, sei nicht ersichtlich.

5 Hinweis

Problemüberblick

Im Fall geht es darum, ob das bereits mit einem (aufgeteilten) Erbbaurecht belastete Grundstück nachträglich in Wohnungseigentum aufgeteilt werden kann, wenn teilweise Wohnungseigentumsrechte substanzlos bleiben. Die bisherige obergerichtliche Rechtsprechung und Teile der Literatur meinen allgemein, ein bestehendes Erbbaurecht hindere den Vollzug einer Teilungserklärung gem. § 8 Abs. 1 WEG (vgl. u. a. OLG Karlsruhe Beschluss v. 22.12.2022, 14 W 75/22 (Wx), FGPrax 2023 S. 9 und Drasdo, NJW-Spezial 2023, S. 194). Der Senat folgt dem in Übereinstimmung mit anderen Stimmen (vgl. Bernert DNotZ 2023, S. 464/467 und Forschner, FGPrax 2023, S. 1) nicht.

Was ist für die Verwaltungen besonders wichtig?

Steht ein Erbbaurecht mehreren gemeinschaftlich nach Bruchteilen zu, so können die Anteile in der Weise beschränkt werden, dass jedem der Mitberechtigten das Sondereigentum an einer bestimmten Wohnung oder an nicht zu Wohnzwecken dienenden bestimmten Räumen in einem aufgrund des Erbbaurechts errichteten oder zu errichtenden Gebäude eingeräumt wird (Wohnungserbbaurecht, Teilerbbaurecht). Für jeden Anteil wird von Amts wegen ein besonderes Erbbaugrundbuchblatt angelegt (Wohnungserbbaugrundbuch, Teilerbbaugrundbuch). Für das Wohnungserbbaurecht (Teilerbbaurecht) gelten die Vorschriften über das Wohnungseigentum (Teileigentum) entsprechend.

6 Entscheidung

OLG München, Beschluss v. 24.8.2023, 34 Wx 202/23 e

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