Entscheidungsstichwort (Thema)

Schadensersatz nach Forderung einer "Lästigkeitsprämie"

 

Leitsatz (amtlich)

1. Unter besonderen Umständen kann eine Bank verpflichtet sein, Sicherheiten freizugeben, wenn die Notwendigkeit dieses Verhaltens überdeutlich und augenscheinlich gewesen ist, die Bank aber die Augen davor verschlossen hat.

2. Besondere Rücksichtnahmepflichten einer Bank auf die Interessen des Sicherungsgebers ergeben sich sowohl aus dem Darlehensverhältnis als auch aus dem Sicherungsvertrag und der zugrunde liegenden Zweckerklärung. Bei einer Sicherungsgrundschuld ist der schuldrechtliche Sicherungsvertrag der Rechtsgrund der dinglichen Grundschuldbestellung. Der Sicherungsvertrag begründet - auch ohne ausdrückliche Vereinbarung - kraft seiner Rechtsnatur zwischen den Vertragspartnern ein Treuhandverhältnis. Deshalb ist der Sicherungsnehmer (hier die Bank) als Treuhänder grundsätzlich verpflichtet, auch die Interessen des Treugebers zu wahren.

3. Im Bereich der Sicherheitenverwertung und der Zwangsvollstreckung gelten für eine Bank oder Sparkasse das Verbot einer übermäßigen Schädigung des Vertragspartners sowie das Verbot rücksichtslosen Vorgehens. Ein rücksichtsloses Vorgehen kann das Bemühen um einen freihändigen Verkauf zunichte machen und eine Schadensersatzpflicht der handelnden Bank auslösen.

 

Normenkette

BGB §§ 280, 488, § 488 ff.; ZPO §§ 114, § 114 ff., § 127 Abs. 2

 

Verfahrensgang

LG Flensburg (Beschluss vom 14.10.2010)

 

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin vom 12.11.2010 werden der Prozesskostenhilfe versagende Beschluss der 2. Zivilkammer des LG Flensburg vom 14.10.2010 sowie der Nichtabhilfebeschluss vom 4.2.2011 geändert und wie folgt neu gefasst:

Der Antragstellerin wird auf ihren Antrag vom 14.5.2010 Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung unter Beiordnung von Herrn Rechtsanwalt ..., insoweit bewilligt, als sie zu beantragen beabsichtigt, die Antragsgegnerin zu 1. zu verurteilen, an sie bis zu 33.000 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen. Im Übrigen wird der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe zurückgewiesen.

Die Antragstellerin trägt 50 % der Gerichtskosten; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

 

Gründe

Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin gegen den Prozesskostenhilfe versagenden Beschluss der Kammer ist zulässig und in der Sache teilweise auch begründet (§§ 127 Abs. 2, 114 ff. ZPO).

I. Die Antragstellerin (geboren am 7.7.1960) beabsichtigt, die Antragsgegner als Gesamtschuldner wegen schuldhafter Verletzung nebenvertraglicher Treuepflichten aus Darlehens- bzw. Sicherungsverträgen auf Schadensersatz i.H.v. 48.000 EUR in Anspruch zu nehmen.

Die Antragstellerin betrieb bis April 2006 auf ihrem Grundstück ... ein Lebensmittelgeschäft unter der Firma "...". Infolge einer Verringerung der Handelsspanne zwischen An- und Verkaufspreisen im Jahr 2004 sowie der Scheidung von ihrem Ehemann im Jahr 2005, der sich bis dahin um die Buchführung der Firma gekümmert hatte, geriet die Antragstellerin in Vermögensverfall. Am 17.5.2006 wurde über ihr Vermögen das Insolvenzverfahren eröffnet (AG Husum, Aktenzeichen 10 IN 44/06).

Bereits vor und während des Insolvenzverfahrens hatte die Antragstellerin einen Makler (Firma ...) mit dem Verkauf ihrer Immobilie beauftragt.

Das Grundstück der Antragstellerin (Grundbuch von ...) war in Abteilung III laufende Nr. 2 mit einer Grundschuld über 69.024,40 EUR zugunsten der Antragsgegnerin zu 2. (davon rangletzter Teilbetrag i.H.v. 8.200 EUR seit dem 9.11.1994 abgetreten an die Antragsgegnerin zu 1.) und in Abteilung III laufende Nr. 4 mit einer Grundschuld über 51.129,19 EUR zugunsten der Antragsgegnerin zu 1. belastet. Zum Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung beliefen sich die Verbindlichkeiten der Antragstellerin bei der erstrangig gesicherten Antragsgegnerin zu 2. (bzw. der.. Bausparkasse) auf ca. 55.000 EUR und die Verbindlichkeiten gegenüber der nachrangig gesicherten Antragsgegnerin zu 1. (bzw. der Bausparkasse ...) auf ca. 25.000 EUR.

Im Laufe des Insolvenzverfahrens erreichte den Insolvenzverwalter B über den eingeschalteten Makler V ein Angebot des Kaufinteressenten C vom 31.1.2007 über 60.000 EUR (inkl. Mehrwertsteuer, vgl. Anlage K3, Bl. 17 GA).

Die Antragstellerin behauptet, der Zeuge C sei - nach Besichtigung der Immobilie im April 2007 - fest zum Kauf entschlossen gewesen. Es habe sich wohl um die letzte Möglichkeit einer freibleibenden Veräußerung gehandelt. Während die Antragsgegnerin zu 2. bereit gewesen sei, der freihändigen Veräußerung des Objekts zu einem Kaufpreis i.H.v. 60.000 EUR zuzustimmen, habe die nachrangig gesicherte Antragsgegnerin zu 1. im April 2007 von der Antragsgegnerin zu 2. die Zahlung einer sog. "Lästigkeitsprämie" i.H.v. 5.000 EUR gefordert. Dieses Ansinnen habe die Antragsgegnerin zu 2. abgelehnt, weshalb sich der beabsichtigte freihändige Verkauf nicht mehr realisieren ließ.

Im Zuge des im Juni 2007 eingeleiteten Zwangsversteigerungsverfahrens (AG ...

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