Entscheidungsstichwort (Thema)

Ausübung gemeindlichen Vorkaufsrechts im Sanierungsgebiet

 

Leitsatz (amtlich)

1. Zur Auslegung und rechtlichen Einordnung eines in der notariellen Urkunde als “Grundstückskaufvertrag” bezeichneten, ein Grundstück in einem förmlich festgelegten Sanierungsgebiet betreffenden Rechtsgeschäfts, bei dem die Vertragsparteien gegenüber der Ausübung des gemeindlichen Vorkaufsrechts geltend machen, es handelte sich “in Wahrheit” um die in einer gesonderten schriftlichen Vereinbarung bestimmte Einbringung des Grundstücks in eine in dem Vertrag als “Käuferin” bezeichnete Gesellschaft bürgerlichen Rechts, deren Mitgesellschafterin mit einem Geschäftsanteil von 10 % die in dem Vertrag als “Verkäuferin” bezeichnete Grundstückseigentümerin ist.

2. Bei der Veräußerung eines Grundstücks an eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts, an der Verkäuferin und bisherige Eigentümerin zu einem Geschäftsanteil von 10 % beteiligt ist, handelt es sich im Verständnis der §§ 28 Abs. 2 Satz 2 BauGB, 463 BGB um einen “Kaufvertrag mit einem Dritten”, der den Eintritt des Vorkaufsfalls begründet.

3. Mit der Mitteilung des Kaufvertrags (§ 28 Abs. 1 Satz 1 BauGB) an die nach § 24 BauGB vorkaufsberechtigte Gemeinde übernehmen die in der notariellen Urkunde bezeichneten Vertragspartner dieser gegenüber öffentlich-rechtlich die Gewähr dafür, dass darin der Vertragsinhalt zutreffend wiedergegeben ist und ihrem rechtsgeschäftlichen Willen entspricht. Diese “Zusicherung” müssen die vorlegenden Parteien des Erstvertrags gerade vor dem Hintergrund der gesetzlich begrenzten Frist zur Ausübung des Vorkaufsrechts und entsprechend eingeschränkter Prüfungsmöglichkeiten für die Gemeinden, jedenfalls soweit es um die Frage der Rechtmäßigkeit des Ausübungsverwaltungsaktes der vorkaufsberechtigten Gemeinde geht, gegen sich gelten lassen. Das schließt nicht nur Einwände gegen die zivilrechtliche Wirksamkeit des Kaufvertrages in diesem Zusammenhang aus, sondern auch sonstige Einwände eines in Wahrheit “gewollten”, vom Inhalt der Vertragsurkunde abweichenden zivilrechtlichen Inhalts des Vertrags.

4. Streitigkeiten zwischen dem Vorkaufsverpflichteten und der Gemeinde über den Inhalt und die dingliche Abwicklung (Erfüllung) des zivilrechtlichen Vertrages sind vor den Zivilgerichten auszutragen, haben indes keinen Einfluss auf die Rechtmäßigkeit des Ausübungsverwaltungsakts. Die Durchsetzung der vertraglichen Ansprüche der Beteiligten erfolgt in den Formen des bürgerlichen Rechts.

 

Normenkette

BGB §§ 133, 157, 187-188, 433, 463, 464 Abs. 2, § 718; SVwVfG § 31; VwGO § 80; BauGB § 22 Abs. 5 S. 2, §§ 24, 26 Nr. 4, § 27 Abs. 1, §§ 28, 144-145, 152-153, 177 Abs. 3, § 194; SNG a.F. § 36

 

Verfahrensgang

VG des Saarlandes (Beschluss vom 12.02.2009; Aktenzeichen 5 L 69/09)

 

Tenor

Die Beschwerde der Antragstellerinnen gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts des Saarlandes vom 12. Februar 2009 – 5 L 69/09 – wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens tragen die Antragstellerinnen als Gesamtschuldnerinnen.

Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 30.375,- EUR festgesetzt.

 

Tatbestand

I. 

Die Antragstellerinnen wenden sich gegen eine für sofort vollziehbar erklärte Verfügung der Antragsgegnerin vom 21.1.2009, mit der diese ein sanierungsrechtliches Vorkaufsrecht für das 2.103 qm große Grundstück Parzelle Nr. 228/27 in Flur 1 der Gemarkung A…-Stadt (Anwesen Alte Schulstraße 10-12) ausgeübt hat. Das nach Aktenlage seit 2005 im Eigentum der Antragstellerin zu 1) stehende Grundstück (vgl. den Auszug aus dem Grundbuch von Völklingen, Blätter 20 ff., 23 der Verwaltungsakte, wonach das Grundstück am 19.4.2005 aufgrund einer im März 2004 erklärten Auflassung auf die Antragstellerin zu 1) umgeschrieben wurde (Grundbuchblatt 11597, Erste Abteilung)) in zentraler Lage befindet sich im Geltungsbereich des durch Satzung der Antragsgegnerin vom 5.4.1972 festgelegten Sanierungsgebiets “A…-Stadt-Zentrum, Hütte und Unteres Wehrden”. Es ist aktuell mit einem 1969 errichteten Parkhaus, das dem bis zum Jahre 1999 in unmittelbarer Nachbarschaft betriebenen Kaufhof zugeordnet war, einem ursprünglich aus dem 19. Jahrhundert stammenden, später mehrfach veränderten Wohnhaus und mit einer gewerblich genutzten Halle bebaut.

Der Innenstadtbereich der Antragsgegnerin war in den Jahren 2002 bis 2007 Modellprojekt im Rahmen des Forschungsvorhabens “Stadtumbau-West” des Bundes. Die (fortgeschriebenen) Ziele der Sanierung sind unter anderem die Stabilisierung der Innenstadt als Standort für Einzelhandel, Bildung, Dienstleistung, Gesundheit und Kultur sowie die quantitative und qualitative Anpassung des Flächenangebots an die aktuellen Erfordernisse des Einzelhandels.

In einem 2007 erstellten amtlichen Wertgutachten wurde der Verkehrsbeziehungsweise Marktwert des Grundstücks der Antragstellerin zu 1) mit 304.000,- EUR angegeben. (vgl. das Gutachten des Gutachterausschusses für Grundstückswerte für den damaligen Stadtverband Saarbrücken vom 29.3.2007, Blätter 42 ff. der Verw...

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