Leitsatz (amtlich)

1. Die seit der Heininger-Entscheidung vom BGH vertretene Auffassung, dass § 5 Abs. 2 HWiG dem Widerruf einer in einer Haustürsituation abgegebenen Willenserklärung nicht entgegensteht, wenn keine ordnungsgemäße Widerrufsbelehrung erfolgt ist, lässt sich im Verhältnis zwischen Privatparteien zwar nicht aus einer Direktwirkung der zugrunde liegenden Richtlinie 85/577/EWG begründen. Der Senat folgt aber der vom BGH vertretenen Auffassung, dass § 5 Abs. 2 HWiG einschränkend auszulegen ist und eine solche Auslegung verstößt jedenfalls dann nicht gegen ein verfassungsrechltiches Rückwirkungsverbot, wenn die Willenserklärung vor Bekanntwerden der in WM 1998, 2463, 2464 veröffentlichten Entscheidung des BGH abgegeben wurde.

2. Für das Vorliegen einer Haustürsituation i.S.d. § 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 HWiG kommt es nicht darauf an, ob die mündlichen Verhandlungen überraschend und/oder anbieterinitiiert erfolgten.

3. Der Senat hält an seiner Auffassung fest (OLG Stuttgart, Urt. v. 9.3.2004 - 6 U 166/03, OLGReport Stuttgart 2004, 244 [249], S. 16 ff.), dass der Vermittler bei einem verbundenen Geschäft nicht Dritter i.S.d. § 123 Abs. 2 GBG ist, sondern eine Zurechnung der Haustürsiutation - sofern es eine solche überhaupt bedarf - nach § 123 Abs. 1 BGB analog erfolgt.

4. Zur Kausalität der Haustürsituation für die Abgabe der Willenserklärung des Kunden.

5. Hatte die Bank den Kunden bei Vorliegen eines verbundenen Geschäfts ordnungsgemäß nach §§ 9 Abs. 2 S. 2, 3 i.V.m. § 7 Abs. 2 S. 2 VerbrKrG i.d.F. vom 17.12.1990 belehrt, so stellt dies eine ordnungsgemäße Belehrung des Kunden i.S.d. § 2 Abs. 1 S. 2 HWiG i.d.F. vom 16.1.1986 dar. § 2 Abs. 1 S. 3 HWiG i.d.F. vom 16.1.1986 steht aufgrund einer teleogischen Reduktion nicht entgegen (entgegen BGH, Urt. v. 8.6.2004 - XI ZR 167/02, BGHReport 2004, 1429, S. 9).

6. Eine unzutreffende Belehrung durch die Bank (insb. der Belehrung über ein nicht verbundenes Geschäft bei Vorliegen eines verbundenen Geschäfts) führt auch nach längerer Zeit nicht zur Verwirkung des Widerrufsrechts (Aufgabe der Rechtssprechung des Senats BKR 2002, 828).

7. Die Rückabwicklung des mit einem Beitritt zu einer Gesellschaft verbundenen Darlehensvertrags nach einem erfolgreichen Widerruf nach dem HWiG richtet sich nach den vom II. Zivilsenat des BGH in den Urteilen vom 14.6.2004 (BGH, Urt. v. 14.6.2004 - II ZR 382/02, S. 7 f.; v. 14.6.2004 - II ZR 395/01, BGHReport 2004, 1292 = MDR 2004, 1193, S. 12) festgelegten Kriterien (insoweit Aufgabe der Rechtssprechung des Senats). Bei einer Rückabwicklung nach diesen Grundsätzen sind Steuervorteile der Kunden nicht auszugleichen.

 

Verfahrensgang

LG Stuttgart (Urteil vom 21.03.2003; Aktenzeichen 8 O 385/02)

 

Tenor

I. Auf die Berufung der Beklagten vom 23.4.2003 wird das Urteil der 8. Zivilkammer des LG Stuttgart vom 21.3.2003 (8 O 385/02) abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Kläger 33.230,18 Euro nebst Zinsen i.H.v. 5 % über dem jeweiligen Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank seit 19.8.2002 zu bezahlen Zug um Zug gegen Abtretung der Beteiligung der Kläger an der Grundstücks-, Vermögens- und Verwaltungsgesellschaft Bürgerlichen Rechts ... (WGS-Fonds Nr. 28) und Abgabe bzw. Vornahme sämtlicher hierfür notwendiger Erklärungen und Handlungen.

1. Auf die Hilfswiderklage der Beklagten werden die Kläger als Gesamtschuldner verurteilt, ihre Beteiligung an der Grundstücks-, Vermögens- und Verwaltungsgesellschaft Bürgerlichen Rechts ... (WGS-Fonds Nr. 28) an die Beklagte abzutreten und sämtliche hierfür notwendigen Erklärungen und Handlungen abzugeben bzw. vorzunehmen Zug um Zug gegen Zahlung von 33.230,18 Euro nebst Zinsen i.H.v. 5 % über dem jeweiligen Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank seit 19.8.2002.

Klage und Widerklage werden im Übrigen abgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits in erster Instanz tragen die Kläger je 5 % als Einzelschuldner und 6 % als Gesamtschuldner, die Beklagte 84 %.

II. Die weiter gehende Berufung wird zurückgewiesen.

III. Von den Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Kläger je 5 % als Einzelschuldner und 8 % als Gesamtschuldner, die Beklagte 82 %.

IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Jede Partei kann die Vollstreckung durch die andere Partei durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die andere Partei vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.

Streitwert:

Für beide Instanzen: bis 125.000 Euro.

 

Gründe

I. Die Parteien streiten mit Klage und Widerklage über die rechtlichen Folgen eines von der Beklagten finanzierten Beitritts der Kläger zu einem geschlossenen Immobilienfonds.

1. Wegen des unstreitigen Vortrags der Parteien, des streitigen Kläger- und Beklagtenvortrags erster Instanz und der dortigen Anträge wird auf das angegriffene Urteil verwiesen. Der unstreitige Vortrag ist insoweit zu ergänzen, als nunmehr unstreitig ist, dass die den Klägern mittelbar und unmittelbar zugute gekommenen Fo...

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