Verfahrensgang

LG Stuttgart (Urteil vom 14.08.2015; Aktenzeichen 6 O 189/14)

 

Tenor

1. Der Senat beabsichtigt, dem Antrag der Klägerin auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Berufungsbegründungsfrist stattzugeben, die damit zulässige Berufung der Klägerin gegen das Urteil des LG Stuttgart vom 14.08.2015, Az. 6 O 189/14, jedoch durch einstimmigen Beschluss nach § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.

2. Es besteht Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 3.12.2015.

 

Gründe

I.1. Die Parteien streiten über die Wirksamkeit eines von der Klägerin erklärten Widerrufs eines Immobiliendarlehensvertrages.

Aufgrund Vertrages vom 21./26.04.2011 (Bl. 5 ff. d.A.) gewährte die Beklagte der Klägerin zum Zwecke der Finanzierung einer Gewerbeeinheit in ... ein durch Grundschulden gesichertes Darlehen in Höhe von 750.025,00 EUR zu einem bis zum 30.04.2021 fest vereinbarten Nominalzins von 3,49 % p.a..

Anfang Mai 2011 schlossen die Parteien eine Änderungsvereinbarung, aufgrund derer der Darlehensvertrag hinsichtlich einzelner Vertragsbedingungen (Bereitstellungsprovision, Darlehensrückzahlung und Laufzeit, Sonderzahlungen etc.) modifiziert wurde. Den Inhalt der vereinbarten vertraglichen Änderungen teilte die Beklagte der Klägerin unter Bezugnahme auf den bestehenden Darlehensvertrag vom 21./26.04.2011 (820 442 305) mit Schreiben vom 04.05.2011 (Bl. 6 d.A.) mit unter Hinweis darauf, dass alle nicht genannten Punkte unverändert ihre Gültigkeit behielten und die Klägerin gebeten werde, das Schreiben der Beklagten als wesentlichen Bestandteil des genannten Darlehensvertrages zu betrachten. Weiter wurde auf die dem Schreiben beigefügten modifizierten "vorvertraglichen Informationen" hingewiesen. Dieses Informationsblatt, überschrieben mit "Europäisches Standardisiertes Merkblatt", benennt und beschreibt die wesentlichen Vertragsbedingungen. Unter Ziffer 16 findet sich unter der Spalte "Inhalt" folgende Passage: "Widerrufsrecht. Sie haben das Recht, innerhalb von 14 Kalendertagen den Darlehensvertrag zu widerrufen". Auf der rechten Passage, überschrieben mit "Beschreibung", findet sich hierzu die Angabe: "Ja".

Mit Schreiben vom 23.06.2014 widerrief die Klägerin ihre auf Abschluss des streitgegenständlichen Darlehensvertrags gerichtete Willenserklärung.

Mit ihrer Klage begehrte die Klägerin die Feststellung, dass der Darlehensvertrag infolge ihres Widerrufs in ein Rückgewährschuldverhältnis umgewandelt worden ist.

Nach ihrer Auffassung hat der Lauf der Widerrufsfrist nicht begonnen zu laufen, weshalb der Widerruf fristgemäß erfolgt sei.

Zum einen enthalte der streitgegenständliche Verbraucherdarlehensvertrag nicht sämtliche Pflichtangaben nach Artikel 247 §§ 6 - 13 EGBGB. Es fehlten die notwendigen Pflichtangaben über den Verzugszinssatz, den Warnhinweis und die zuständige Aufsichtsbehörde. Richtig sei zwar, dass diese Angaben bei einem Immobiliardarlehen nicht erforderlich seien; im Streitfall seien jedoch zusätzlich die Vorschriften des Fernabsatzes - hier § 312c Abs. 1 BGB - maßgeblich, weshalb es der genannten Angaben im Vertrag bedurft hätte. Schon wegen der Unvollständigkeit der Angaben habe die Widerrufsfrist nicht begonnen zu laufen.

Die Widerrufsfrist habe aber auch deshalb nicht begonnen zu laufen, weil die Beklagte die Klägerin über den Beginn der Widerrufsfrist nicht eindeutig belehrt habe. Das Vertragsangebot der Beklagten vom 21.04.2011 habe die Klägerin am 26.04.2011 angenommen. Mit Eingang der von der Klägerin unterzeichneten Vertragsurkunde bei der Beklagten sei der Vertrag wirksam geworden. Dieser Zeitpunkt, der wiederum für den Beginn der Widerrufsfrist maßgeblich gewesen sei, sei für die Klägerin weder erkennbar noch bestimmbar gewesen, zumal die Beklagte keine Empfangsbestätigung übermittelt habe.

Darüber hinaus habe die Beklagte im Zusammenhang mit der Übersendung des Schreibens vom 04.05.2014 eine modifizierte Ausfertigung vorvertraglicher Informationen übersandt, nach deren Ziffer 16 die Klägerin das Recht habe, den Darlehensvertrag innerhalb von 14 Tagen zu widerrufen. Nähere Angaben seien nicht gemacht worden. Aus Sicht eines verständigen Verbrauchers werde nicht mit hinreichender Sicherheit deutlich, ob aus der Vertragsänderung ein eigenes Widerrufsrecht hervorgehe oder ob lediglich der Lauf des bestehenden Rechts neu begonnen habe.

Zudem seien im Rahmen der modifizierten Ausfertigung vorvertraglicher Informationen die Pflichtangaben geändert und damit nachgeholt worden, so dass die Widerrufsfrist richtigerweise einen Monat betragen habe.

Die Beklagte könne sich nicht darauf berufen, dass die Widerrufsinformation dem Muster in Anlage 6 zu Art. 247 § 6 Abs. 2 und 12 Abs. 1 EGBGB entspreche, weil jedenfalls nicht ersichtlich sei, dass ein Fall der Belehrung nach Anmerkung 7 vorliege.

Nach Schluss der mündlichen Verhandlung hat die Klägerin zudem geltend gemacht, die streitgegenständliche Widerrufsinformation sei entgegen den damaligen rechtlichen Erfordernissen nicht in hervorgehobener und deutlicher Form g...

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