Verfahrensgang

LG Heilbronn (Urteil vom 04.01.2006; Aktenzeichen 6 O 272/05 Bi)

 

Nachgehend

BGH (Beschluss vom 06.11.2008; Aktenzeichen IX ZB 208/06)

 

Tenor

1. Der Antrag des Klägers auf Wiedereinsetzung in die Berufungsbegründungsfrist wird zurückgewiesen.

2. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des LG Heilbronn vom 4.1.2006 (6 O 272/05 Bi) wird als unzulässig verworfen.

3. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Streitwert der Berufung: bis 290.000 EUR.

 

Gründe

1. Der Kläger hat mit Schriftsatz vom 11.7.2006, eingegangen beim LG Heilbronn per Telefax am 12.7.2006 (Bl. 166 d.A.), beantragt, die am 17.7.2006 ablaufende Frist zur Berufungsbegründung gem. § 522 Abs. 2 Satz 3 ZPO um einen Monat zu verlängern. Durch Weisung des Vorsitzenden Richters der 6. Zivilkammer des LG Heilbronn wurde am 13.7.2006 angeordnet, "dieses Fax - im Original" an das OLG Stuttgart zu dem dortigen Aktenzeichen weiterzuleiten. Ausweislich des Erledigungsvermerks der Geschäftsstelle des LG Heilbronn wurde das dort am 13.7.2006 eingegangene Original des Schriftsatzes vom 11.7.2006 am 14.7.2006 an das OLG Stuttgart weitergeleitet, wo es am 18.7.2006 einging.

Der Kläger hat beantragt, ihm Wiedereinsetzung in die versäumte Berufungsbegründungsfrist zu gewähren, weil die Versäumung der rechtzeitigen Beantragung der Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist trotz der unrichtigen Adressierung an das LG Heilbronn letztlich nicht mehr auf einem dem Kläger zuzurechnenden Verschulden seines Prozessbevollmächtigten beruhe. Das unzuständige LG Heilbronn habe es vielmehr versäumt, den Fristverlängerungsantrag rechtzeitig an das Berufungsgericht weiterzuleiten, obwohl dies im ordnungsgemäßen Geschäftsgang möglich gewesen sei und habe dadurch gegen eine ihm obliegende Fürsorgepflicht ggü. dem Kläger verstoßen. Dies begründe nach verfassungsrechtlichen Grundsätzen einen Anspruch auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand.

Der Beklagte ist dem Wiedereinsetzungsantrag entgegengetreten.

2. Das Wiedereinsetzungsgesuch des Klägers ist zwar fristgerecht erfolgt und auch im Übrigen zulässig. In der Sache ist der Wiedereinsetzungsantrag aber unbegründet, weil der Kläger nicht in unverschuldeter Weise verhindert war, die Frist zur Begründung der Berufung einzuhalten (§ 233 ZPO).

a) Der BGH (vgl. BGHZ 83, 217; 116, 377) hat entscheiden, dass eine Rechtsmittelbegründungsfrist grundsätzlich auch noch nach deren Ablauf verlängert werden kann, sofern dies bis zum Ablauf des letzten Tages der Frist beantragt worden ist. Der Antrag auf Fristverlängerung ist vorliegend aber erst am 18.7.2006 und damit nach Ablauf der gem. § 520 Abs. 2 Satz 1 ZPO zu bestimmenden Frist zur Berufungsbegründung beim Berufungsgericht eingegangen. Eine Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der Antragsfrist ist zwar nicht möglich, allerdings hat der Kläger ausdrücklich Wiedereinsetzung in die versäumte Berufungsbegründungsfrist in zulässiger Weise beantragt (vgl. Zöller/Gummer/Heßler, ZPO, 25. Aufl., § 520 Rz. 23) und innerhalb der Frist des § 236 Abs. 2 Satz 2 ZPO die versäumte Prozesshandlung nachgeholt.

b) Wiedereinsetzung in den vorigen Stand kann dem Kläger nicht gewährt werden, weil die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist dem Kläger zuzurechnen ist, weil der Antrag auf Fristverlängerung im Schriftsatz vom 11.7.2006 anstatt an das Berufungsgericht an das LG Heilbronn gerichtet wurde. Diese Falschadressierung war ursächlich für die nicht rechtzeitig erlangte Fristverlängerung, welche ansonsten nach § 522 Abs. 2 Satz 3 ZPO zu bewilligen gewesen wäre.

aa) Die Ursächlichkeit der Fehladressierung für die Versäumung der Frist ist vorliegend auch nicht dadurch unterbrochen worden, weil es dem LG Heilbronn oblegen hätte, die Fristversäumung zu vermeiden. Das BVerfG leitet zwar aus Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip als allgemeines Prozessgrundrecht den Anspruch einer Partei auf ein faires Verfahren ab (vgl. etwa BVerfG NJW 2001, 1343; NJW 2005, 2137; Zöller/Greger, § 233 Rz. 22b). Danach muss der Richter das Verfahren so gestalten, wie die Parteien des Zivilprozesses es von ihm erwarten dürfen. Die Abgrenzung dessen, was im Rahmen einer fairen Verfahrensgestaltung an richterlicher Fürsorge von Verfassungs wegen geboten ist, kann sich aber nicht nur am Interesse des Rechtssuchenden an einer möglichst weit gehenden Verfahrenserleichterung orientieren, sondern muss auch berücksichtigen, dass die Justiz im Interesse ihrer Funktionsfähigkeit vor zusätzlicher Belastung geschützt werden muss. Danach muss der Partei und ihrem Prozessbevollmächtigten die Verantwortung für die Ermittlung des richtigen Adressaten fristgebundener Verfahrenserklärungen nicht allgemein abgenommen und auf ein unzuständiges Gericht verlagert werden (vgl. BVerfG, a.a.O.).

Die Abwägung zwischen den betroffenen Belangen fällt jedenfalls dann zugunsten des Rechtssuchenden aus, wenn das angegangene Gericht zwar für das Rechstmittelverfahren nicht zuständig ist, aber vorher mit dem Verfahren befasst war. Fü...

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