Leitsatz (amtlich)

Neue Angriffs- und Verteidigungsmittel sind im Berufungsverfahren unabhängig vom Vorliegen der Voraussetzungen des § 531 Abs. 2 ZPO grundsätzlich zuzulassen, wenn der neue Sachvortrag unstreitig ist und seine Berücksichtigung eine Sachentscheidung ohne weitere Beweisaufnahme ermöglicht.

 

Normenkette

ZPO § 531

 

Verfahrensgang

LG Nürnberg-Fürth (Urteil vom 14.01.2003; Aktenzeichen 2 O 8457/02)

 

Tenor

I. Die Berufung der Klägerin gegen das Endurteil des LG Nürnberg-Fürth vom 14.1.2003 wird zurückgewiesen.

II. Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Klägerin zu tragen.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Beschluss:

Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 6.146,28 Euro festgesetzt.

 

Gründe

I. Die zulässige Berufung der Klägerin ist nicht begründet.

1. Der Klägerin fehlt die Aktivlegitimation.

Es kommt in diesem Zusammenhang darauf an, ob die A.V.-AG ihr die streitgegenständliche Forderung rückabgetreten hat. Der Anspruch war dieser AG im Rahmen eines Factoringvertrages übertragen worden. Von einer Rückabtretung kann der Senat aber nicht ausgehen.

a) Die Rückzession war in erster Instanz von der Beklagten bestritten worden. Der Vortrag der Klägerin zur Rückzession war unsubstantiiert; über einen unschlüssigen Vortrag brauchte auch kein Beweis erhoben zu werden. Jedenfalls im Hinblick auf das Bestreiten der Beklagten hätte die Klägerin darlegen müssen, wann, an wen und in welcher Form die Rückzession erfolgt sein soll. Dazu schwieg sie sich aus. Ein Vortrag insoweit wäre umso erforderlicher gewesen, als sie sich zum „Beweis” der Rückabtretung auf die „Erklärung der A.-Factoring vom 26.9.2002” (Bl. 4 d.A.) bezog. Das in Bezug genommene Schreiben weist indes nur aus, dass die „Forderung zur Rückzedierung vorgemerkt” wurde oder „zur Verrechnung” ansteht; zugleich bat das Factoring-Unternehmen um Einzahlung eines Betrages von 4.917,02 Euro auf sein näher bezeichnetes „Postbank-Konto”. Dabei handelte es sich anscheinend um den Betrag, den die A.V.-AG für den Erwerb der streitgegenständlichen Forderung an die Klägerin oder deren Ehemann gezahlt hatte. Es lag auch aus der Sicht der Klägerin auf der Hand, dass die Beklagte in Kenntnis des ihr erst wenige Tage vor dem Termin am 17.12.2002 mit Schriftsatz der Klägerin vom 11.12.2002 zugänglich gemachten Schreibens des Factors vom 26.9.2002 und unter Bezugnahme auf dessen Inhalt die Rückabtretung mit ihrem nachgelassenen Schriftsatz vom 30.12.2002 weiterhin bestreiten würde. Wie notwendig ein substantiierter Vortrag gewesen wäre, belegt das von der Klägerin mit der Berufungsbegründung vom 24.3.2003 vorgelegte Schreiben der Firma A.-Factoring vom 30.12.2002, mit dem Herrn M. bestätigt wurde, dass die „Forderung an Sie rückzediert wurde” und dass aufgrund der Zahlung vom 7.10.2002 „sämtliche Rechte an obiger Rechnung” wieder in sein „Eigentum” übergingen. Das bedeutet, dass bei Abfassung der Klageschrift vom 2.10.2002 eine Rückabtretung in keinem Falle erfolgt sein konnte. Die Klägerin verstieß gegen die ihr obliegende Wahrheitspflicht (§ 138 Abs. 1 ZPO), als sie gleichwohl in diesem Schriftsatz behauptete, die Forderung sei rückabgetreten worden (Bl. 4 d.A.).

b) Der Vortrag der Klägerin zur Rückabtretung in der Berufungsbegründung ist zwar nunmehr substantiiert, weil die Klägerin sich den Inhalt des mit der Berufungsbegründung vorgelegten Schreibens der Firma A.-Factoring vom 30.12.2002 an die Firma S.M. zu Eigen macht; denn danach sind aufgrund der Zahlung des Herrn M. vom 7.10.2002 „sämtliche Rechte an obiger Rechnung” wieder in „Ihr Eigentum” übergegangen. Die Rückzession muss deshalb in der Zeit vom 7.10.2002 bis 30.12.2002 erfolgt sein. Weil der Vortrag nunmehr substantiiert ist, ist er aber auch neu. Weil er neu ist, steht seiner Zulassung § 531 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 ZPO entgegen, wonach neue Angriffsmittel nur zuzulassen sind, wenn sie im ersten Rechtszug nicht geltend gemacht worden sind, ohne dass dies auf einer Nachlässigkeit der Partei beruht. Bereits bloße Nachlässigkeit steht der Berücksichtigung neuen Vorbringens entgegen. Mithin bewirkt schon eine leicht fahrlässige Verletzung der Prozessförderungspflicht den Ausschluss neuen Tatsachenvorbringens. Die Partei hat alle ihr bekannten, für den Rechtsstreit relevanten Tatsachen und/oder Beweismittel bereits erstinstanzlich anzugeben (Gehrlein, MDR 2003, 421 [428]). Die Klägerin hat ihre Prozessförderungspflicht unzweifelhaft schuldhaft verletzt, weil sie sich zu den näheren Umständen der Rückzession trotz des Bestreitens der Beklagten ausschwieg, obgleich das von ihr zum Nachweis der bereits erfolgten Rückabtretung vorgelegte Schreiben der A.V.-AG vom 26.9.2002 geradezu das Gegenteil ergab.

Zwar zieht die Beklagte die Rückabtretung nicht mehr in Zweifel, weshalb der entspr. Tatsachenvortrag der Klägerin nunmehr unstreitig ist. Die Berücksichtigung neuen, unstreitig gebliebenen Vorbringens im Berufungsverfahren ist auch grundsätzlich geboten und damit regelmäßig zulässig. Die bis 31.12.2001 gelten...

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