Verfahrensgang

LG München I (Urteil vom 08.07.2003; Aktenzeichen 33 O 1607/03)

 

Tenor

I. Die Berufung gegen das Endurteil des LG München I vom 8.7.2003 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass Ziff. I. des Tenors dieses Endurteils wie folgt lautet:

„Der Beklagten wird untersagt, bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgeldes bis 250.000 Euro ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten an der Versendung von an die Rechtsanwaltskanzlei Freiherr v.G. per E-Mail gerichteten Werbeschreiben, insb. in Form von E-cards und Newslettern, mitzuwirken, falls diese nicht vom Kläger angefordert wurden.”

II. Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

 

Gründe

I. Hinsichtlich der tatsächlichen Feststellungen wird auf das landgerichtliche Urteil verwiesen, gegen das die Beklagte Berufung eingelegt hat. Die Beklagte rügt:

1. Das LG stelle zu Unrecht die Zusendung von politischer Information der Zusendung kommerzieller Werbung gleich.

2. Ein relevanter Eingriff in den Gewerbebetrieb liege nicht vor, weil für die Beklagte nicht erkennbar gewesen sei, dass die E-Mail-Adresse die einer Rechtsanwaltskanzlei gewesen sei.

3. Die einmalige Zusendung einer E-Mail sei kein Eingriff.

4. Die Beklagte sei nicht Mitstörerin.

5. Der Kläger habe, obwohl es ihm unschwer möglich sei, auf seine E-Mail-Adresse keinen Anti-Werbungs-Filter gesetzt.

6. Das LG habe im Rahmen seiner Interessenabwägung die Reichweite des Art. 21 GG verkannt.

Die Beklagte beantragt daher: Unter Aufhebung des am 8.7.2003 verkündeten Urteils des LG München I, Az: – 33 O 1607/03 –, wird die Klage abgewiesen.

Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Zur weiteren Ergänzung des Sach- und Streitstands wird auf alle in beiden Instanzen zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf alle gerichtlichen Entscheidungen und Protokolle verwiesen.

II. Die Berufung ist zulässig, jedoch unbegründet. Der Senat folgt den zutreffenden und sorgfältig begründeten Ausführungen des Ersturteils und merkt zu den Berufungsangriffen Folgendes an:

1. Gemäß der in NJW 2002, 2938 veröffentlichten Entscheidung des BVerfG (BVerfG v. 1.8.2002 – 2 BvR 2135/01, NJW 2002, 2938) bestehen – wie auch schon das LG unter IV. seiner Entscheidungsgründe ausgeführt hat – keine verfassungsrechtlichen Bedenken dagegen, die Zusendung politischer Information der Zusendung kommerzieller Werbung gleichzustellen.

2. Das zweite Argument der Berufungsbegründung verkennt, dass die Ansprüche aus §§ 1004, 823 BGB verschuldensunabhängig sind.

Es kommt also nicht darauf an, ob die Beklagte erkennen konnte, dass die von ihr kontaktierte Adresse die eines Gewerbebetriebs ist (bzw. die einer Rechtsanwaltskanzlei, die im Rahmen der §§ 1004, 823 BGB einem Gewerbebetrieb gleichsteht).

Im Übrigen musste die Beklagte ohnehin damit rechnen, dass bei der von ihr gewählten/ermöglichten Art der Versendung auch Gewerbebetriebe kontaktiert werden.

3. Es trifft auch nicht zu, dass die einmalige Übersendung eines „Newsletter” per E-Mail keinen rechtswidrigen Eingriff darstelle.

Zum einen hat der Kläger zwei Mails erhalten (vgl. die Anlagen K 3, 4).

Zum anderen stellt angesichts der allgemeinen (also nicht nur von der Beklagten ausgehenden) Gefahr des Ausuferns und des Überhandnehmens von E-Mail-Werbeschreiben bereits das erstmalige unerwünschte Zusenden einen relevanten Eingriff da; dies hat etwa für das Kommunikationsmedium „Btx-Mitteilungsdienst” der BGH (BGH v. 3.2.1988 – I ZR 222/85, MDR 1988, 555 = CR 1988, 460 = NJW 1988, 1670 [1671], rechte Spalte unten; bzw. für den Telefaxbereich das OLG München v. 8.2.1993 – 29 W 671/93, OLGReport München 1993, 232 = CR 1994, 153 = NJW-RR 1994, 1054 [1055], rechte Spalte oben) entschieden und entspricht i.Ü. auch der Rspr. zum erstmaligen Zusenden nicht verlangter Werbe-E-Mails.

4. Auch der Berufungsangriff, nachdem die Beklagte nicht Mitstörerin sein soll, greift nicht durch.

Da der entscheidungserhebliche Unterlassunganspruch verschuldensunabhängig ist, kommt es nicht darauf an, ob die Beklagte damit rechnen musste (und unter Umständen fahrlässig verkannt hat), dass Dritte mit „nachgerade krimineller Energie” für den Kläger einen „Newsletter” bestellen.

Im Übrigen entspr. es der allgemeinen Lebenserfahrung, dass Dritte weitere Dritte entweder necken oder ärgern wollen (vgl. hierzu auch die Adressatenzeile von K 4, wo der Kläger als „Hameltoff Don Grafo” bezeichnet wird) und dazu die von der Beklagten eröffnete (und noch dazu anonym ergreifbare) Möglichkeit benutzen, diesen weiteren Dritten von diesen nicht bestelltes Werbematerial (vorliegend politischen Inhalts) zukommen zu lassen.

Hinsichtlich der erforderlichen (und vorhandenen) Möglichkeit der Beklagten, diese Störung zu verhindern, verweist der Senat über die vom LG auf Bl. 9 ganz unten erwähnte Möglichkeit hinaus auf die vom LG Berlin (LG Berlin v. 16.5.2002 – 16 O 4/02, CR 2002, 606 = NJW 2002, 2569 [2571] rechte Spalte ganz unten) dargelegte Gest...

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